Krieg in Israel

Expertin hält Kriegsziele Israels für „zu ambitioniert“ und warnt vor „noch grausameren Konflikt“

  • VonKilian Beck
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Nahost-Expertin Lidia Averbukh sieht „keine Anhaltspunkte“ für Entschärfung des Nahostkonflikts. Israels Kriegsziele in Gaza seien zu hochgesteckt.

Tel Aviv/Gütersloh – Allmählich setze sich in Israel die Erkenntnis durch, dass die von der Regierung ausgegebenen Kriegsziele „zu ambitioniert“ seien, meint die Nahost-Expertin der Bertelsmann-Stiftung, Lidia Averbukh. „Israel hat zwei definierte Ziele: die Hamas zu zerstören und die Geiseln zu befreien“, sagte die Politikwissenschaftlerin der Nachrichtenagentur AFP. „Wenn das die Bedingungen für ein Ende des Krieges sein sollten, dann könnte dieser Krieg noch eine ganze Weile dauern“, so die Fachfrau zum Krieg in Israel.

„Die Hamas zu zerstören und angesichts der komplizierten Kämpfe auch die Geiseln zu befreien, ist sehr schwierig“, sagte die Politikwissenschaftlerin, die an der Bundeswehruniversität in München mit einer Arbeit zur Herausbildung des israelischen Rechtssystems promovierte.

Israel kann Hamas „nicht ohne Weiteres zerstören“

Der inzwischen fast drei Monate andauernde, verlustreiche Krieg habe gezeigt, „dass es nicht ohne Weiteres geht, die Hamas zu zerstören“. Zudem habe die ultrarechte israelische Regierungskoalition unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dieses Ziel auch unklar definiert. „Selbst wenn es darum geht, die wichtigsten Köpfe der Hamas auszuschalten, könnte auch dieses Vorhaben noch mehrere Monate dauern“, sagte Averbukh.

Palästinenser suchen nach einer israelischen Attacke im Gazastreifen nach ihren Habseligkeiten.

Israel versucht diese Ziele aktuell mit einer massiven Militäroffensive im Gaza-Streifen zu erreichen – eine Reaktion auf die Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober. Ende November wurde diese von einer einwöchigen Feuerpause unterbrochen. Israel und die Hamas einigten sich – vermittelt durch das Golfemirat Katar – auf die Freilassungen von Dutzenden Geiseln. Doch mehr als hundert israelische Geiseln sind noch in der Hand der Terroristen, einige starben in Gefangenschaft.

Mehrheit der Israelis hält Netanjahu für „ungeeignet“

Die Terroristen massakrierten Zivilistinnen und Zivilisten auf einem Festival und in Dörfern im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen. Berichte über brutale Gruppenvergewaltigungen zeigen immer mehr erschreckende Details des Tages, der in Israel als „schwarzer Schabbat“ bezeichnet wird.

Benjamin Netanjahu wird von Teilen der israelischen Gesellschaft mitverantwortlich gemacht, da seine Regierung, insbesondere sein rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, Militäreinheiten zur Durchsetzung der großteils völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik im Westjordanland verlegte. Bereits Anfang Dezember hielt eine große Mehrheit der Israelis Netanjahu für „ungeeignet“ sein Amt auszuüben.

Expertin: Nahostkonflikt könnte „noch grausamer werden“

Für ein Umdenken im festgefahrenen Nahostkonflikt sieht Averbukh derzeit trotzdem „keine Anhaltspunkte“ – weder bei Israelis noch bei Palästinensern. Derzeit spreche eher vieles dafür, dass der Konflikt sich „verstetigt und vielleicht noch grausamer werden könnte“. Das zeigten aktuelle Umfragen in Israel und den Palästinensergebieten: „Aus beiden geht hervor, dass eher das verstärkt wird, was vor dem Hamas-Überfall an Ressentiments und Einstellungen bestand“, sagte die Politikwissenschaftlerin.

Mehrheit der Palästinenser sieht Lösung im „gewaltsamen Widerstand“

Nicht nur würden 38,5 Prozent Israelis laut einer Umfrage des Forschungszentrums Israel Democracy Institute die gleichen Parteien wählen. Auch 43 Prozent der Palästinenser sprechen sich laut einer Erhebung des palästinensischen Umfrageinstituts PSR für die Hamas als politische Partei aus und damit laut Averbukh „21 Prozent mehr als vor dem Hamas-Überfall“. 63 Prozent der Palästinenser sehen demnach im „gewaltsamen Widerstand“ die Lösung, um das Ende der Besatzung sowie die Errichtung eines unabhängigen Palästinenserstaates herbeizuführen.

Bilder zeigen, wie der Krieg in Israel das Land verändert

Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Am 7. Oktober 2023 feuern militante Palästinenser aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel ab. Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas, die von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, hatte den Beginn einer „Militäroperation“ gegen Israel verkündet. © Hatem Moussa/ dpa
Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen ist Rauch aus einem Wohnhaus zu sehen.  © Ilia Yefimovich/ dpa
Israelischer Soldat mit Hund im Israel Krieg
Ein israelischer Soldat geht mit seinem Hund zwischen Autos in Deckung.  © Ohad Zwigenberg/ dpa
Israelische Polizisten evakuieren Frau und Kind im Israel Krieg
Israelische Polizisten evakuieren eine Frau und ein Kind von einem Ort, der von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete getroffen wurde. © Tsafrir Abayov/ dpa
Militante Palästinenser fahren im Israel Krieg mit einem Pickup, auf dem womöglich eine entführte deutsch-israelische Frau zu sehen ist.
Militante Palästinenser fahren mit einem Pickup, auf dem möglicherweise eine deutsch-israelische Frau zu sehen ist, in den Gazastreifen zurück. Die islamistische Hamas hatte mitgeteilt, ihre Mitglieder hätten einige Israelis in den Gazastreifen entführt. © Ali Mahmud/ dpa
Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Angehörige der Feuerwehr versuchen, nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen das Feuer auf Autos zu löschen. © Ilia Yefimovich/ dpa
Menschen suchen in Trümmern nach Überlebenden nach massive Raketenangriffen aus Gazastreifen auf Israel.
Menschen suchen zwischen den Trümmern eines bei einem israelischen Luftangriff zerstörten Hauses nach Überlebenden.  © Omar Ashtawy/ dpa
Verlassene Stätte des Festivals Supernova nach dem Angriff der Hamas
Bei dem Rave-Musikfestivals Supernova im israelischen Kibbuz Re’im sterben rund 270 Besucher:innen. So sieht die verlassene Stätte nach dem Angriff aus.  © JACK GUEZ / AFP
Feiernde Palästinenser nach Angriff der Hamas auf Israel
Palästinenserinnen und Palästinenser feiern in Nablus nach der großen Militäroperation, die die Al-Qassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, gegen Israel gestartet haben.  © Ayman Nobani/ dpa
Hamas-Großangriff auf Israel - Gaza-Stadt
Das israelische Militär entgegnete mit dem Beschuss von Zielen der Hamas im Gazastreifen. Nach einem Angriff steigen bei einem Hochhaus in Gaza Rauch und Flammen auf. © Bashar Taleb/ dpa
Mann weint in Gaza bei Israel Krieg
Ein Mann umarmt einen Familienangehörigen im palästinensischen Gebiet und weint.  © Saher Alghorra/ dpa
Israelischer Soldat im Israel Krieg steht neben Frau
Am 8. Oktober beziehen israelische Soldaten Stellung in der Nähe einer Polizeistation, die am Tag zuvor von Hamas-Kämpfern überrannt wurde. Israelische Einsatzkräfte haben dort nach einem Medienbericht bei Gefechten in der an den Gazastreifen grenzenden Stadt Sderot mehrere mutmaßliche Hamas-Angehörige getötet. © Ilan Assayag/ dpa
Nach Hamas Großangriff - Sa'ad
Israelische Streitkräfte patrouillieren in Gebieten entlang der Grenze zwischen Israel und Gaza, während die Kämpfe zwischen israelischen Truppen und islamistischen Hamas-Kämpfern weitergehen. © Ilia Yefimovich/ dpa
Palästinensisches Kind in einer Schule, die im Israel Krieg als Schutz dient
Ein palästinensisches Kind steht auf dem Balkon einer Schule, die von den Vereinten Nationen betrieben wird und während des Konfliktes als Schutzort dient.  © Mohammed Talatene/ dpa

Befeuert wird dies sicherlich auch von der hohen Zahl der Opfer im dicht besiedelten Gaza-Streifen: Mehr als 21.000 Menschen sollen bisher nach Angaben der Terrororganisation Hamas getötet worden sein. Die Zahl lässt sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. Israels Militär schätzte vor Weihnachten, dass etwa 7.000 Hamas-Terroristen darunter seien. Auch diese Zahl lässt sich nicht überprüfen. (afp/kb)

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