Potenzial von 400.000 Menschen
Viele freie Jobs: Ifo-Forscher fordert Lockerung des Arbeitsverbots für Geflüchtete
VonMarcel Reichschließen
Nicht nur in Bäckereien oder Restaurants herrscht derzeit ein großer Mangel an Arbeitskräften. Die Lösung für die Probleme könnten Geflüchtete sein. Wenn sie denn arbeiten dürften.
München – Die Zahl der Zugewanderten in Deutschland steigt weiter, in vielen Betrieben fehlen jedoch gleich eine Reihe von Arbeitskräften. Der Migrationsforscher Panu Poutvaara vom Ifo-Institut hat sich deshalb für eine Lockerung des Arbeitsverbots für Geflüchtete ausgesprochen. „Wegen des Arbeitskräftemangels und des engen Spielraums bei den öffentlichen Finanzen ist es sinnvoll, Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive so früh wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie zahlen dann Steuern und Sozialabgaben“, sagte Poutvaara am Montag in München.
Geflüchtete, die bereits arbeiteten, sollten nicht befürchten müssen, dass ihnen die Arbeitserlaubnis wieder entzogen werde. Hingegen sollten die Beschränkungen für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern beibehalten werden. Mit der Möglichkeit zur Arbeit hätten Geflüchtete dann die Chance, aus dem Bürgergeld herauszukommen.
Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hat sich dafür ausgesprochen, die Sozialleistungen für Asylbewerber zu verringern. Es sei offensichtlich, „dass unser Sozialstaat mit seinem im europäischen Vergleich sehr hohen Leistungen (...) wie ein Magnet wirkt, und das muss abgeschaltet werden“, sagte Lindner am Sonntag in der ARD. Dabei gehe es um Asylbewerber, die nicht auf der Flucht seien vor Bürgerkrieg oder vor Naturkatastrophen. Sozialleistungen als Pull-Faktoren für Migranten hatten gerade in den vergangenen Wochen wiederholt für Diskussionen gesorgt. Frank Kalter, Direktor des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), hält die Theorie, nach der diese für einen erhöhten Zustrom von Migranten sorgen, jedoch für überholt.
Bundesregierung ernennt Sonderbeauftragten für Arbeitsmarktintegration Geflüchteter
Vergangene Woche hatte die Bundesregierung einen Sonderbeauftragten für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten ernannt. Daniel Terzenbach, im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die Regionen zuständig, soll die Aufgabe in Zukunft übernehmen, sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Die Personalie ist Teil einer Initiative des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD) zur schnelleren Arbeitsaufnahme von Geflüchteten.
„Als Sonderbeauftragter sehe ich mehr Möglichkeiten, die verschiedenen Arbeitsmarktakteure an einen Tisch zu holen“, erklärte Terzenbach bereits vor seiner Ernennung. Er wolle sich dafür einsetzen, die Debatte zu objektivieren und ein ganzheitliches Bild zu schaffen. Im Vorstand der BA ist der 42-Jährige seit 2019 und wird diese Aufgabe auch als Sonderbeauftragter weiterführen.
Hubertus Heil hatte vor einer Woche angekündigt, dass Geflüchtete mit einer Bleibeperspektive schneller eine Arbeit aufnehmen sollen. Es gehe dabei um ein Potenzial von rund 400.000 Menschen, „die derzeit im Bürgergeld sind und bereits Sprachkenntnisse erworben haben“. Die größte Gruppe unter ihnen sind Geflüchtete aus der Ukraine. (Reuters/AFP/mare)
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