US-Wahl

„Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“ nach TV-Duell: Biden hat riskanten Interview-Plan

  • VonJames Warren Davis
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Nach dem hitzigen TV-Duell will sich Biden jetzt einem Interview stellen. Wird dieser Schritt seine Wahlchancen verbessern oder doch verschlechtern?

Kaum jemanden kann die USA, ihre Politik und die kommenden Präsidentschaftswahlen besser analysieren als er: Der amerikanische Politikwissenschaftler James W. Davis. Er ist ausgewiesener Experte für US-Politik und Internationale Beziehungen, lehrt seit Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum. Für IPPEN.MEDIA schreibt er regelmäßig über die Lage der USA und die kommende Präsidentschaftswahl.

Seit dem Debakel des TV-Duells ist der Boden unter Joe Bidens Füßen noch nicht weggebrochen. Der Grund dafür hat nichts mit Bidens stockenden Bemühungen zu tun, neue Kraft und Stärke zu demonstrieren. Umfragen der letzten Woche zeigen, dass über 70 Prozent der Amerikaner ihn immer noch für zu alt halten, um Präsident zu sein. Der einzige Grund, warum Biden weiterhin Unterstützung im Land genießt, ist, dass ein Großteil der Bevölkerung Trump immer noch ablehnt.

US-Wahl: Jeder weiß, dass Trump das TV-Duell nicht gewonnen hat. Biden hat es verloren

Ja, Trump ist schlagbar. Jeder, der die Debatte zur US-Wahl verfolgt hat, weiß, dass er sie nicht gewonnen hat. Biden hat sie schlichtweg verloren. Es bleibt also die Frage, ob die Demokratische Partei in der Lage ist, Bidens Abgang von der Bühne zu inszenieren und einen alternativen Kandidaten oder eine alternative Kandidatin zu nominieren.

Am Tag nach der Debatte habe ich geschrieben, dass die Parteiältesten dabei eine wichtige Rolle spielen werden. Obwohl keiner der Parteiführer inzwischen öffentlich den Rücktritt Joe Bidens gefordert hat, gab es in der vergangenen Woche eine recht verschlungene Choreografie, die darauf schließen lässt, dass sich hinter den Kulissen einiges bewegt. Die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi – die selbst über 80 Jahre alt ist – gab in einem Interview zu, dass es legitim sei, zu fragen, ob Bidens Leistung „eine Episode oder ein Zustand“ sei.

Der Kongressabgeordnete Jim Clyburn – immerhin der einflussreichste afroamerikanische Politiker nach Barak Obama – unterstrich seine Unterstützung für den amtierenden Präsidenten. Doch gleichzeitig ermutigte er seine demokratischen Parteifreunde, Vizepräsidentin Kamala Harris aufzubauen, falls Biden sich entschließen sollte, zurückzutreten. In einem Warnschuss an alle, die auf die Idee kämen, die erste in ein nationales Amt gewählte Frau als Alternative an der Spitze des Stimmzettels zu übergehen, sagte Clyburn deutlich: „Ich werde Miss Harris unterstützen.“ Und obwohl alle derzeitigen demokratischen Gouverneure am Mittwoch an einem Treffen mit dem Präsidenten im Weißen Haus teilnahmen – es waren insgesamt 23 --, traten anschließend nur drei von ihnen vor die versammelten Journalisten, um ihre anhaltende Unterstützung für eine Kandidatur Bidens zu verkünden.

Donald Trumps Skandale, Fehltritte und Eklats in der Übersicht

Donald Trump als Moderator von The Apprentice, einer Reality-TV-Serie in den USA
Seit über 40 Jahren ist Provokation seine Spezialität: Donald Trump erregte die Gemüter, lange bevor er sich entschied, eine politische Karriere anzustreben. Ob als eiskalter Immobilienmakler in seiner Heimatstadt New York City oder wie hier als skrupelloser Chef in seiner eigenen Reality-TV-Serie „The Apprentice“ - Trump sorgte immer für Schlagzeilen. Ein Blick zurück erinnert an die größten Momente, die schließlich im Wahlsieg 2016 und dem Einzug ins Weiße Haus mündeten. © Imago
Donald Trump und Ivana Trump in den späten 1980er Jahren.
Dabei hatte alles so harmonisch begonnen. Donald Trump, reicher Erbe, Liebling der Klatschspalten und ab 1986 auch noch als Retter der New Yorker Eislaufbahn bekannt geworden, heiratete 1977 Ivana Trump. Das ehemalige Model schenkte Donald seine ersten drei Kinder: Donald Jr., Ivanka und Eric. Doch die Ehe sollte das glamouröse Leben der Trumps nicht überstehen und im Jahr 1990 ein Ende in Scheidung finden. © imago stock&people
Donald Trump und Marla Maples bei ihrer Hochzeit im Dezember 1993
Donald Trump ehelichte daraufhin die Frau, mit der er laut der Regenbogenpresse ohnehin schon seit längerem eine Affäre hatte: Marla Maples. Die damals 30 Jahre alte Schauspielerin gab Trump am 20. Dezember 1993 in New York das Ja-Wort. Kurz zuvor war Tiffany Trump, die gemeinsame Tochter der beiden, zur Welt gekommen. Die Ehe hielt respektable sechs Jahre. Marla Maples hätte über diese Zeit gerne ein Buch geschrieben. Das aber verhinderten laut Vanity Fair die Anwälte ihrer Stiefkinder Ivanka Trump und Donald Junior. © imago
Donald Trump und Melania Trump gemeinsam in New York
Es folgte Ehe Nummer Drei für Donald Trump, diesmal mit Melania Knauss. Das Topmodel aus Slowenien wurde als Kampagnengesicht der Zigarettenmarke Camel 1998 in den USA berühmt. Ihren späteren Ehemann lernte Melania im selben Jahr kennen. Im Jahr 2002 heiratete sie den 24 Jahre älteren Donald Trump. 2006 kam der gemeinsame Sohn des Glamour-Paares auf die Welt: Barron Trump. © Imago
Im Jahr 2016 kam Donald Trump wie hier die goldene Rolltreppe seines Hochhauses in New York herab
Im Jahr 2016 kam Donald Trump wie hier die goldene Rolltreppe seines Hochhauses in New York herab und erklärte seine Kandidatur für die US-Wahl 2016. Kaum jemand nahm die politischen Ambitionen des Fernsehstars zu diesem Zeitpunkt ernst. © Andrea Hanks/imago
Donald Trump gegen Parteigrößen wie Jeb Bush
In den Vorwahlen der Republikaner trat Donald Trump gegen Parteigrößen wie Jeb Bush (im Bild) an. Bei den TV-Debatten der Kandidaten machte er erstmals auf sich aufmerksam – indem er die alteingesessenen Politiker derbe attackierte. Trump sicherte sich so die Nominierung der Partei für die US-Wahl 2016. © imago
Donald Trump und Hillary Clinton beim Wahlkampf 2016
Dort traf Donald Trump auf Hillary Clinton. Die Kandidatin der Demokraten galt als Favoritin - vor allem, nachdem ein Tonband aufgetaucht war, in dem Trump damit angab, Frauen ungestraft sexuell belästigen zu können. Doch es geschah, was kaum jemand für möglich hielt: Trump setzte sich durch und wurde zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. © imago
Barack Obama empfängt nach dessen Amtseinführung seinen Nachfolger Donald Trump im Weißen Haus in Washington DC, USA
Barack Obama hatte sich bei der Wahl für Hillary Clinton, seine langjährige Außenministerin, eingesetzt und vor Trump gewarnt. Genutzt hatte es nichts. Wie üblich besuchte Obama zunächst die feierliche Amtseinführung und empfing anschließend seinen Nachfolger im Weißen Haus – eine Ehre, die Trump vier Jahre später Joe Biden verweigern sollte. © imago
Donald Trump und Emmanuel Macron schütteln Hände
Kaum in Amt und Würden, schlidderte Donald Trump von einer Peinlichkeit zum nächsten Affront. Mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron lieferte sich Trump auf Staatsbesuch in Frankreich einen Wettbewerb im Händedrücken, den am Ende Macron gewann. Das zumindest ließen die deutlichen Spuren vermuten, die die Finger des Franzosen auf der Hand des US-Präsidenten hinterlassen hatten. © Peter Dejone/dpa
US-Präsident Donald Trump auf Staatsbesuch in Schanghai, China.
Doch Donald Trump polarisiert nicht nur mit seinen Taten, auch Spekulationen rund um sein Aussehen sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Warum ist seine Haut orange, was schmiert er sich ins Gesicht, kann sich ein Milliardär kein besseres Toupet leisten? Das verweigert nämlich regelmäßig, ordentlich auf dem Kopf liegen zu blieben – wie hier zum Beispiel auf dem Flughafen in Schanghai zu sehen. © Jim Watson/imago
Angela Merkel, Emannuel Macron, Shinzo Abe und Donald Trump auf dem G7-Gipfel in Kanada
Vor allem die Verbündeten brachte Donald Trump mit seinem Wankelmut auf die Palme. Die schwierige Beziehung zwischen den USA unter seiner Regentschaft und dem Rest der westlichen Welt wird durch dieses Foto zusammengefasst, das auf dem G7-Gipfel in Kanada im Jahr 2018 entstand. Angela Merkel, damals noch Bundeskanzlerin, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Japans Premierminister Shinzo Abe reden auf Trump ein. Der sitzt da, mit trotzigem Gesichtsausdruck und verschränkten Armen. Vor allem Merkel ist die Frustration über einen derartigen Verhandlungspartner deutlich anzusehen. © Jesco Denzel/dpa
US-Präsident Donald Trump und Erotikdarstellerin Stormy Daniels
Wer glaubte, dass Donald Trump als Präsident zumindest nur noch politische Skandale produziert, wurde bald eines Besseren belehrt. Erotikdarstellerin Stormy Daniels machte ihre Affäre mit dem US-Präsidenten öffentlich. Beide trafen sich, während Trump schon mit Melania verheiratet war. Pikant: Melania war wohl damals gerade mit dem gemeinsamen Kind schwanger. Trump befahl seinem damaligen Anwalt Michael Cohen, Stormy Daniels Schweigegeld zu zahlen, damit alles geheim bleibe. Doch weil das Geld angeblich nie bei ihr ankam, schrieb Daniels ein Buch. Nun wissen wir alle, ob wir wollen oder nicht, wie Trumps Penis aussieht. © Mandel Ngan/afp
Donald Trumps legendärer Tweet mit Covfefe in einer Kunstausstellung in New York
Doch weder mit Bettgeschichten noch mit politischen Skandalen erzeugte Donald Trump derart viel Aufmerksamkeit wie mit seinem Twitter-Kanal. Als @realdonaldtrump twitterte Donald, bis sich die Balken bogen: mitten in der Nacht, voll Rechtschreibfehler und am liebsten in Großbuchstaben. Legendär ist sein „Covfefe“-Tweet vom 31. Mai 2017 (im Bild). Zeitweise folgten ihm fast 89 Millionen Accounts. Doch im Januar 2021 war auf einmal Schluss. Im Zuge der Attacke auf das Kapitol sperrte Twitter den Account des damals noch amtierenden US-Präsidenten. Grund: Er habe den Mob zur Gewalt ermutigt. © Christina Horsten/dpa
Neonazis marschieren durch Charlottesville (USA)
In welche Richtung Donald Trump innenpolitisch steuerte, wurde spätestens 2017 klar. Eine Horde Neonazis marschierte damals mit Fackeln durch die Stadt Charlottesville. Uniformierte Männer brüllten im Chor: „Juden werden uns nicht ersetzen.“ Ein Mann raste mit seinem Auto in eine Gruppe Gegendemonstranten, eine 30 Jahre alte Frau starb infolgedessen. Die ganzen USA waren schockiert. Doch das Staatsoberhaupt weigerte sich, den Neonazi-Aufmarsch zu verurteilen. Stattdessen sprach Donald Trump von „sehr guten Leuten auf beiden Seiten“. © Zach D Roberts/imago
Donald Trump besucht Puerto Rico
Als der Hurrikan „Florence“ im September 2018 die Insel Puerto Rico verwüstete, interessierte das Donald Trump zunächst wenig. Nach politischem Druck schickte er jedoch Hilfe und reiste sogar selbst auf die Insel, die zu den USA gehört, aber kein offizieller Bundesstaat ist. Dort angekommen bewarf Trump die Menschen mit Klopapierrollen. Die Tragweite der Katastrophe schien ihm zu keinem Zeitpunkt bewusst. Star-Koch José Andrés, selbst aus Puerto Rico und bei besagter Situation anwesend, sagte einige Zeit später zur Washington Post: „Es war ein Beweis für seine Unfähigkeit zur Empathie.“ © Evan Vucci/dpa
Donald Trump und das Sharpie Gate
Was nicht passt, wird manipuliert. Kein Moment charakterisiert dieses Credo von Donald Trump so eindrücklich wie das „Sharpie-Gate“. Als der Hurrikan Dorian die USA bedrohte, twitterte Trump, man müsse sich in den Bundesstaaten Florida, Georgia und Alabama in Acht nehmen. Das Problem: laut der offiziellen Karte des nationalen Wetterdienstes war Alabama nicht betroffen. Statt zuzugeben, dass er sich geirrt hatte, schmierte Trump mit einem Sharpie-Filzstift (das amerikanische Pendant zum Edding) einfach auf der Karte rum, erweiterte so das Gefahrengebiet und schwupps: schon war auch Alabama betroffen - zumindest in der Welt von Donald Trump, in der Fakten beliebig austauschbar sind. © JIM WATSON/afp
Trump-Anhänger stürmern das Kapitol in Washington DC
Wie sie begann, so endete Donald Trumps Zeit als Präsident: mit einem Skandal. Wochenlang schürte Trump mit seinen Behauptungen vom Wahlbetrug („The Big Lie“) die Aggressionen seiner Anhänger. Am 6. Januar 2021, der Tag, an dem Joe Biden offiziell zum Präsidenten ernannt werden sollte, entlud sich die Wut. Nachdem Trump seine Anhänger aufforderte, zum Kapitol zu marschieren, eskaliert dort die Situation. Der Mob überwindet die Absperrungen der völlig überforderten und unterbesetzten Polizei und dringt in das Parlamentsgebäude ein. Fünf Menschen sterben infolge des Aufruhrs. Für Donald Trump ändert das kaum etwas. Bis heute hat er seine Niederlage öffentlich nicht eingestanden. © Lev Radin/imago
2024, als die Kolumnistin und Autorin E. Jean Carroll (Mitte) ein Prozess gegen den Ex-Präsidenten wegen sexuellem Missbrauch und Verleumdung gewann.
Bis heute hat Donald Trump seine Niederlage bei der US-Wahl nicht 2020 eingestanden. Skandale produzierte er aber auch nach seiner Amtszeit weiter. So im Jahr 2024, als die Kolumnistin und Autorin E. Jean Carroll (Mitte) einen Prozess gegen den Ex-Präsidenten wegen sexuellem Missbrauch und Verleumdung gewann. Ein New Yorker Gericht sprach Caroll Schadensersatz in Höhe von 84 Millionen Dollar zu.  © IMAGO/Mary Crane
Donald Trump, hier mit seiner Anwältin Alina Habba
Noch heftiger fiel das Urteil in einem anderen Prozess gegen Donald Trump, hier mit seiner Anwältin Alina Habba aus. Ebenfalls in New York wurde der Ex-Präsident wegen Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an die Erotikdarstellerin Stormy Daniels schuldig gesprochen - in insgesamt 34 Fällen.  © imago
Bis heute hat Donald Trump seine Niederlage bei der US-Wahl 2020 nicht eingestanden.
Trotz aller Skandale tritt Donald Trump auch 2024 erneut zur US-Wahl an. Seine Kandidatur verkündete er in seinem neuen Wohnsitz, dem Luxus-Ressort Mar-a-Lago. © IMAGO/C-Span
Donald Trump und Kamala Harris
Nach dem Rückzug der Kandidatur Joe Bidens hatte Donald Trump im Wahlkampf für die US-Wahl 2024 eine neue Gegnerin: Vizepräsidentin Kamala Harris. Im ersten und einzigen TV-Duell produzierte Trump dann auch den nächsten Eklat. „Sie essen Katzen und Hunde“, sagte der Kandidat der Republikaner über Einwanderer aus Haiti, die sich im Bundesstaat Ohio angeblich über Haustiere der US-Bürgerinnen und Bürger hermachen würden. © SAUL LOEB/AFP
Donald Trump gewann die US-Wahl 2024
Donald Trump gewann die US-Wahl 2024 und zog mit seinem neuen Vizepräsident JD Vance ins Weiße Haus ein. Am Tag der Amtseinführung unterzeichnete Trump in der Mehrzweckhalle Capital One Arena in Washington DC unter dem Applaus seiner Anhängerschaft dutzende präsidentielle Dekrete. © JIM WATSON/AFP
Per Dekret benannte der neue US-Präsident den Golf von Mexiko in Golf von Amerika um
Kaum angekommen im Oval Office sorgte Donald Trump für den nächsten Eklat. Per Dekret benannte der neue US-Präsident den Golf von Mexiko in Golf von Amerika um. Weil die Nachrichtenagentur AP diese Umbenennung nicht mitmachen wollte, verbannte die Trump-Administration ihre Vertreterinnen und Vertreter von den Pressekonferenzen des Weißen Hauses. © imago
Donald Trump beim Interview im Oval Office
Ebenfalls im Oval Office kam es zu einem weiteren Eklat, an dem Donald Trump maßgeblich beteiligt war. Während eines Fernsehinterviews behauptete der US-Präsident, man habe die Tättowierung „MS13“ auf den Knöcheln eines abgeschobenen Südamerikaners gefunden, was wiederum dessen Mitgliedschaft in der gleichnamigen Kriminellen-Gang beweisen würde. Mehrfach wies der Reporter Trump daraufhin, dass es sich bei seinem angeblichen Beweisfoto um eine mit Photoshop bearbeitete Aufnahme handle. Trump wiederum ließ sich davon aber nicht stören. © IMAGO/White House
Trump auf der Beerdigung des Papstes in Rom
Doch nicht nur in Washington DC sorgte Donald Trump nach Amtsübernahme für Eklats und Kopfschütteln. Das gelang dem neuen Präsidenten auch in Rom. Bei der Beerdigung von Papst Franziskus im Vatikan brach Trump mit seiner Anzugfarbe das Protokoll. Statt in Schwarz erschien der US-Präsident in Begleitung von First Lady Melania Trump in blauem Anzug. © ISABELLA BONOTTO/AFP

Alternative für Biden oder Trump bei US-Wahl? „Vizepräsidentin Harris ist weit besser als ihr Ruf“

Letzte Woche habe ich auch argumentiert, dass Vizepräsidentin Harris weit besser ist als ihr Ruf. Jedoch hatte ich die Befürchtung, dass eine Hinwendung zu Harris als Präsidentschaftskandidatin als Zeichen einer Illoyalität gegenüber Biden gewertet werden könnte. Ironischerweise war es gerade Harris‘ robuste Verteidigung ihres Chefs in den ersten 24 Stunden nach der Debatte, die sowohl ihre Loyalität als auch ihre Eignung als Alternative für das Präsidentenamt bewies. Mit Clyburn an der Spitze hat sich in der Partei die Idee einer Kandidatur von Harris innerhalb der letzten Tagen spürbar verfestigt.

Als zweite Hälfte der Biden-Harris-Kampagne geniesst Harris einen landesweiten Bekanntheitsgrad. Genauso wichtig, sie würde im Falle einer Biden Rücktritt auch eine etablierte Organisation und eine beträchtliche finanzielle Kriegskasse erben. Jeder andere Kandidat müsste zunächst eine nationale Wahlkampforganisation aufbauen und um Wahlkampfspenden werben. Mit Harris würden die Demokraten keine Zeit verlieren. Der Angriff auf Trump—der durch Diskussionen über Bidens Zustand in den Hintergrund gedrängt wurde--könnte somit sofort fortgesetzt werden.

Nach TV-Duell-Debakel: So will Biden seinen Patzer gegen Trump wiedergutmachen

Es sieht also immer mehr so aus, als könnte Harris die Spitze des Tickets erben. Dafür muss aber Biden aufhören. Wird er? Um die Amerikaner – und vielleicht sogar sich selbst – davon zu überzeugen, dass sein Auftritt bei der Debatte tatsächlich eine Episode und nicht nur ein Zustand war, hat sich Biden bereit erklärt, am Freitagabend ein schnell arrangiertes Interview mit dem erfahrenen Talkmaster George Stephanopoulos zu geben. Doch kurz nachdem wir erfahren haben, dass der Präsident seine Mitarbeiter gebeten hat, keine Termine nach 20 Uhr anzusetzen, damit er genug Schlaf bekommt, gibt es Berichte, dass das „verlängerte“ Interview, das ein Comeback einleiten soll, nur 15 Minuten dauern wird!

Nach seinem verpatzten TV-Duell will sich Joe Biden im US-Wahlkampf einem Interview stellen. (Archivfoto)

Sollte es so sein, werden die Befürchtungen verstärkt, dass der Präsident den Ernst seiner Lage immer nicht versteht. Um auf dem Wahlzettel zu bleiben, muss der Präsident die weit verbreitete Meinung widerlegen, dass er der Aufgabe, Donald Trump zu besiegen, nicht mehr gewachsen ist. Es scheint unwahrscheinlich, dass er dies in einem Interview von weniger als einer Stunde tun könnte.

► James W. Davis, US-Amerikaner, ist einer der renommiertesten Experten für US-Politik und internationale Beziehungen.

► Er studierte Internationale Beziehungen an der Michigan State University, promovierte 1995 in Politikwissenschaft an der Columbia University und habilitierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er bis 2005 lehrte.

► Seit 2005 ist er Professor für Internationale Beziehungen und Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen.

►Davis ist Autor mehrerer Bücher und hat zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen erhalten, darunter Gastprofessuren und Fellowships an renommierten Institutionen.

Angesichts der Tatsache, dass die Wähler durchweg ihre Bereitschaft signalisiert haben, die Politik und andere Kandidaten der Demokraten zu unterstützen, könnte ein schwacher oder weniger überzeugender Auftritt Bidens am Freitagabend der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Also…auch wenn sie loyal ist, vermute ich, dass die Vizepräsidentin bereits an einer Liste von Personen arbeitet, die ihre Position auf dem Wahlzettel einnehmen könnten. Denn wenn sie für das Amt des Präsidenten kandidiert, braucht sie einen loyalen Partner an ihrer Seite.

Rubriklistenbild: © IMAGO/VTV24