Einkommen

Ab diesem Gehalt gilt man in Deutschland als „reich“

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
    schließen

Viele haben eine falsche Vorstellung davon, wie wohlhabend sie im Vergleich mit anderen sind. Ein Experte erklärt, woher diese „Tendenz zur Mitte“ kommt.

Kennen Sie das? Sie regen sich darüber auf, dass Sie als Teil der Mittelschicht immer leer ausgehen. Zum Beispiel, wenn es um Förderungen oder Steuervergünstigungen geht. Sie beklagen vielleicht, dass Sie sich in Zeiten von Inflation und stark umkämpftem Wohnungsmarkt nichts mehr leisten können.

Oder, dass sie am Ende des Monats kaum Geld übrig haben. Und das, obwohl sie doch ganz klar durchschnittlich wohlhabend sind. Doch was ist, wenn Sie mit ihrem Einkommen gar nicht zur Mittelschicht gehören?

Mit welchem Gehalt gehört man eigentlich zu dieser ominösen Mittelschicht?

Wie viel Menschen in der Mittelschicht tatsächlich verdienen

Viele Menschen glauben, erst ab etwa 9000 Euro netto im Monat von Einkommensreichtum sprechen zu können. Das zeigen Daten des Armuts- und Reichtumsbericht und des Ungleichheitsbarometers, das deutsche Erwachsene in regelmäßigen Abständen befragt, wie sie sich selbst auf einer zehnstufigen Einkommens- oder Vermögensleiter einschätzen.

Tatsächlich als reich gilt jedoch schon, wer pro Monat etwa 3900 Euro netto verdient, das doppelte des deutschen Medianeinkommens von 1947 Euro netto. Laut Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ein Single in der Mittelschicht ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1500 und 3900 Euro. Wer also mehr als 6200 Euro brutto in Steuerklasse 1 oder 5600 in Steuerklasse 3 verdient, gehört also schon nicht mehr zur Mittelschicht, zählt sich aber trotzdem dazu. Warum?

„Die ausgeprägte Tendenz zur Mitte hat wahrscheinlich damit zu tun, dass sich die Befragten vor allen Dingen mit ihren eigenen sozialen Netzwerken vergleichen. Das führt dazu, dass Arme ihre relative Armut unterschätzen und Reiche ihren relativen Reichtum“, sagt Marius Busemeyer BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Er ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt vergleichende politische Ökonomie an der Universität Konstanz und wirkt beim Ungleichheitsbarometer mit.

Ungleichheitswahrnehmungen: „Reichtum ist politisch stärker umkämpft“

Auch regionale Ungleichheiten oder Wirtschaftsstrukturen haben einen Einfluss auf die Ungleichheitswahrnehmungen, sagt Busemeyer. Spannend ist: Während viele Menschen sich bei der Einkommensreichtumsschwelle um fast die Hälfte verschätzen, ordnen sie die Armutsgrenze sehr viel besser ein. Im Armuts- und Reichtumsbericht schätzen alle Bevölkerungsgruppen hinweg Armut bei einem Nettogehalt von um die 1000 Euro. Das entspricht auch fast der tatsächlichen Armutsgrenze.

„Die Armutsschwelle wird akkurater eingeschätzt als die Reichtumsschwelle, das deckt sich auch mit unseren Befunden“, sagt Busemeyer BuzzFeed News Deutschland. Warum? „Ich würde das so erklären, dass Menschen in Bezug auf Armut eher auf eigenen Erfahrungswerten aufbauen können, vielleicht durch eigene relative Armut in verschiedenen Lebensphasen oder Bekannte im weiteren Netzwerk“, sagt der politische Ökonom. Außerdem sei der „Begriff Reichtum schwerer zu greifen, weil er auch politisch stärker umkämpft ist“. Etwa dann, wenn es um Vermögenssteuern geht, gegen die sich „Reiche“ immer wieder wehren.

Rubriklistenbild: © YAY Images/IMAGO

Mehr zum Thema