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40 Geiseln im Gazastreifen spurlos verschwunden: Selbst Hamas kann sie nicht finden
VonRobert Wagner
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Nils Thomas Hinsberger
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Die Terrormiliz Hamas verschleppte beim Überfall auf Israel 240 Geiseln in den Gazastreifen. Doch 40 von ihnen sind verschwunden. Wie kann das sein?
Update vom 1. Dezember, 19.44 Uhr: Drei weitere Zivilisten sind nach ihrer Entführung aus Israel gestorben. Die Leiche des 27-jährigen Ofir Tzarfati wurde nach Angaben der israelischen Armee im Gazastreifen gefunden und nach Israel zurückgebracht. Das berichtet die Times of Israel. Am späten Donnerstagabend informierte die Armee seine Angehörigen über dessen Tod. Er galt seit seinem Verschwinden auf dem Supernova-Musikfestival, das die Hamas am 7. Oktober angegriffen hatte, als Geisel der Terrorgruppe. Es ist unklar, ob er bereits damals getötet und seine Leiche nach Gaza verschleppt wurde oder ob er in der Gefangenschaft der Hamas starb.
Der 54-jährige Ronen Engel lebte im Kibbuz Nir Oz, der wie viele andere Ortschaften am 7. Oktober von der Hamas heimgesucht wurde. Er wurde ebenfalls unter den Geiseln vermutet. Sein Kibbuz vermeldete seinen Tod, gab aber nicht bekannt, wann Engel starb. Wie Tzarfati könnte er also bereits am Tag des Terrorangriffs ermordet worden sein. Seine Leiche soll sich in der Hand der Hamas befinden. Seine Frau und seine beiden Töchter wurden von der Hamas als Geisel genommen und am Montag (27. November) freigelassen.
40 israelische Geiseln sind laut dem Premierminister von Qatar, Mohammed bin Abdulrahman al-Thani, im Gazastreifen verschwunden. Sie könnten in der Gewalt anderer islamistischer Gruppen sein.
Ebenfalls aus dem Kibbuz Nir Oz stammt die 56-jährige Maya Goren. Auch sie galt bislang als Geisel der Hamas. Ihr Kibbuz vermeldete ihren Tod, ohne anzugeben, wann genau sie starb. Sie war mit ihrer Arbeit in einer Kindertagesstätte beschäftigt, als die Terroristen der Hamas ihren Ort überfielen.
Israel-News: Kibbuz vermeldet den Tod von 85-jähriger Geisel in Hamas-Gefangenschaft
Update vom 1. Dezember, 15.58 Uhr: Der israelische Kibbuz Nir Oz vermeldete heute laut der Times of Israel den Tod einer der Geiseln, die sich noch immer in der Hand der Hamas befinden. Der Kibbutz-Bewohner Aryeh Zalmanovich sei demnach in der Gefangenschaft der Hamas gestorben. Der 85-Jährige, einer der Gründer dieses Kibbuz, wurde am 7. Oktober als Geisel genommen.
„Als Vater von zwei Kindern und Großvater von fünf Kindern war Aryeh sein ganzes Leben lang ein bodenständiger Mann, der in der Landwirtschaft und im Feldbau arbeitete; ein Mann des Lesens mit umfassenden Kenntnissen der Geschichte und des Landes. Möge sein Andenken ein Segen sein“, so die Leitung seines Kibbuz. Die Terrororganisation Hamas hatte Mitte November ein Video veröffentlicht, auf dem Zalmanovich offenbar krank zu sehen war. Die Hamas hatte behauptet, er sei später gestorben, jedoch konnte diese Behauptung bisher nicht bestätigt werden.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Hamas beschuldigt Israel, „alle Angebote“ für weitere Geiselfreilassungen abgelehnt zu haben
Update vom 1. Dezember, 11.57 Uhr: Die Hamas wirft Israel heute vor, „alle Angebote“ für weitere Geiselfreilassungen abgelehnt zu haben, wie Sky News berichtet. Israel trage damit die Verantwortung für die „Wiederaufnahme von Krieg und Aggression“, so die Hamas. Diese Behauptung steht im Widerspruch zu einer früheren Aussage von Benjamin Netanjahu, wonach es die Hamas war, die einer Freilassung weiterer Geiseln nicht zustimmte. Auch der Iran macht Israel, die USA und „einige Regierungen, die dieses Apartheidsregime unterstützen“, für eine gescheiterte Verlängerung der Waffenruhe verantwortlich, wie die Times of Israel berichtet.
Erstmeldung: Gaza – Die Situation der aus Israel in den Gazastreifen verschleppten Geiseln ist wohl noch unübersichtlicher als bisher gedacht. Nachdem man sich im Krieg in Israel mit der Hamas auf eine Feuerpause und den Tausch von Geiseln gegen in Israel inhaftierte Palästinenser geeinigt hatte, überbringt das Vermittler-Land Katar die nächste schlechte Nachricht: 40 der israelischen Geiseln sollen im Gazastreifen spurlos verschwunden sein.
Israel-News: Verschwundene Geiseln von weiteren Gruppen gefangen?
Wo die verschwundenen Geiseln sind, könne nicht mal die Hamas selbst sagen, berichtete Katars Premierminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani im Interview mit der Financial Times. Damit seien etwa 40 Frauen und Kinder nicht ausfindig zu machen. Grund dafür könnte die Involvierung weiterer radikal-islamischer Gruppen sein.
Die Hamas habe vermutlich keinen Überblick über Geiseln, „die von der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigade, dem PIJ [Palästinensischer Islamischer Dschihad] und anderen kleineren Gruppen festgehalten werden“, sagte der leitende Analyst des Salafi-Jihadi-Teams des AEI-Projekts für kritische Bedrohungen gegenüber Business Insider. Der Islamische Dschihad in Palästina habe angegeben, 30 der entführten Geiseln in seiner Gewalt zu haben.
Hamas agierte beim Angriff auf Israel wohl nicht alleine
Am Überfall auf Israel am 7. Oktober waren nicht nur Kämpfer der Hamas beteiligt. Der Angriff, bei dem etwa 1200 israelische Soldaten und Zivilisten ermordet wurden, soll auch unter Beteiligung des Islamischen Dschihad durchgeführt und koordiniert worden sein. Die Hamas habe Katar mitgeteilt, dass ihre Kämpfer keine Zivilisten gefangen genommen hätten und schiebe die Schuld auf andere militante Gruppen, so Katars Premierminister Mohammad. Die Informationen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Verteilung der Geiseln hat demnach Auswirkungen auf die Freilassung der Verschleppten. Da Israel lediglich mit der Hamas in Verhandlungen steht, könne es schwierig sein, alle Geiseln ausfindig zu machen. Auch, weil andere terroristische Gruppen in den Gefangenen einen höheren Wert sehen könnten als die Hamas.
Hamas muss mit palästinensischen Gruppen um Geiseln verhandeln
„Die Hamas kann nicht einfach die Übergabe der Geiseln anordnen, zumal alle anderen wissen, dass die Geiseln auch für sie von Wert sind“, sagte Hans Jacob Schindler, Mitarbeiter des Counter-Extremist-Projekts, dem Business Insider. Die Hamas führe demnach nicht nur Verhandlungen mit Israel, sondern auch mit den verschiedenen radikal-palästinensischen Gruppen.
Die Geiselsituation sei für ihn eine der kompliziertesten seiner Karriere. „Nicht nur wegen der Zahl an Geiseln, sondern wegen der Zahl an Gruppierungen, die Geiseln genommen haben.“ Diese Gruppen würden außerdem auf die Verhandlungen der Hamas nicht eingehen.
Bislang hat die Terrororganisation Hamas 69 der verschleppten Geiseln an Israel übergeben. Im Gegenzug hat Israel 150 inhaftierte Palästinenser und Palästinenserinnen nach Gaza entlassen. Die Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas beinhalteten auch Lieferungen von Hilfsgütern in den Gazastreifen. Die Suche nach weiteren Geiseln könne nun ein Anlass sein, die bereits verlängerte Feuerpause auszuweiten.
Geiseln könnten auch geflohen oder getötet worden sein
Zwei weitere Möglichkeiten bestehen für die verschwundenen Geiseln. Die optimistische sei, dass manchen Geiseln auch die Flucht von ihren Entführern gelungen sein könnte, sagt Schindler im Interview. „Es ist immer möglich, dass Geiseln von dort entkommen, wo sie festgehalten werden.“ Die zweite, wenn auch unwahrscheinliche Möglichkeit, wäre der Tod mancher Geiseln. Unwahrscheinlich sei die Vorstellung laut Schindler deshalb, da die Hamas versuchen würde, israelische Angriffe auf den Gazastreifen für die Todesfälle verantwortlich zu machen.
Die Hamas könne mit der Aussage, die Geiseln nicht zu finden, auch Zeit im Krieg gegen Israel schinden, so Rachel Briggs, CEO des Thinktanks „The Clarity Factory“ gegenüber Business Insider. Die Art, wie die Geiseln von der Hamas Stück für Stück freigelassen wurden, sei ein Zeichen dafür, „dass auf Zeit spielen definitiv etwas ist, was die Hamas versucht“. (nhi)