Westliche Sanktionen schwächen Russlands Wirtschaft
EU entzieht Russlands Wirtschaft Milliarden – und will Putin-Vermögen für die Ukraine nutzen
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Milliarden an russischem Vermögen sind im Westen eingefroren. Brüssel sucht nach Möglichkeiten, um sie einzusetzen. Doch Ungarn blockiert.
Brüssel – Um Russlands Wirtschaft zu schädigen und die Möglichkeiten des Kremls im Ukraine-Krieg einzuschränken, haben die westlichen Verbündeten der Ukraine mehr als ein Dutzend Sanktionspakete aufgelegt. Diese sorgen unter anderem dafür, dass die russische Zentralbank nicht mehr auf die gewaltigen finanziellen Reserven, die im Westen lagern, zurückgreifen kann. Die EU hat Pläne, was sie mit dem Geld anfangen will.
EU entzieht Russlands Wirtschaft viele Milliarden – um der Ukraine zu helfen
Hintergrund des Ganzen ist ein Plan der G7-Staaten, der vorsieht, die Ukraine mit einem Kredit über 50 Milliarden US-Dollar zu versorgen. Das Geld soll aus den Gewinnen des Vermögens stammen, das die westlichen Nationen von Russland eingefroren hatten. Ein großes Problem dabei: Ungarn blockiert die Pläne eines gemeinsamen EU-USA-Kredits mit seinem Veto-Recht. Jetzt scheint die EU eine Lösung gefunden zu haben.
Die sieht im Grunde simpel aus: Für einen EU-USA-Kredit braucht die EU Ungarns Stimme, für einen alleinigen EU-Kredit nur eine Mehrheit. Wie Kyiv Independent unter Berufung auf Berichterstattung der Financial Times mitteilte, besteht nun ein neuer Plan, der einen Kredit in Höhe zwischen 20 Milliarden Euro und 40 Milliarden Euro vorsieht. Die tatsächliche Summe wird erst nach Konsultationen zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten feststehen.
Weil bei diesem Kredit die USA keine Rolle spielen werden, so sollen Offizielle gegenüber der Financial Times berichtet haben, könne die EU auf diese Weise das Ungarn-Veto umgehen. Ungarn hatte in der Vergangenheit oft West-Sanktionen oder geplante Waffenlieferungen per Veto blockiert und so indirekt Russland im Ukraine-Krieg geholfen.
Russland soll Ukraine entschädigen – G7-Länder frieren Putins Milliarden ein
Insgesamt, so hatte die EU-Kommission bereits 2022 mitgeteilt, sind finanzielle Mittel in Höhe von rund 300 Milliarden Euro, die der russischen Zentralbank gehören, in der EU und in anderen G7-Ländern eingefroren. Weitere 19 Milliarden Euro von russischen Oligarchen kommen hinzu. „Russland und seine Oligarchen müssen die Ukraine für die verursachten Schäden und Zerstörungen entschädigen“, hatte die EU dazu gesagt. Seit März 2022 existiert die sogenannte Taskforce „Freeze and Seize“, also einfrieren und konfiszieren, die die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf EU-Ebene koordiniert.
Weil rechtliche Hürden und eine Sorge vor internationalem Vertrauensverlust es nicht erlauben, das Vermögen direkt anzufassen, hatten die G7-Nationen sich darauf verständigt, lediglich die aus den russischen Vermögenswerten generierten Gewinne anzufassen. Diese Mittel gehören Russland nicht, sondern werden von Zentralverwahrern gehalten – so begründete die EU diesen Schritt.
4,4 Milliarden Euro Zinsen – Ukraine-Fazilität soll russisches Vermögen an Ukraine leiten
Die EU hatte schon lange über den Einsatz des russischen Vermögens diskutiert. Im Juli war bereits eine erste Zahlung in Höhe von 1,5 Milliarden in Hilfemaßnahmen für die Ukraine geflossen; diese kam direkt aus den Zinserträgen der eingefrorenen Gelder. Über eine eigens eingerichtete Ukraine-Friedensfazilität soll das Geld an Länder wie Deutschland oder Tschechien gehen, die dieses wiederum für die Beschaffung von Luftverteidigung oder Artilleriegeschossen aufwenden. Das so eingekaufte Equipment soll schlussendlich der Ukraine bei der Verteidigung helfen.
Allein im Jahr 2023 seien rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen aus dem eingefrorenen Vermögen zusammengekommen. Das hatte das Finanzinstitut Euroclear aus Brüssel berichtet, das die Summe verwaltet.
„Vollständige Beschlagnahme“ von Russlands Vermögen – erstes Nato-Land unternimmt Schritte
Allerdings reicht das der Ukraine nicht, findet jedenfalls die ukrainische stellvertretende Finanzministerin Olha Zykova. Die externe Budgethilfe für die Ukraine müsste im Jahr 2025 um mehr als 13,4 Milliarden Euro steigen. Das hätten aktuelle Prognosen gezeigt, die Zykova Ende August vorgestellt hatte. Dabei hatte sie auch an die Entscheidung der G7-Staaten erinnert, Gewinne aus dem eingefrorenen russischen Vermögen zu nutzen. Sie forderte „die vollständige Beschlagnahme aller eingefrorenen Vermögenswerte der Russischen Föderation“.
Einen solchen Ansatz verfolgt auch das Nato-Mitglied Estland. Als erster westlicher Verbündeter der Ukraine hatte das Land bereits angekündigt, ein entsprechendes Gesetz entwerfen zu wollen. In Estland lagern allerdings vergleichsweise geringe Mengen an russischem Geld – die estnische Regierung schätzte die Summe auf 38 Millionen Euro.
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