Diplomatie
China will mit arabischen Staaten im Krieg in Israel vermitteln: „Feuerpause und ein Ende des Krieges“
VonChristiane Kühlschließen
China hat nach der Terrorattacke der Hamas das angegriffene Israel mit relativierenden Aussagen verärgert. Nun will Peking gemeinsam mit Ägypten vermitteln. Die Aussichten sind ungewiss.
Peking/München – China will zusammen mit arabischen Staaten im Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas vermitteln. Die Volksrepublik sei bereit, mit Ägypten und anderen arabischen Ländern eine gemeinsame, gerechte und langanhaltende Lösung für die „Palästina-Frage“ zu koordinieren, sagte Staats- und Parteichef Xi Jinping dem ägyptischen Ministerpräsidenten Mustafa Madbuli bei einem Treffen am Donnerstag in Peking. Eine „Feuerpause und ein Ende des Krieges“ haben oberste Priorität, sagte Xi. China begrüße Ägyptens Bemühungen, einen humanitären Korridor zur Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu öffnen, sagte Xi. Dieser Tage soll zudem Chinas Nahost-Sondergesandter Zhai Jun in der Region eintreffen.
Enttäuscht zeigte sich die chinesische Regierung zugleich über das Scheitern einer Resolution im UN-Sicherheitsrat, die eine „humanitäre Feuerpause“ in dem Konflikt fordern sollte. Die USA hatten die Resolution am Mittwoch mit ihrem Veto verhindert, weil darin das Recht Israels auf Selbstverteidigung nicht erwähnt wurde.
Bei der Sitzung des Sicherheitsrates am Mittwoch (Ortszeit) betonte Chinas UN-Botschafter Zhang Jun vor allem die katastrophale Lage im Gazastreifen. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, um die Zivilbevölkerung zu schützen“, sagte er und forderte Israel auf, die Bombardierung einzustellen. „Ohne einen Waffenstillstand wäre jede humanitäre Hilfe ein Tropfen auf den heißen Stein“ und würde möglicherweise eine Katastrophe auslösen, die die gesamte Region erfassen würde, sagte Zhang in seiner Rede.
China mit “pro-palästinesischer Neutralität“?
Traditionell sehen sich viele Länder des Globalen Südens einschließlich China eher an der Seite der Palästinenser. Dieses Gefühl ist vor allem unter Arabern stark ausgeprägt, auch wenn etwa Ägypten und Jordanien inzwischen Frieden mit Israel geschlossen haben. China fordert für Israel und Palästina langem eine Zweistaatenlösung. Daher ist unklar, wie China gemeinsam mit der arabischen Welt auf der israelischen Seite Gehör finden kann.
Zumal China sich bisher nicht besonders diplomatisch verhalten hatte. Peking erboste Israel direkt nach der Terrorattacke mit Plattitüden. Seit dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober verurteilten Offizielle bisher lediglich in allgemeiner Form die Gewalt gegen Zivilisten. Statt einer Verurteilung des Hamas-Terrors kamen aus Peking Aufrufe an beide Seiten, die Gewalt zu beenden. Chinas Staatsmedien geben zudem flächendeckend den USA die Schuld an der Eskalation.
Druck auf China gestiegen
Trotzdem hatte in den vergangenen Tagen der Druck auf Peking zugenommen, sich konstruktiv im Nahost-Konflikt einzubringen. „Wir würden China gerne mit allen anderen Akteuren an Bord haben“, sagte Fariz Mehdawi, Botschafter Palästinas in Peking, am Montag in einem Interview mit Bloomberg TV. US-Außenminister Antony Blinken forderte seinen Amtskollegen Wang Yi in einem Gespräch auf, seinen Einfluss auf andere Akteure wie Iran zu nutzen, damit diese sich nicht in den Konflikt einmischen. Auch Israels Botschafter in China hat Peking aufgerufen, die engen Beziehungen zu Iran zu nutzen. Denn Teheran unterstützt die anti-israelische Hisbollah-Miliz im Südlibanon, die seit Tagen mit Angriffen auf Nordisrael droht. Xi sagte nun, der Konflikt dürfe sich nicht weiter ausdehnen. Ob dies ein verklausuliertes Signal an Teheran war, sich zurückzuhalten, ist unklar.
Die derzeitige Eskalation der Lage sei ein „echter Test und Realitätscheck für die neue Rolle Pekings in der Region“, meint Moritz Rudolf vom Paul Tsai China Center der US-Universität Yale. Wenn die Situation weiter eskalieren sollte, seien laut Rudolf Chinas geopolitische Ziele – etwa im Rahmen des Infrastrukturprogramms Neue Seidenstraße – in Gefahr.
Peking ist unerfahren im Umgang mit komplexen Konflikten wie diesem. Traditionell spielt China keine große sicherheitspolitische Rolle in der Region, pflegt aber gute Beziehungen zu praktisch allen Staaten, auch wenn sie miteinander verfeindet sind. Daher gelang es Peking im April, die Annäherung der verfeindeten Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran zu vermitteln. Beflügelt von diesem Coup, bot noch im selben Monat der damalige Außenminister Qin Gang Israel und den Palästinensern chinesische Vermittlung in ihrem jahrzehntelangen Konflikt an. Doch damit hat sich China offensichtlich verhoben, wie die bislang schwache Reaktion auf die aktuelle Krise zeigt. An dem jahrzehntelangen Konflikt haben sich Generationen Verhandler aus dem Westen und anderen Ländern die Zähne ausgebissen. Wenn jetzt ausgerechnet China in dieser extrem schwierigen Lage ein Durchbruch gelingen würde, wäre das eine Sensation. Sehr wahrscheinlich ist das nicht.
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