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Millionen Witwen- und Witwer-Renten werden nicht ganz ausgezahlt: „Blindflug“ bei neuem Renten-Plan
VonMoritz Maier
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Ein Großteil der Hinterbliebenenrente wird nicht voll ausgezahlt. Gerade Frauen droht oft die Altersarmut. Die Linke spricht von einer „Politik im Blindflug“.
Berlin – Ein Großteil der Hinterbliebenenrenten wird in Deutschland nicht vollständig ausgezahlt. 2022 bekamen von knapp 5,8 Millionen Witwenrentnerinnen und Witwenrentnern 86,9 Prozent die ihr zugerechneten Hinterbliebenenrenten ihrer verstorbenen Partner nicht vollständig aufs Konto. Das zeigen frisch veröffentlichte Zahlen der Bundesregierung, die IPPEN.MEDIA exklusiv vorliegen. Voran ging eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag. Durchaus brisant dabei: Die Bundesregierung will arbeitende Witwen und Witwer entlasten – weiß aber offenbar gar nicht, wie viele es gibt.
Vielen Rentnern in Deutschland wird ein Teil der Rente nicht ausgezahlt
Im Vergleich zu 2018 (82,7 Prozent) stieg damit der Anteil der Menschen, die wegen der sogenannten Einkommensanrechnung nicht den vollen Rentenbetrag ausbezahlt bekommen. Pro Witwe oder Witwer machte das im vergangenen Jahr durchschnittlich 204 Euro im Monat aus. Das geht aus Statistiken der Deutschen Rentenversicherung hervor, auf die sich die Bundesregierung bezieht.
Verglichen mit dem Jahr 2018 stieg nicht nur der Anteil der Menschen, die keine volle Rente ausbezahlt bekommen, sondern auch die Höhe des Abzugs: Damals waren es noch durchschnittlich 172 Euro/Monat. Im Juli 2023 lag der durchschnittliche gesamte Zahlbetrag aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei 1270 Euro pro Monat. Besonders Frauen sind in Deutschland von Altersarmut betroffen.
Renten-Meilensteine in Deutschland in Bildern – von Bismarck über Riester bis Müntefering
Grund für die Abzüge bei der Rente ist die Einkommensanrechnung. Wer neben der Hinterbliebenenrente ein zusätzliches Einkommen hat und einen Freibetrag überschreitet, bekommt weniger Witwen- oder Witwerrente. Die Bundesregierung will in ihrer Wachstumsinitiative künftig einen Sockelbeitrag für Erwerbseinkommen einführen: 545 Euro pro Monat sollen von den Abzügen bei den Renten unberührt bleiben. Arbeitet also etwa eine Witwe auf Minijob-Basis, soll ihr von der Hinterbliebenenrente nichts abgezogen werden.
Renten-Plan der Ampel: Witwen und Witwer mit niedrigem Einkommen entlasten
Matthias W. Birkwald, Renten- und Alterspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, steht den Ampel-Plänen positiv gegenüber: „Ich begrüße es, dass die Witwen und Witwer zukünftig mehr von ihrem Hinzuverdienst behalten werden dürfen“, sagt Birkwald gegenüber IPPEN.MEDIA zu den Plänen. „Gerade diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen wird das enorm entlasten. Nur schlägt die Bundesregierung wieder einmal Maßnahmen vor, bei denen sie eigentlich die rechnerische Grundlage gar nicht benennen kann“, kritisiert der linke Rentenexperte.
Matthias W. Birkwald ist Renten- und Alterspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag. Was Teile der Wachstumsinitiative der Ampelkoalition angeht, nennt Birkwald sie „Politik im Blindflug“.
Birkwald bezieht sich damit auf die Antwort der Bundesregierung auf seine Frage, welche Art von Einkommen die Menschen, deren Hinterbliebenenrente teilweise nicht ausgezahlt wird, überhaupt haben. Die parlamentarische Staatssekretärin im Arbeits- und Sozialministerium, Kerstin Griese (SPD), antwortete für die Bundesregierung: „Eine Differenzierung nach Fällen mit Erwerbseinkommen ist nicht exakt möglich. In der Mehrheit der Fälle wird eine eigene Rente als anrechenbares Einkommen bezogen. Waisenrenten unterliegen keiner Einkommensanrechnung, für sie können keine Aussagen zum Einkommen getroffen werden.“
Witwen-Rente im Fokus: Unwissenheit bei der Bundesregierung?
Dass die Bundesregierung nicht sagen kann, wie viele Witwer und Witwen mit Minijobs es überhaupt gibt, hält Birkwald für kein gutes Zeichen: „Mit der Wachstumsinitiative soll die Anrechnung aus Erwerbseinkommen bei den Witwenrenten reformiert werden, aber wie viel Erwerbseinkommen dort überhaupt anrechnet wird, das weiß die Ampel gar nicht. Das bedeutet auch, dass SPD, Grüne und FDP die finanziellen Auswirkungen weder für die Witwen und Witwer, noch für die Rentenversicherung benennen können. Ihre Politik im Blindflug ist eine schlechte Politik.“
Die finanziellen Auswirkungen nicht ausgezahlter Rentenbeiträge dagegen kann die Bundesregierung genau nennen. Auch die hat die Linke erfragt. Während 2018 noch rund 5 Milliarden Euro nicht ausgezahlt wurden, waren es 2023 fast 6,5 Milliarden. Der Großteil davon aber, weil die Rentnerinnen und Rentner starben.