„Toxisches Gemisch“

Ausschreitungen in Großbritannien: „Jederzeit“ auch in Deutschland möglich

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
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Bei den Krawallen in Großbritannien wurden mehr als 400 Menschen festgenommen. Rechtsextremismus-Experten sehen „massives Mobilisierungspotential“ bei uns.

In Großbritannien bereitet sich die Polizei auf massive rechtsextreme Krawalle in 30 verschiedenen Städten vor. Bereits 400 Randalierer wurden in den vergangenen Tagen bei den „Enough is Enough“-Protesten festgenommen. Der neue Premierminister Keir Starmer beruft regelmäßig einen nationalen Krisenstab ein, um über die Lage zu beraten. 

Wie groß ist die Gefahr, dass es auch in Deutschland zu einer ähnlichen Situation kommt? Zwei Rechtsextremismus-Experten geben BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA eine Einschätzung.

Ausschreitungen in Großbritannien: „Massives Mobilisierungspotential“ auch in Deutschland

Ultranationalisten hatten eine Messerattacke auf einen Taylor-Swift-Tanzkurs in Southport, bei der drei Mädchen starben, vergangenen Montag zum Anlass für die Ausschreitungen genommen. Sie verbreiteten Falschnachrichten über die Nationalität des mutmaßlichen Straftäters: Er habe einen muslimischen Namen, schrieben sie. Dabei stammt der Tatverdächtige aus einer christlichen Familie, hat zwar Eltern aus Ruanda, ist aber in Großbritannien geboren. Das Motiv für die Tat ist weiterhin unklar.

„Leider muss man sich auch in Deutschland bei ähnlichen Vorfällen auf so etwas einstellen. Die rechtsextremistische Szene wird das Handlungsmodell von Großbritannien übernehmen wollen“, sagt der Extremismusforscher und Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber BuzzFeed News Deutschland.

Auch Lorenz Blumenthaler von der Amadeu-Antonio-Stiftung sieht in Deutschland ein „massives Mobilisierungspotential“, das sich schon während der Corona-Pandemie zeigte. „Als in Mannheim der Polizist erstochen wurde, hat die extreme Rechte in Deutschland sicher auf ähnliche Mobilisierungseffekte wie in Großbritannien gehofft. Ich habe diese Bilder schon vor meinem inneren Auge gesehen“, sagt er. Nur die „besonnene“ Mannheimer Zivilgesellschaft habe „Schlimmeres verhindert“.

Polizisten stehen vor Randalierern bei gewalttätigen Auseinandersetzungen auf einer Anti-Einwanderungsdemonstration in Großbritannien.

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.

Was in Deutschland im Vergleich zu Großbritannien „unsere einzige Hoffnung“ ist

In Großbritannien haben nun verschiedene Faktoren zur Eskalation beigetragen: Auch durch den Brexit habe es eine „massive rassistische Mobilisierung und Abschottung“ gegeben. Hinzukomme die gestiegene soziale Ungleichheit durch Inflation, gezielte Desinformationskampagnen auf Social Media und der Regierungswechsel von konservativ hin zur Labour-Partei, die einen neuen Migrationskurs fahren wollen. „Ein toxisches Gemisch, das in den rassistischen Pogromen herausbricht“, sagt Blumenthaler.

„Die demokratische Zivilgesellschaft in Deutschland ist unsere einzige Hoffnung, dass es hier nicht zu solchen Ausschreitungen kommt“, sagt Blumenthaler. Zum Beispiel die Proteste gegen Rechtsextremismus im Februar oder Menschen, die sich schützend vor Unterkünfte von Geflüchteten stellen. Erst wenn diese „menschlichen Schutzschilde“ wegbrechen, wenn sich die sogenannten „Normalbürger“ von der Hetze mobilisieren ließen, werde es „bedenklich“, ergänzt Pfahl-Traughber.
 
Wenn das passiere, könne Protest „schnell in Gewalt umschlagen und eskalieren“ und dies könne „jederzeit ebenfalls in Deutschland geschehen“, warnt Pfahl-Traughber und Blumenthaler ergänzt: „Darauf sollten wir uns als Bürger, als Demokraten, gerade jetzt vor den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg besinnen.“

Rubriklistenbild: © Danny Lawson/dpa

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