Volker Wissings Engagement beim Nischen-Kraftstoff

Minister wegen grünem Diesel in Bedrängnis – Wie die FDP ein Nischenprodukt durchgedrückt hat

  • Lars-Eric Nievelstein
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Der Verkehrsminister hatte eine Kampagne für HVO100 unterstützt. Sein Ministerium hatten dagegen geraten. Er habe sich zu einseitig ausgedrückt.

Berlin – Seit einigen Wochen können deutsche Autofahrer HVO100 tanken. Der „nachhaltige Diesel“ soll gegenüber fossilem Kraftstoff für einen um bis zu 90 Prozent verringerten CO₂-Ausstoß sorgen. Eine Lobby-Kampagne, betrieben von Industrie-Vertretern und unterstützt vom Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte dabei für Aufmerksamkeit gesorgt – unter anderem, weil Wissing gegen den Rat seines Ministeriums gehandelt hatte.

Lobby-Kampagne um HVO100 – Volker Wissing mitten drin

Verkehrsminister Wissing gerät jetzt unter anderem wegen Verbindungen zum Münchner Verein „Mobil in Deutschland“ ins Visier einer Recherche. Auslöser dafür war eine im Oktober 2023 gestartete Kampagne namens „HVO100 goes Germany“, in deren Zuge das ZDF Lobbyismus-Vorwürfe, die teils ins Fahrwasser des Korruptionsverdachts gerieten, erhoben hatte. Der Verein hatte Oliver Luksic (FDP), den Parlamentarischen Staatssekretär im Verkehrsministerium, als Schirmherren für die Aktion gewonnen – trotz Warnungen aus dem Verkehrsministerium.

Volker Wissing (FDP), Bundesminister fuer Verkehr und Digitales, aufgenommen zu Beginn einer Kabinettssitzung (Symbolfoto). Der Verkehrsminister hatte eine Kampagne für HVO100 unterstützt. Sein Ministerium hatten dagegen geraten. Jetzt kamen Korruptions-Vorwürfe auf.

Unter anderem sollen Luksic und Wissing bei Terminen des Vereins aufgetreten sein, Werbemaßnahmen für HVO100 unterstützt und sich mit Geldgebern der Kampagne getroffen haben. „Ich [bin] Ihnen auch wirklich sehr dankbar, dass Sie da hartnäckig dabei sind, und jetzt brauchen wir einen Markthochlauf solcher Kraftstoffe. (...) Und ich zähle auf Sie, dass Sie weiterhin so ehrgeizig und ambitioniert bleiben“, hatte Wissing bei einem Event von Mobil in Deutschland im März gesagt.

Dabei hatte sich sein Ministerium vorher zumindest gegen Teile dieses Engagements ausgesprochen.

Widersprüche aus dem Ministerium wegen HVO100 – Verkehrsminister setzt sich durch

Vor allem die Übernahme der Schirmherrschaft hatte im Verkehrsministerium für internen Zwiespalt gesorgt. Dem ZDF liegen hierzu nach eigenen Angaben interne Dokumente vor, die belegen sollen, dass sich das Fachreferat G 26 und die Kommunikationsabteilung L22 gegen die Übernahme der Schirmherrschaft ausgesprochen hatten. G 26 habe damit argumentiert, dass es sich um einen Nischenkraftstoff handele, „der kurz- und mittelfristig an Tankstellen kaum verfügbar sein wird“. Damit würde das Referat direkt vorigen Aussagen Wissings, der gesagt hatte, HVO100 sei „in industriellem Maßstab“ verfügbar und könne einen spürbaren Beitrag zum klimaneutralen Verkehrssektor leisten, widersprechen.

Eine „großangelegte Kampagne könnte als zu einseitig empfunden werden“, soll das Referat außerdem gewarnt haben. Die Kommunikationsabteilung hatte ähnliche Sorgen geäußert: Die Kampagne habe einen „sehr werbenden Charakter“. Beide Abteilungen stießen auf taube Ohren – Wissing habe die Schirmherrschaft für Luksic persönlich abgezeichnet. In der Ministervorlage hieß es dazu: „Eine Nichtübernahme der Schirmherrschaft könnte auch als Distanzierung von dem Thema gewertet werden, was ebenfalls problematisch wäre“. Die FDP-Fraktion habe dem BMUV die HVO100-Einführung quasi „abgerungen“.

Am 4. Dezember 2023 hatte Luksics Büro die Übernahme der Schirmherrschaft bestätigt. Mittlerweile ruht die Schirmherrschaft – bis alle Vorwürfe „vollständig“ aufgeklärt sind. Im Zuge der Lobby-Kampagne waren auch Fragen über einige geplante Angebote des Vereins aufgekommen, die mögliche Treffen mit Wissing und Luksic beinhalteten – gegen hohe Geldsummen.

Nachhaltige Diesel-Alternative – warum ist HVO100 teurer?

HVO100 (von Hydrotreated Vegetable Oil, also mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle) gehört zu den Biokraftstoffen und besteht aus pflanzlichen Rohstoffen, Rückständen und Abfällen. Laut dem französischen Energiekonzern TotalEnergies gilt es als nachhaltig klassifizierter Kraftstoff, der die „sehr strengen“ Kriterien in Bezug auf Nachhaltigkeit und andere Umweltaspekte erfüllt. Unter anderem soll HVO100 die lokalen Partikelemissionen am Motorausgang verringern und das Verbrennungsgeräusch reduzieren können.

Allerdings stellt sich in Deutschland nach wie vor die Frage nach der Logistik von HVO100. Die Deutsche Verkehrs-Zeitung (DVZ) hatte Ende 2023 bemängelt, dass HVO100 teurer werden würde als normaler Diesel. „Wir können den Treibstoff nur einsetzen, wenn unsere Kunden auch dazu bereit sind, dafür aufzukommen“, hatte die DVZ Benedikt Roßmann, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Ansorge in Biessenhofen, zitiert.

Der ADAC hatte im Juni Stichproben untersucht und festgestellt, dass der neue Treibstoff tatsächlich sechs bis zehn Cent mehr kosten soll als herkömmlicher Diesel. Wie die Deutsche Presse-Agentur dazu berichtete, ist HVO100 von der CO₂-Abgabe befreit, doch die geringen Produktionsmengen treiben dennoch die Preise hoch. „Es ist ein gutes Zeichen, dass die Hersteller versuchen, HVO100 möglichst günstig anzubieten. Wir setzen darauf, dass der Preisaufschlag zukünftig nicht größer wird, sondern sich HVO100 im Idealfall preislich dem klassischen Diesel weiter annähert“, erklärte ADAC Technikpräsident Karsten Schulz.

HVO goes Germany – Verband widerspricht ZDF-Darstellung

Vonseiten des Vereins „Mobil in Deutschland“ kam bereits ein heftiges Dementi bezüglich der ZDF-Berichterstattung. Zwar gab der Verband freimütig zu, die Kampagne gefahren zu haben, aber die Vorwürfe vonseiten des ZDF, es seien durch das Versprechen von Gesprächsmöglichkeiten mit Ministern und Staatssekretären „Einnahmen generiert“ worden, seien falsch. „Wir möchten betonen, dass wir uns von jeglichen Vorwürfen, die das ZDF angeblich recherchiert hätte, distanzieren und diese strikt zurückweisen“, schrieb der Verband in einer entsprechenden Mitteilung – und schaltete einen auf Medienrecht spezialisierten Anwalt ein. (Laernie mit dpa)

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