Ukraine-Krieg

Putins unendliche Reserve – Wie lange reicht das Geld trotz Sanktionen?

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Aktuellen Zahlen nach scheint Russlands Wirtschaft widerstandsfähiger zu sein als gedacht. Allerdings geht dem Land das Geld aus. Ein Experte zieht den Vergleich zur Sowjetunion.

Moskau – Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs versucht die EU, Russland mittels Sanktionen zu schwächen. Erst kürzlich stellte Russland aktuelle Wirtschaftsdaten vor, die zeigen sollten, wie widerstandsfähig das Land trotz aller Sanktionen ist. Auf der anderen Seite aber musste Kreml-Chef Wladimir Putin bereits eine eiserne Reserve anzapfen, um die Wirtschaft in Schwung zu halten. Ein russischer Ökonom verriet nun, was passieren muss, damit Russland tatsächlich das Geld ausgeht.

Wachstum trotz Sanktionen – wie lange hält Wladimir Putin durch?

Die Zahlen liegen auf dem Tisch: Im Jahr 2023 soll die russische Wirtschaft um 3,6 Prozent gewachsen sein. Entsprechende Daten hatte das russische Statistikamt im Februar geliefert. Wie immer sind aus Russland stammende Zahlen mit Vorsicht zu genießen, und wie immer war die Meinung von Ökonomen geteilt. Einige der Experten gingen von Fälschung aus, andere gaben an, keine Hinweise auf Manipulation gefunden zu haben.

Wladimir Putin auf einer Presskonferenz. Aktuellen Zahlen nach scheint Russlands Wirtschaft widerstandsfähiger zu sein als gedacht. Allerdings geht dem Land das Geld aus.

Allerdings gibt auch der russische Wohlstandsfonds einen Hinweis darauf, welche Wirkung die westlichen Sanktionen bereits auf die Wirtschaft des Landes hatten. Zwischen Februar 2022 und Jahresbeginn 2024 schrumpften die leicht liquidierbaren Mittel des Fonds von 100,4 Milliarden US-Dollar auf etwa 56 Milliarden US-Dollar. Laut Oleg Vyugin, russischer Ökonom und ehemaliger Vizepräsident der Zentralbank, war nie wirklich klar, wofür der Wohlstandsfonds konkret gedacht war. Im Interview mit der Welt erklärte er, dass es sich um eine „eiserne Reserve“ für alle Fälle gehandelt habe. „Dass man dieses Geld nun fürs Budget hernahm, heizte die Nachfrage und die Löhne an und stützte die Wirtschaft“.

Wohlstandsfonds geht zur Neige – „in Wirklichkeit reicht es immer“

Ökonomen gehen derzeit davon aus, dass die Mittel im Wohlstandsfonds nurmehr für weniger als zwei Jahre reichen werden. Außerdem hatten westliche Länder 300 Milliarden US-Dollar an russischen Reserven eingefroren. „Die Sanktionen gegen Moskau und die hohen Militärausgaben Russlands schwächen Wladimir Putins finanziellen Muskel“, schrieb die Nachrichtenagentur Reuters dazu. Im laufenden Jahr rechnet das russische Finanzministerium mit 1,3 Billionen Rubel an Ausgaben für Budget-Defizite plus 900 Milliarden Rubel für Unternehmens- und Investment-Projekte.

Trotzdem glaubt Vyugin nicht daran, dass Russland allzu schnell das Geld ausgeht. „Für einige Jahre reicht das Geld leicht“, erklärte der Ökonom. „Und in Wirklichkeit reicht es immer.“ Es gebe viele Wege, um an mehr Geld zu kommen, zum Beispiel eine Steuererhöhung. Damit die Wirtschaft wirklich eingeht, müssten die Rüstungsausgaben von sechs Prozent auf 20 Prozent steigen, so wie es damals in der Sowjetunion der Fall war.

Russland findet neue Wege, Sanktionen zu umgehen – doch die sind teuer

Auf der anderen Seite aber äußerte der Ökonom Misstrauen gegenüber von Russland veröffentlichten Zahlen, zum Beispiel hinsichtlich der Inflation. Offiziell beträgt die Inflation etwa 7,5 Prozent, Vyugin sagte dazu: „Die wahre Inflation sieht man unter anderem etwa an den Kommunalabgaben, die in manchen Regionen um 40 Prozent stiegen.“ Der ehemalige Zentralbank-Chef gab an, dass die westlichen Sanktionen durchaus ihren Tribut fordern. Sie seien zwar umgehbar, aber diese „immer neuen“ Wege, die Russland finden muss, um den Sanktionen zu entgehen, kosten das Land immer mehr Geld.

„Ich denke, es werden neue Wege gefunden. Sie werden halt immer teurer“, sagte Vyugin dazu. Er gab weiterhin Einblicke darüber, wie schwer es Russland fällt, die westlichen Exportsanktionen zu umgehen. Die Importsubstitution in Bereichen wie Elektronik oder der Chipfertigung zum Beispiel sei Russland kaum gelungen. „Das wäre aber die Basis der Wirtschaft, um konkurrenzfähig zu sein.“ Russland könnte das zwar erreichen, brauche aber viel Zeit dafür. In der Zwischenzeit gehen reihenweise russische Unternehmen bankrott.

Westen reagiert auf russische Wirtschaftstricks

Aktuell überlegen westliche Entscheider, welche Sanktionen Russland weiterhin schaden könnten. Unter anderem ist von einer Sanktionierung von Drittländern die Rede – Länder wie Indien und China haben Russland bislang als Mittelsmänner gedient, um weiter Handel mit dem Westen zu treiben. Außerdem verlangt die Ukraine immer wieder die Konfiszierung der russischen Milliarden. Ökonomen sehen bereits eine „Frühstufe“ des wirtschaftlichen Verfalls in Russland.

Russland dagegen ist stets auf der Suche nach neuen Wegen, um die Sanktionen auszuhebeln. Eine neue Bahnstrecke soll Russland leichteren Zugang zu Indiens Handelszentrum Mumbai und zu iranischen Häfen geben.

Rubriklistenbild: © IMAGO / Xinhua