Altersarmut droht

Höhere Rente in Berlin als Bayern: Das sind die größten Unterschiede in Deutschland

  • Moritz Maier
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Millionen von Menschen bekommen weniger als 1250 Euro Rente. Die Unterschiede zwischen den Regionen in Deutschland sind groß.

Berlin – Fast ein Fünftel aller Rentnerinnen und Rentner in Deutschland ist armutsgefährdet. Das zeigen vor Kurzem veröffentlichte Zahlen der Rentenversicherung. Oftmals bekommen Menschen nur eine geringe gesetzliche Rente, die sie ohne weitere Einkommensquellen in die Armutsgefährdung bringt. Der genaue Blick auf die Daten zeigt aber auch: Die Rentenhöhe variiert stark zwischen den Bundesländern. Vorsicht bei der Interpretation ist aber geboten.

Niedrige Rente: Millionen von Rentnerinnen und Rentner sind armutsgefährdet

Aktuelle Zahlen der Rentenversicherung, die die Bundesregierung nach einer kleinen Anfrage der Linken im Bundestag veröffentlichte, zeigen unter anderem, wie wenig Geld Rentnerinnen und Rentner in Deutschland zur Verfügung haben: Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen mussten zum Stichtag 31. Dezember demnach fast 350.000 von knapp 1,3 Millionen Rentnerinnen und Rentnern mit mindestens 40 Versicherungsjahren mit weniger als 1250 Euro pro Monat – der Armutsgrenze – auskommen. Das entspricht 27,6 Prozent.

Ähnlich hohe Werte gibt es auch in Hessen. Mit 27,8 Prozent sind es dort 136.000 Menschen, die nach über 40 Versicherungsjahren mit weniger als 1250 Euro der gesetzlichen Rente auskommen müssen. In Bayern ist die Lage noch angespannter. Dort liegt mit über 32 Prozent beinahe ein Drittel der Menschen nach 40 Versicherungsjahren unter der Marke von 1250 Euro. Damit liegt Bayern im negativen Sinne vor Berlin (30,4 Prozent). In Brandenburg etwa ist der Anteil mit 37,7 Prozent nochmal deutlich höher.

Gesetzliche Rente: Berlin vor Bayern

Aufschlussreich ist auch der Blick auf den durchschnittlichen Gesamtrentenzahlbetrag (Gesamt-RZB), also die Rente, die den Menschen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf das Konto überwiesen wird. Laut Deutscher Rentenversicherung lag der Bundesdurchschnitt zum 1. Juli 2023 bei 1270 Euro. Unter den insgesamt mehr als 15 Millionen Einzelrentnerinnen und Einzelrentnern liegt die durchschnittliche Rente auf dem Konto bei Männern bei 1373 Euro, bei Frauen dagegen nur bei 954 Euro pro Monat. Bei Mehrfachrentnerinnen und -rentnern liegt der Betrag höher, dazu zählt etwa die Hinterbliebenenrente.

Auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. In NRW erhalten die insgesamt etwa 4 Millionen Rentnerinnen und Rentner durchschnittlich einen Gesamt-RZB von 1240 Euro pro Monat. Hessen liegt mit 1231 Euro leicht darunter. In Bayern bekommen die knapp 2,9 Millionen Rentnerinnen und Rentner im Mittel 1208 Euro aufs Konto.

Renten-Meilensteine in Deutschland in Bildern – von Bismarck über Riester bis Müntefering

Otto von Bismarck brachte im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag.
Der Name Bismarck hallt bis heute nach. Auch weil Otto von Bismarck im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag brachte. Die Geburtsstunde der Rente in Deutschland. © Photo 12/www.imago-images.de
Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880.
Altersrente gab es damals aber erst ab dem vollendeten 70. Lebensjahr – die Lebenserwartung betrug damals nicht mal 50 Jahre. Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880. © imago stock&people/Imagebroker
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen.
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen. Rentenversichert waren zunächst Arbeiter und „kleine Angestellte“ mit Einkommen bis 2.000 Mark. Die Beiträge zahlten Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen. © IMAGO/GRANGER Historical Picture Archive
Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt.
Größere Reformen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts. Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt. Sie konnten schon ab 65 Jahren in Rente gehen – anders als Arbeiter. © imago stock&people/Arkivi
Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die deutschen Rentenversicherungsanstalten Überschüsse, die sie etwa in Wohnungsbau steckten. Entlassungswellen und Hinterbliebenenrenten änderten das schnell. Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich. © imageBROKER/GTW
Frauen im Ghetto Warschau bei erzwungener Näharbeit
Im NS-Regime werden Jüdinnen und Juden und andere verfolgte Gruppen aus der Rentenversicherung ausgeschlossen. Millionen von Zwangsarbeitern - im Foto: Frauen 1941 im Ghetto Dambrowa Gornicza bei erzwungener Näharbeit – bleiben ohne Rentenansprüche. Überschüsse der Kassen flossen in Kriegsanleihen. © Imago/Reinhard Schultz
Bundeskanzler Konrad Adenauer (r) gibt in Bonn seine Stimme für die Bundestagswahl 1957 ab
„Keine Experimente“ lautete Konrad Adenauers Slogan zur Bundestagswahl 1957. Bei der Rente wagte er aber eine Reform. Bis dato waren die Renten enorm gering, 50 DM war der Mindestsatz, der Durchschnitt nur unwesentlich höher. Nun änderte sich die Berechnung, Arbeiterrenten stiegen um etwa 60 Prozent. © DB/picture alliance/dpa
Willy Brandt im Jahr 1972.
Die nächste große Neuerung gab es unter Willy Brandt. Seit (dem Wahljahr) 1972 können auch Nicht-Pflichtversicherte in die Rentenversicherung einzahlen – etwa Selbstständige und Hausfrauen. Letzteres war ein Schritt zur Unabhängigkeit von den Ehemännern. Ab 1977 gab es dann auch einen „Versorgungsausgleich“ bei Scheidung. © Imago/Sven Simon
Norbert Blüm klebt Rentenplakat
„Die Rente ist sicher“: Auch mit diesem Satz blieb der mittlerweile verstorbene Arbeitsminister Norbert Blüm in Erinnerung. Auch Blüm kümmerte sich aber um die Lage der Rentnerinnen – er führte 1986 die „Mütterrente“ ein. Seither zählen Kindererziehungszeiten für die Rentenhöhe. © Peter Popp/picture-alliance/dpa
13 09 1985 Berlin Deutsche Demokratische Republik DDR Alte Frauen unterhalten sich
Die nächste große Herausforderung ist die Eingliederung der Bürger der ehemaligen DDR (hier ein Foto aus Ostberlin 1985) in die bundesdeutsche Rentenkasse. Die Deutsche Rentenversicherung preist rückblickend die Stärke des umlagefinanzierten Systems: „Die Rentenversicherung zahlte von einem Tag auf den anderen fast vier Millionen zusätzlicher Renten. Das wäre in einem kapitalgedeckten Rentensystem nicht vorstellbar gewesen.“ © imago stock&people/Franksorge
Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel
Die nächste Reform folgt dennoch – Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel (li.) müssen sparen, auch angesichts der alternden Bevölkerung. Ab 1992 steigen Altersgrenzen. Frauen und Arbeitslose (bislang bis 62 Jahren) und langjährige Versicherte (bis 63) müssen nun bis 65 arbeiten. Nur noch ein Jahr Kindererziehungszeit ist anrechenbar. © Michael Jung/dpa/picture-alliance
Koalitionsverhandlungen Riester Schröder
Auch Gerhard Schröders Rot-Grün hat ebenfalls Rentenpläne im Gepäck. Arbeitsminister Walter Riester leiht der „Riester-Rente“ seinen Namen – der Staat fördert auf ihrem Wege private Altersvorsorge. Das Modell gilt mittlerweile aber als Flop. Riester arbeitete später auch für Carsten Maschmeyers Finanzdienstleister AWD, dem die Reform gelegen gekommen sein dürfte. © picture-alliance / dpa | Hermann_J._Knippertz
Franz Münterfering und Angela Merkel 2007 im Bundestag.
Heikle Operation: SPD-Vizekanzler Franz Müntefering brachte 2007 die „Rente mit 67“ auf den Weg. Angela Merkels GroKo plante allerdings lange Übergangsfristen, noch bis 2031 dauert die Anhebung des Eintrittsalters an. Für Menschen, die 45 Jahre einzahlten, gab es eine Sonderregel. © Imago/Metodi Popow
Angela Merkel und Andrea Nahles 2017 bei einer Kabinettssitzung.
Müntefering war nicht mehr dabei als Merkels zweite GroKo 2017 das nächste „Rentenpaket“ schnürte. Arbeitsministerin war nun Andrea Nahles. Diesmal ging es um Erleichterungen. Langjährig Versicherte konnten nun ab 63 in Rente, die Mütterrente wurde ausgeweitet. 2018 kamen im „Rentenpakt“ (ohne drittes e) „Haltelinien“ für Beiträge und Rentenniveau hinzu. © Michael Kappeler/dpa/picture alliance
19 02 2017 Angleichung der Rente Rente Ostrente Westrente Ost West Altersruhegeld Angleichu
Fast 35 Jahre wird es gedauert haben – aber ab 2025 werden für die Rente in Ost- und Westdeutschland die gleichen Berechnungsgrößen gelten. Ein durchaus historischer Schritt. Beschlossen wurde er schon 2017. © imago stock&people/Steinach
Arbeitsminister Hubertus Heil – zuständig auch für die Rente – im Bundestag.
Die Evolution der Rente geht weiter: Seit 2021 gibt es die Grundrente als Zuschlag für Menschen, die unterdurchschnittlich verdient haben. Es wird nicht der Schlusspunkt sein: Angedacht – aber umstritten – ist die Aktienrente. Zugleich altert die deutsche Bevölkerung weiter, das Umlagesystem ist unter Druck. Ist die Rente sicher, auch über die Amtszeit von Hubertus Heil hinaus? Die Zukunft wird es zeigen. © Hannes P. Albert/dpa/picture-alliance

Deutlich höher gibt die Deutsche Rentenversicherung den Gesamtrentenzahlbetrag für die neueren Bundesländer an. In Brandenburg etwa werden durchschnittlich 1445 Euro überwiesen. In Sachsen-Anhalt sind es 1439 Euro, in Thüringen 1431 Euro und Sachsen sogar 1457 Euro. Auch Berlin liegt mit 1297 Euro vor Ländern wie Bayern und Hessen.

Alterseinkommen setzt sich gerade im Westen oft aus mehreren Einkommensquellen zusammen

Das liegt unter anderem an höheren Rentenansprüchen von Frauen und Mehrfachrentnerinnen und -rentner in den neueren Bundesländern. Sie ziehen den Durchschnitt nach oben. Bekommen Menschen aus Mittel- und Ostdeutschland also unterm Strich die höchste Rente? Nein.

Denn der Gesamt-RZB deckt nur die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) ab. Besonders im Westen der Republik bekommen Menschen noch aus anderen Quellen als der GRV Geld. Dazu zählt die betriebliche Altersvorsorge ebenso wie Beamtenpensionen und private Vorsorgemodelle. Gemessen an der daraus resultierenden Gesamtrente sind die neueren Bundesländer weiterhin die Schlusslichter. Seit Jahren sind politische Akteure bestrebt, die Gesamtbruttorenten zwischen West und Ost anzugleichen.

Rubriklistenbild: © IMAGO

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