Übergriffe in Georgien
Gewalt gegen georgischen Oppositionspolitiker: „Alles von Russland gelenkt“
VonPaula Völknerschließen
Dimitri Chikovani wurde infolge seines Protests in Georgien Opfer von Gewalt. Hinter dem Angriff und dem umstrittenen Gesetz vermutet er „Putins Marionetten“.
Tiflis – Nicht nur auf den Straßen kämpfen in Georgien Zehntausende gegen den Erlass des sogenannten „Russischen Gesetzes“. Auch im georgischen Parlament versucht die Opposition den Vorstoß der Regierung aufzuhalten. Mit dem anhaltenden Protest häufen sich die Berichte über Gewalt gegen Aktivisten und Politiker. Oppositionspolitiker wie Dimitri Chikovani lassen sich von den Übergriffen nicht aufhalten. Der Protest, erklärt Chikovani, sei eine Frage „nationaler Identität“.
Der georgische Politiker der Partei „United National Movement“ wurde in der vergangenen Woche vor seiner Wohnung angegriffen und schwer verletzt. Die Angreifer nennt der Oppositionspolitiker „Putin‘s Puppets“ – also „Putins Marionetten“. Im Interview mit merkur.de von IPPEN.MEDIA betont er, es gebe „keine anderen Worte, um sie zu beschreiben“. Die Verantwortung sieht Chikovani auch bei der georgischen Regierung.
Anhaltender Protest in Georgien: Gewalt gegen Kritiker des sogenannten „Russischen Gesetzes“
Chikovani hatte sich gegen das geplante Gesetz der georgischen Regierungspartei „Georgischer Traum“ stark gemacht. Wie auch andere Aktivisten wurde der Politiker wegen seines Engagements Opfer von Gewalt.
Eine Gehirnerschütterung, eine gebrochene Nase, Schnitte im Gesicht und zwei blaue Augen waren die Folge des brutalen Angriffs vor Chikovanis Wohnhaus. Material einer Videoüberwachungskamera zeigte später Aufnahmen des Angriffs. Zu sehen sind fünf Männer, die den georgischen Politiker zu Boden schmeißen und ihm gegen den Kopf und in den Bauch treten. Infolge des Angriffs kam der Oppositionspolitiker ins Krankenhaus.
Georgischer Politiker vermutet hinter Gesetz eine „Anordnung Russlands“
Gegen das Gesetz kämpft Chikovani weiter. Auch während des Interviews ist der Politiker auf der Straße und protestiert. In einer ruhigeren Ecke erklärt der Aktivist am Telefon, er vermute hinter dem Gesetz die Einflussnahme des Kreml. Für den Oppositionspolitiker gebe es keine andere Erklärung, als eine „Anordnung Russlands“.
Auch Beobachter wie Stephan Malerius von der Konrad-Adenauer-Stiftung vermuten Einmischung von russischer Seite. Gegenüber dem ZDF sagte Malerius, „innenpolitisch gibt es eigentlich keine Erklärung“ für das Gesetz. Der Leiter des Regionalprogramms Politischer Dialog Südkaukasus vermute hinter dem geplanten Gesetz „eine Intervention von außen und zwar von Russland“.
Gesetz in Georigien nach russischem Vorbild?
Das umstrittene Gesetz wurde bereits in zwei Lesungen im georgischen Parlament angenommen. Am Dienstag ist die Verabschiedung des Gesetzes in der finalen dritten Lesung geplant. Bei dem Gesetz geht es um die Kontrolle von angeblicher Einflussnahme aus dem Ausland. So müssten zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Gelder aus dem Ausland erhalten, infolge des Gesetzes diese Finanzquellen offenlegen.
Im Jahr 2012 erließ Russlands Präsident Wladimir Putin ein ähnliches Gesetz. Dem Gesetz zufolge müssen sich sämtliche NGOs, die aus dem Ausland Geld erhalten und in Russland politisch aktiv sind, gesondert registrieren lassen. Zudem gilt für jene NGOs eine strenge Finanzkontrolle. International wurde das Gesetz des Kreml-Chefs scharf kritisiert. In Russland war dieses Gesetz nur der Anfang einer systematischen Beschneidung der Rechte der Zivilgesellschaft. In Georgien fürchten Kritiker der geplanten Reform nun ähnliche Entwicklungen.
Umstrittenes Gesetz in Georgien: „Ein großer Schritt Richtung Russland und weg von Demokratie“
Noch immer protestieren zahlreiche Menschen vor dem georgischen Parlament gegen den Erlass des Gesetzes. Sowohl die Polizei, als auch die Regierung greifen hart durch. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstrierende ein. Der Innenminister Vakhtang Gomelauri drohte bei Blockaden des Parlamentsgebäudes mit bis zu vier Jahren Haft. Die Menschen in Georgien scheint das nicht abzuschrecken.
Dass so viele Menschen in ganz Georgien demonstrieren, sei für das Land „nicht normal“. Die Menschen seien wütend, erklärt Chikovani. Das Gesetz sei „ein großer Schritt in Richtung Russland“, aber auch ein „großer Schritt weg von der Demokratie“. Die Regierung verhalte sich wie ein „russischer Botschafter“ in Georgien, sagt Chikovani.
Oppositionspolitiker kritisiert Regierung und Gewalt: „Alles, was hier passiert, ist von Russland gelenkt“
Der Oppositionspolitiker betont mehrfach im Interview mit merkur.de von IPPEN.MEDIA, dass die „Annäherung an Russland durch das Gesetz“ keinesfalls von der Bevölkerung Georgiens getragen werde. „Die Regierungspartei hat dieses durch und durch russische Gesetz auf den Weg gebracht“, sagt Chikovani. Damit schlage die Regierung „denselben Weg“ wie Russland ein. In Bezug auf die Angriffe auf Aktivisten und das Vorgehen der Regierung sagt er: „Alles, was hier passiert, ist von Russland gelenkt.“ Die Gewalt gegen Aktivisten sehe er als Folge einer „KGB-Guideline“ an, sagt Chikovani.
Der Oppositionspolitiker hofft auf die Unterstützung westlicher Staaten durch Sanktionen gegen das Land. Georgien steht seit Dezember 2023 offiziell auf der Liste der EU-Beitrittskandidaten. Kritiker des Gesetzes fürchten, dass die Regierung damit die Bestrebungen untergraben wird. (pav)
Rubriklistenbild: © IMAGO/Nicholas Muller / SOPA Images
