Ukraine-Krieg

Trotz West-Sanktionen – Versorgt Putins Schattenflotte direkt europäische Häfen?

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Die westlichen Sanktionen zielen darauf ab, Russlands Wirtschaft zu schwächen. Der Kreml reagiert auf den Ölhandel mit einer 'Schattenflotte'. Wie wirksam ist diese Strategie?

Mainz – 8,5 Milliarden US-Dollar. So viel soll Russlands Präsident Wladimir Putin in den Kauf alternder Schiffe gesteckt haben, die dabei helfen sollen, westliche Sanktionen zu umgehen. Laut dem Historiker und Russland-Experten Craig Kennedy, der auch an der Universität Harvard arbeitet, wäre es wirtschaftlich klüger gewesen, auf die konventionelle Flotte zu setzen. Aber wie wirksam ist die Schattenflotte? Ein aktueller Bericht legt offen, dass sie scheinbar direkt in Europa agieren kann.

Putins Schattenflotte beliefert Europa – und stützt Russlands Wirtschaft

Recherchen von Report Mainz haben die Routen verschiedener Tankschiffe verfolgt, die mutmaßlich russisches Rohöl geladen haben. Medienberichten zufolge sind diese Schiffe von russischen Ostseehäfen aus gestartet und steuern dann direkt Häfen innerhalb der Europäischen Union an, wo sie ihr Öl abpumpen lassen.

Bildmontage aus einigen Öltankern und Wladimir Putin (Symbolfoto). Westliche Sanktionen sollen Russlands Wirtschaft schwächen. Beim Ölverkauf reagiert der Kreml mit einer Schattenflotte. Wie effektiv ist das?

Angeblich liegen dazu mehrere dokumentierte Fälle vor. Problematisch daran: Eigentlich sind solche Transaktionen verboten, da sie gegen geltende EU-Sanktionen verstoßen. Vor allem sollen Schiffe von griechischen Reedereien an diesen Transporten beteiligt gewesen sein. Wie die Tagesschau dazu schrieb, werden sie der berüchtigten Schattenflotte von Russlands Präsident Wladimir Putin zugerechnet.

Als ein Beispiel nannte Report Mainz den Tanker „Calida“, der am 23. August von Ust-Luga (Russland) aus gestartet sein soll; am 11. September war er in Augusta (Italien) angekommen. Nachdem „Calida“ vor Augusta geankert hatte, soll der Tanker mit 5,8 Meter weniger Tiefgang gefahren sein. Das kann nur eines bedeuten: Er muss wenigstens Teile seiner Öl-Ladung abgegeben haben. Was außerdem für eine erhöhte Aktivität der Schattenflotte in der Ostsee spricht, waren Ergebnisse einer Datenauswertung der Umweltorganisation Greenpeace. Diese will herausgefunden haben, dass verstärkt alte Tanker in der Ostsee unterwegs sind. Russland kauft vorrangig alte Tanker, um die Schattenflotte aufzurüsten.

Schattenflotte soll Sanktionen umgehen – Putin ist vom Ölverkauf abhängig

Was ist die Schattenflotte? Grundsätzlich ist sie ein Mittel des russischen Präsidenten Wladimir Putin, um bestimmte westliche Sanktionen zu umgehen. Konkret geht es hier um die Ölpreisbremse und die Abkehr von russischem Gas. Die G7-Staaten hatten nach Kriegsbeginn eine Preisobergrenze für russisches Rohöl festgelegt. Jede westliche Firma, die am Transport von russischem Öl beteiligt ist, erhält eine Bescheinigung, die besagt, dass die Ladung maximal 60 US-Dollar pro Barrel kostet. Die Unternehmen dürfen ihre Dienste nicht anbieten, sollten sie diese Bescheinigung nicht erhalten.

Wladimir Putin hatte darauf eine Lösung: Wenn die Schiffe, die russisches Öl transportieren, nicht als russische Schiffe ausgewiesen sind, und die Herkunft ihrer Ladung nicht bekannt ist, dann müsste es möglich sein, weiter mit dem Westen Handel zu treiben. Wie der aktuelle Bericht zeigt, fahren die der Schattenflotte angehörigen Schiffe weiter europäische Häfen an. Außerdem profitiert Russland vom Handel mit Ländern, die die westlichen Sanktionen nicht mittragen – unter anderem sind das China, Nordkorea und Indien. Im Juni 2024 hatte die Schattenflotte Öl im Wert von 3.272 Kilobarrel pro Tag verschifft, berichtete damals die Financial Times. Die „traditionelle“ Flotte schafft das bei Weitem nicht mehr.

Westen antwortet auf Schattenflotte – mit gezielten Sanktionen gegen Putins Schiffe

Die westlichen Nationen haben sich neuerdings darauf verlegt, die Schiffe direkt zu sanktionieren, anstatt die dahinterstehenden Gesellschaften. Ein Beispiel dafür ist das Vereinigte Königreich: Am 11. September hatte das Land zehn Schiffe mit Sanktionen belegt, von denen es ausging, sie gehörten zur Schattenflotte. Das Außenministerium teilte dazu mit, der Ölexport sei eine von Russlands wichtigsten Einnahmequellen – ohne ihn ließe sich der Ukraine-Krieg wesentlich schwerer bezahlen. Rund ein Viertel des russischen Budgets für 2023 stammte aus Ölverkäufen.

„Russland war gezwungen, über acht Milliarden Dollar in den Aufbau dieser Schattenflotte zu stecken“, hatte David Lammy, der Außenminister des Vereinigten Königreichs, dazu gesagt. „Wenn die sanktionierten Tanker nur herumdümpeln und nicht in der Lage sind, Öl zu laden, können wir Putins Investment zu einem teuren Fehltritt für den Kreml machen. Unsere Handlungen werden dabei helfen, Russlands Versuche, ökonomische Sanktionen zu umgehen, zunichtezumachen.“

Die EU-Staaten hatten schon Monate vorher einen ähnlichen Schritt gemacht – im 14. Sanktionspaket waren ebenfalls Sanktionen gegen einzelne Öltanker enthalten. Das Auswärtige Amt habe mitgeteilt, dass künftig weitere Schiffe auf der Sanktionsliste landen sollen, hatte Report Mainz herausgefunden. Derzeit befinde man sich diesbezüglich in „enger Abstimmung“ mit den G7- und EU-Partnern.

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