CEO Tavares muss gehen
Stellantis CEO Carlos Tavares muss gehen: Autoboss verlässt kriselnden Opel-Mutterkonzern Anfang 2026
- VonMark Simon Wolfschließen
Opel-Mutter Stellantis befindet sich in akuter Schieflage und zieht nun die Reißleine: CEO Carlos Tavares wird den Autobauer Anfang 2026 verlassen – wegen eigener Fehler.
Hoofddorp – Für Carlos Tavares endet Anfang 2026 eine fast 12-jährige Reise: Wie der Opel-Mutterkonzern Stellantis mitteilte, wird der Vertrag des 66-jährigen CEO bei dem weltweit operierenden Autobauer nicht verlängert. Tavares scheidet damit in knapp eineinhalb Jahren aus – das teilte der Konzern in der Nacht zu Freitag mit.
Tavares muss dem Druck weichen: Stellantis steckt tief in der Krise – Umsatz bricht massiv ein
Der Portugiese stand seit Längerem unter starkem Druck, da die Absatzzahlen der Fahrzeuge – wie für beinahe die gesamte europäische Autobranche – rapide zurückgingen. Besonders der Markt für Elektroautos brach zuletzt vielerorts massiv ein – mit Folgen: Bereits frühzeitig hatte Stellantis für mehr Technologieoffenheit plädiert und angekündigt, ab 2030 keine Autos mit Verbrenner-Motoren mehr verkaufen zu wollen. Doch in der Fertigung tauchten zuletzt häufiger Probleme auf: Der Citroën ë-C3 sollte als Elektroauto für vergleichsweise geringe 23.300 Euro zum Verkaufsschlager werden. Doch die Auslieferung hakte aufgrund von anhaltenden Softwarefehlern. Und auch beim Peugeot E-3008, ein Premium-SUV für 48.500, kam es international zu massiven Verzögerungen.
Dabei hätte Stellantis die Hoffnungsträger im ersten Halbjahr 2024 dringend benötigt: Der Umsatz fiel im Vergleich zum Vorjahr von 98 Milliarden Euro auf nur noch 85 Milliarden Euro. Der Konzern sah sich gezwungen, die Gewinnprognose für 2024 zu revidieren.
Stellantis schwächelt im US-Geschäft und verkauft weniger Fahrzeuge – Finanzchefin muss sofort gehen
Und speziell das US-Geschäft erlebte im dritten Quartal zuletzt einen erheblichen Dämpfer: So verkaufte Stellantis nur noch rund 305.000 Fahrzeuge – rund 75.000 weniger als noch vor einem Jahr. Dass Tavares seinen Vertrag noch bis zum Laufzeitende erfüllen darf, könnte auch mit seinem Nimbus als erfolgreicher Krisenmanager zusammenhängen. Der Sanierungsexperte machte nicht nur die die Traditionsmarken Peugeot und Opel wieder zukunftsfähig, sondern war auch federführender Treiber der Mega-Fusion zwischen der französischen Groupe PSA und Fiat-Chrysler zum heutigen Stellantis-Konzern – immerhin dem viertgrößten Autohersteller der Welt.
Seine Vorstandskollegin, die Finanzchefin Natalie Knight, musste dagegen umgehend ihren Posten räumen und wird vom bisherigen China-Manager Doug Ostermann ersetzt. Zudem verantwortet der bisherige Jeep-Chef Antonio Filo künftig das schwächelnde Nordamerika-Geschäft.
Absatzrückgänge bei fast allen Marken – Fehlerhafte US-Strategie holt Stellantis-CEO ein
Dass speziell auf diesem Kontinent eine große Aufgabe wartet, bewies auch die Markenperformance im dritten Quartal: Nahezu alle Marken im Portfolio verzeichneten in den USA teils drastische Absatzrückgänge. Bei Chrysler (47 Prozent), Dodge (43) und Alfa Romeo (29) waren die Einschnitte am größten. Doch auch Jeep (6) und Ram (19) schwächelten. Die Einbrüche wecken mittlerweile erhebliche Zweifel an der US-Strategie von Tavares. Dieser habe auch nach der Pandemie versucht, die Preise stabil zu halten. Die Kunden setzten aber lieber auf günstigere Fahrzeuge, die dasselbe Leistungsversprechen wie Chrysler, Jeep und Co gaben.
Zudem legte er sich mit der mächtigen Auto-Gewerkschaft URW an. Wegen stagnierender Zahlen bei den Neuzulassungen am US-Markt ließ er kurzerhand eine Fabrik in Illinois stillgelegt – anders als zuvor vereinbart.
Verbalkeule gegen die deutsche Konkurrenz und plötzliche Seitenwechsel
Speziell diese besondere Art anzuecken, hing Tavares schon immer nach. Im Umgang mit Konkurrenten war er stets hart. Mal warf er Marken wie VW oder BMW Planlosigkeit bei der Elektrifizierungsstrategie vor. Mal tadelte er die deutschen Autobauer für ihre Ablehnung der Strafzölle für Elektroautos aus China. Als Stellantis dann aber selbst beim chinesischen Autobauer Leapmotor Anteile erwarb, schloss er sich plötzlich der deutschen Opposition an. Die französische Regierung, einer der Haupttreiber der Strafzölle, zeigte sich wegen des Seitenwechsels erbost.
Ebenso humorlos sprang er mit Partnern und Kollegen um. Im Schnelldurchlauf strich er in den vergangenen Jahren Markenportfolios zusammen, verschlankte Produktionsprozesse sowie Personalbestände und ordnete jegliche Auto-Romantik der ökonomischen Disziplin unter.
Ökonomie schlägt Auto-Romantik: Entlassungen im Schnelldurchlauf – Sanierungen im Eiltempo
Im traditionsreichen Renault-Werk im französischen Sochaux, der Wiege der Marke, blieben nach Tavares‘ Radikalkur von 43.000 Angestellten nur 8.500 übrig. Im Zuge der Fusion zwischen Groupe PSA und Fiat-Chrysler verloren rund 20.000 Mitarbeiter ihren Job. Der Erfolg gab ihm in beiden Fällen bis zuletzt recht. Doch Gewerkschaften, Angestellte und Öffentlichkeit sahen in dem Portugiesen oftmals einen eiskalten Turbokapitalisten. Gegenüber ntv sagte er schlicht, dass es zwar „unpopuläre Entscheidungen“ gewesen seien, die er in jüngster Vergangenheit hätte treffen müssen. Doch seien diese notwendig gewesen, „um zu vermeiden, dass wir wie Volkswagen enden“.
Der deutsche Konzern kriselt ebenso und zieht derzeit erstmals betriebsbedingte Kündigungen sowie Werkschließungen in Deutschland in Betracht. Ob Oliver Blume auch öffentlich so über Stellantis sprechen würde?
Tavares erhält Schonfrist für seinen Abgang – und kann die eigenen Fehler noch ausbügeln
Offen ist noch, ob Tavares seinen Rückzug selbst angeboten hat oder die Trennung auf Zeit einvernehmlich war. Immerhin darf er am geplanten Umbau des Konzerns noch aktiv mitwirken. An sich entspricht dieses Aufgabengebiet genau seinen Kompetenzen. Nur muss er diesmal auch seine eigenen Fehler ausbügeln. Christian Lafaye, ehemals hoher Vertreter bei der mächtigen FO-Gewerkschaft bei PSA, kennt die Härte des Stellantis-Bosses. Wenngleich dieser, so berichtete es Capital bereits im Jahr 2018, laut Lafaye schon zurückhaltender geworden sei. Er habe erkannt, dass die Schroffheit bei den Kollegen sehr schlecht angekommen sei.
Dennoch erzählt man sich um Tavares Menschenführung eine Geschichte: Einmal habe ein Werksleiter Tavares gefragt, ob er zufrieden sei. Dieser antwortete schlicht: „Wenn nicht, wären Sie nicht mehr da.“ Nun ist es für Tavares ähnlich: Die Stellantis-Eigner sind mit seiner Performance nicht mehr zufrieden. Mit dem Unterschied, dass dem Portugiesen eine Schonfrist für seinen Abgang eingeräumt wird.
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