Richtungsentscheidung

Vor Georgien-Wahl: Zehntausende protestieren gegen Russlands Einfluss und für EU

  • VonKilian Beck
    schließen

Moldaus Präsidentin beklagt nach Wahl Einflussnahme aus Russland. In Georgien wird über eine weitere Annäherung an Putin oder die EU abgestimmt.

Tiflis –  Zehntausende Menschen haben am Sonntag (20. Oktober) in der Schwarzmeer-Republik Georgien knapp eine Woche vor einer richtungsweisenden Parlamentswahl für eine Annäherung an die Europäische Union demonstriert. Unter dem Motto „Georgien wählt die Europäische Union“ versammelten sie sich an verschiedenen Plätzen in der Hauptstadt Tiflis und zogen zu einer Abschlussveranstaltung Freiheitsplatz. Sie schwangen die Fahnen der EU und Georgiens und spielten die Europahymne. Georgien und die Republik Moldau werden im Oktober zum Schauplatz von Richtungswahlen zwischen der Annäherung an den Westen und die EU oder Russland und China. Seit Beginn des Ukraine-Krieges spitzt sich die Lage in beiden Ländern zu.

Am Sonntagabend demonstrierten Zehntausende in der georgischen Hauptstadt Tiflis für einen Pro-EU-Kurs nach der anstehenden Parlamentswahl.

Wegen Ukraine-Krieg: Georgiens Präsidentin Surabischwili kämpft um EU-Beitritt

„Wir wollen in die EU, und unsere aktuelle Regierung hilft dabei nicht“, sagte eine Demonstrantin. Auf Plakaten war zu lesen: „Georgien wählt die Europäische Union“. Hinter der Veranstaltung stehen mehrere Nichtregierungsorganisationen. Auch Fahnen der Opposition waren zahlreich zu sehen. Die proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili war bei der Veranstaltung. Surabischwili versuchte nach Ausbruch des Ukraine-Krieges Georgien auf einem westlichen Kurs in Richtung von Nato- und EU-Beitritt zu halten. Das Land wurde nach seiner Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 mehrfach von Russland angegriffen.

Vor Wahl: Georgiens Regierung verabschiedet Regeln nach Vorbild von Putins „Agentengesetz“

In der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien ist am kommenden Samstag eine Parlamentswahl angesetzt, die viele als historisch bezeichnen. Die seit 2012 regierende Partei „Georgischer Traum“ steht für eine Wiederannäherung an Russland und ist im Westen wegen ihres antieuropäischen Kurses in der Kritik. Zuletzt hatte sie Gesetze verabschiedet, die es ähnlich auch in Russland gibt. Darunter ist eines zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft und zur Beschneidung der Rechte Homosexueller und anderer sexueller Minderheiten. Vorbild war das sogenannte russische „Agentengesetz“ auf dessen Basis Russlands Präsident Wladimir Putin die Opposition mundtot machen ließ. Im Sommer 2024 ließ die Regierung Proteste von der Polizei niederschlagen.

Die Präsidentin von Georgien Salome Surabischwili, ehemalige französische Diplomatin, demonstrierte am Sonntag in Tiflis für einen Pro-EU-Kurses ihres Landes.

Moldau-Wahl: Präsidentin gewinnt ersten Wahlgang – Ausgang von EU-Referendum extrem knapp

Georgien ist das zweite Land, im postsowjetischen Raum, in dem im Oktober richtungsweisende Wahlen anstehen. In der Republik Moldau wurde am Sonntag (20. Oktober) gewählt. Im ersten Wahlgang kam die amtierende, pro-westliche Präsidentin Maia Sandu auf etwa 41 Prozent der Stimmen. Ein Referendum, mit dem Ziel, den EU-Beitrittsprozess in die Verfassung des 2,6-Millionen-Einwohnerlandes zwischen Rumänien und der Ukraine ist nach Auszählung fast aller Stimmen extrem knapp. Am Montagvormittag berichtete die Wahlkommission, dass der Ausgang bei einem Auszählungsstand von 98 Prozent immer noch offen sei.

„Lügen und Propaganda“ – Moldaus Präsidentin beklagt nach Wahl Einflussnahme aus Russland

Das knappe Ergebnis sei das Ergebnis ausländsicher Einflussnahme, behauptete Sandu am Montag. „Kriminelle Gruppen, die mit ausländischen Kräften zusammenarbeiten“ versuchten, „den demokratischen Prozess zu untergraben“. Die Gruppen hätten Moldau mit „Millionen Euro, mit Lügen und Propaganda angegriffen“, um „Unsicherheit und Instabilität“ zu erzeugen, sagte Sandu. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) befürchtete vor der Wahl Einflussnahme aus Russland, das Truppen in Transnistrien, einem abtrünnigen Teil Moldaus stationiert hat. In den 1990er-Jahren erklärten sich auch in Georgien De-facto-Regime in den Grenzregionen Abchasien und Südossetien von Georgien unabhängig, dabei wurden sie von Russland unterstützt,

Maia Sandu, Präsidentin von Moldau, kommt zu einer Pressekonferenz nach Schließung der Wahllokale für die Präsidentschaftswahlen und das Referendum darüber, ob der Weg des Landes in die Europäische Union in der Verfassung verankert werden soll.

Aus Eigennutz: Putins starker Mann in Georgien fürchtet EU-Annäherung nach der Wahl

Der ehemalige Ministerpräsident Bidsina Iwanischwili gilt in Georgiens Regierungspartei als starker Mann hinter den Kulissen, obwohl er offiziell keine politische Rolle mehr spielt. Der 68-jährige Milliardär hatte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, zu der Georgien gehörte, sein Vermögen gemacht. Dem Osteuropa-Experten Stefan Meister, von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zufolge, sei Iwanischwili zwar höchstwahrscheinlich keine direkte Marionette des Kremls. Eher sei er davon getrieben, dass eine EU-Annäherung oder gar ein Beitritt für ihn „Machtverlust“ durch „mehr Rechtsstaat, freie Wahlen und stärkere Kontrollen“ bedeute, wie er dem Portal t-online sagte.

Wahl in Georgien: Gespaltene Pro-EU-Opposition könnte Mehrheit gewinnen

Die prowestliche Opposition hofft auf einen Sieg bei der Wahl, ist aber zerstritten. Erst Ende 2023 ist Georgien EU-Beitrittskandidat geworden. Die EU hat Beitrittsprozess Georgiens wegen des antiwestlichen Kurses der Regierung auf Eis gelegt. Umfragen zufolge könnten die pro-europäischen Kräfte am kommenden Samstag genug Stimmen gewinnen, um eine Koalition zu bilden, die die derzeitige prorussische Regierung ablöst. Hierzu bräuchte es, nach dem Umfragen-Mittelwert des Portals PolitPro, eine Koalition aller Oppositionsparteien. Im Mai unterzeichneten dies die „Georgische Charta“, in der sie sich zur Einsetzung einer technokratischen Übergangsregierung, mit dem Auftrag im Herbst 2025 freie Wahlen zu organisieren, verpflichteten.

Ukraine-Besuche im Krieg – Die Politik zeigt Solidarität

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit den Staats- und Regierungschefs des Europäischen Rates während einer gemeinsamen Pressekonferenz  im März 2022.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (vorne) empfängt im März 2022 hohen Besuch (von links): Jaroslaw Kaczynski (Vize-Ministerpräsident von Polen), Petr Fiala (Ministerpräsident der Tschechischen Republik), Janez Jansa (Verteidigungsminister von Slowenien), Mateusz Morawiecki (Ministerpräsident von Polen) sind zu Gast in Kiew. © imago-images
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besuchte am 08. April ein Massengrab in der Stadt Butscha.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besuchte am 08. April ein Massengrab in der Stadt Butscha. Flankiert wird sie vom slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger (links) und dem Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell (rechts).  © SERGEI SUPINSKY/AFP
Wolodymyr Selenskyj (links) und Karl Nehammer in Kiew am 09. April 2022
Selenskyj traf sich mit dem österreichischen Bundeskanzler Nehammer für bilaterale Gespräche. © imago
Der britische Premierminister Boris Johnson besuchte die Ukraine, um seine Solidarität auszudrücken
Der britische Premierminister Boris Johnson besuchte die Ukraine, um seine Solidarität auszudrücken. © AFP PHOTO / the Ukrainian Presidential Press Service
Der polnische Präsident Andrzej Duda besichtigt mit Militärschutz den ukrainischen Ort Borodjanka.
Der polnische Präsident Andrzej Duda besichtigt mit Militärschutz den ukrainischen Ort Borodjanka. © Jakub Szymczuk/dpa
Die Präsidenten der baltischen Staaten und Polen reisten in die Ukraine, um Selenskyj zu treffen.
Die Präsidenten der baltischen Staaten und Polen reisten in die Ukraine, um Selenskyj (Mitte) zu treffen (von links): Gitanas Nauseda (Litauen), Andrzej Duda (Polen), Egils Levits (Lettland) und Alar Karis (Estland). © Jakub Szymczuk/Kprp/dpa
Der US-Verteidigungsminister und der US-Außenminister trafen sich Ende April mit Selenskyj in Kiew.
Der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (links in der Mitte) und der US-Außenminister Anthony Blinken (rechts daneben) trafen sich Ende April mit Selenskyj in Kiew. © Ukraine President s Office/imago
Während dem Besuch des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres am 28. April 2022 griff Russland Kiew an.
Während des Besuchs des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres am 28. April 2022 griff Russland Kiew an. © AFP PHOTO/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE
Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz traf sich mit Wladimir und Vitali Klitschko in Kiew.
Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz traf sich mit Wladimir und Vitali Klitschko (rechts) in Kiew.  © Efrem Lukatsky/dpa
Auf seinem Weg in die Ukraine besucht Gregor Gysi (Die Linke) in Lemberg eine Suppenküche.
Auf seinem Weg in die Ukraine besucht Gregor Gysi (Die Linke) in Lemberg eine Suppenküche. © Michael Schlick/dpa
Anniken Huitfeldt und Masud Gharahkhani (Norwegen) besuchen eine Kirche in der Region Kiew.
Anniken Huitfeldt und Masud Gharahkhani (Norwegen) besuchen eine Kirche in der Region Kiew. © Pavlo_Bagmut/imago
Selenskyj beobachtet, wie Justin Trudeau (Kanada) einem unbekannten Soldaten die Hand schüttelt
Selenskyj beobachtet, wie Justin Trudeau (Kanada) einem Soldaten die Hand schüttelt. © SERGEI SUPINSKY/AFP
Die Band U2 signiert eine Fahne, als sie die Ukraine am 8. Mai 2022 besucht.
Bono (Mitte) und The Edge (Zweiter von links) von der Band U2 signieren eine Fahne, als sie die Ukraine am 8. Mai 2022 besuchen. © SERGEI CHUZAVKOV/AFP
Annalena Baerbock (Bündnis 90/Grüne) besucht als erstes deutsche Kabinettsmitglied die Ukraine.
Annalena Baerbock (Bündnis 90/Grüne) besucht als erstes deutsche Kabinettsmitglied die Ukraine. © Efrem Lukatsky/dpa
Selenskyj und Minderheitsführer im Senat Mitch McConnell im Gebäude der Präsidialverwaltung in Kiew.
Selenskyj und Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, im Gebäude der Präsidialverwaltung in Kiew. © Ukraine Presidency/imago

„Herzkammer“ der Westausrichtung in Georgien braucht nach Wahl Unterstützung

Unabhängig davon, ob die Opposition die Wahlen gewinnt, wies das Tifliser Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Analyse daraufhin, dass die Unterstützung der liberalen Zivilgesellschaft unerlässlich sei. Diese sei die „Herzkammer der euro-atlantischen Integration Georgiens“, hieß es. Sollte sich der Annäherungskurs an Russland fortsetzen, drohe „ein erheblicher Rückschlag“ für die EU-Nachbarschaftspolitik in der Kaukasus-Region, da dies auch ein Signal im sich aktuell von Russland nach Europa wendenden Nachbarland Armenien sein werde. Für die „europa-enthusiastische Bevölkerung“ Georgiens wäre die Integration in einen autoritären russisch-chinesischen Block „katastrophal“. (kb mit afp und dpa)

Rubriklistenbild: © Katharina Schröder/dpa