Verhandlung zum Deutschlandpakt
„Die Zahl muss runter“: CDU will Scholz zu schnelleren Abschiebungen von Geflüchteten zwingen
VonJens Kiffmeierschließen
Auftakt zum Deutschlandpakt: Kanzler Scholz verhandelt heute beim Migrationsgipfel den Kurs der Asylpolitik. Die Merz-CDU will die Flüchtlingszahlen drücken.
Berlin – Mehr Abschiebungen, weniger Geld: Die Union pocht auf eine Verschärfung der Asylpolitik in Deutschland. Vor einem Treffen der Länder und der Opposition im Kanzleramt mit Regierungschef Olaf Scholz (SPD) forderte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen. „Das A und O ist: Die Zahl muss runter“, sagte Kretschmer am Freitag (13. Oktober) der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vor dem Migrationsgipfel. Deshalb müssten Staaten automatisch zu „sicheren Herkunftsländer“ erklärt werden, wenn die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus diesen Ländern nur bei fünf Prozent liege. Ob Bund und Länder mitspielen, bleibt abzuwarten. Am Ende geht es wohl vor allem ums Geld.
Asylpolitik in Deutschland: Scholz will beim Migrationsgipfel den Deutschlandpakt schmieden
Nur wenige Stunden nach einer zweitägigen Ministerpräsidentenkonferenz empfängt Scholz die Ländervertreter und CDU-Chef Friedrich Merz im Kanzleramt. Für die Länder nehmen an dem Migrationsgipfel Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sowie sein hessischer Amtskollege Boris Rhein teil. Beraten werden soll dabei die künftige Asylpolitik in Deutschland. In den vergangenen Monaten hatten viele Kommunen Alarm geschlagen und eine Überforderung bei der Aufnahme der Geflüchteten angemahnt. Scholz hatte daraufhin im Bundestag zu einem parteiübergreifenden Deutschlandpakt aufgerufen.
Vor Migrationsgipfel: Länder wollen Flüchtlingszahlen in Deutschland 2023 begrenzen
Bei dem Spitzentreffen im Kanzleramt geht es nach Einschätzung des hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) vor allem um Maßnahmen zur Begrenzung der Migration und der Flüchtlingszahlen in Deutschland 2023. „Das Wichtigste ist, dass Maßnahmen ergriffen werden, dass weniger Menschen kommen und dass wir es schaffen, dass diejenigen, die abgelehnt werden, dann auch wirklich zurückgehen müssen“, sagte Rhein vorab im ARD-Morgenmagazin. Dabei werde auch das Thema Geld eine Rolle spielen, fügte er hinzu. So wünschten sich die Länder „ein atmendes System. Das heißt also, wenn mehr Flüchtlinge kommen, müssen die Länder auch mehr Geld bekommen und wenn weniger kommen, dann gibt‘s eben weniger Geld“.
Begrenzung der Migration auch Thema auf Ministerpräsidentenkonferenz
Bereits am Vormittag hatten die Regierungschefinnen und -chefs der Länder ihre Ministerpräsidentenkonferenz fortgesetzt. Bei dem am Donnerstag begonnenen Treffen in Frankfurt am Main stand ebenfalls das Thema Migration im Zentrum der Beratung. „Das Hauptproblem ist, dass wir eine Situation haben, dass im Augenblick in der Welt der Eindruck entsteht, dass es in Deutschland eine grenzenlose Offenheit gibt.“ Zu den sogenannten Pull-Effekten gehöre zum Beispiel das Auszahlen von Bargeld. Eine Alternative könne aus seiner Sicht eine deutschlandweite Bezahlkarte sein. Konkret werden immer wieder folgende Maßnahmen und Punkte diskutiert, wie folgende Übersicht zeigt:
Abschiebungen, Arbeitspflicht und Geldkarte: Mögliche Ergebnisse beim Migrationsgipfel – eine Liste
- Karten oder Sachleistungen statt Geld: Asylbewerber könnten künftig eine Geldkarte oder Sachleistungen statt Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Die Idee dahinter: Asylbewerber können dadurch gar nicht oder nur schwer Geld in die Heimatländer überweisen – und ein wichtiger Anreiz zur Flucht würde entfallen. CDU und FDP sind dafür, ebenso die Mehrheit der Länder, die das Vorhaben „schnellstmöglich prüfen“ lassen wollen. Die Kommunen fürchten jedoch den hohen Aufwand der Umstellung.
- Finanzierung der Asylkosten: Länder und Kommunen sind sich einig, dass der Bund stärker in der Verantwortung steht und sämtliche Kosten für die Aufnahme tragen sollte.
- Sichere Herkunftsländer: Während die CDU die Anzahl erhöhen will, gibt es auch in den Ländern einen starken Ruf nach mehr Abschiebungen. Die Ausweisung ausreisepflichtiger, abgelehnter Asylbewerber müsse schneller erfolgen, hieß es.
- „Arbeitspflicht“ für Geflüchtete? Menschen, die sich in einem Asylverfahren befinden oder geduldet werden, dürfen schon jetzt unter bestimmten Voraussetzungen arbeiten. Allerdings nur mit einer Arbeitserlaubnis und erst drei Monate nach Ankunft in Deutschland. An diesem „Arbeitsverbot“ wollen die SPD-geführten Länder rütteln und fordern eine „Pflicht zur Arbeitsaufnahme“ – und zwar sobald „arbeitsfähige Geflüchtete“ an eine Kommune überwiesen werden. Mit Blick auf den stetig zunehmenden Arbeitskräftemangel sei es „nicht länger hinnehmbar, dass viele Geflüchtete nicht in Arbeit und Beschäftigung gebracht werden können“, schreiben die Länder in ihrem Arbeitspapier.
Im Grundsatz sind sich Bund, Länder und Opposition einig: Angesichts der weltweiten Krisen sollen die Flüchtlingszahlen nicht weiter steigen. Über die Mittel und Wege herrscht aber noch Uneinigkeit. Vor allem die Union dringt auf einen sehr harten Kurs in der Asylpolitik. So hatte Kretschmer bereits im Mai eine Änderung des Grundrechts auf Asyl ins Spiel gebracht, wie tagesschau.de berichtet. Dafür votiert auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Man muss am Ende vielleicht auch das Undenkbare noch mal diskutieren“, forderte der CSU-Politiker am Montag.
Umfrage zum Migrationspakt: Mehrheit der Deutschen für härteren Asylkurs
Doch inwieweit wird Scholz dem Druck der Länder beim angestrebten Migrationspakt nachgeben? In der vergangenen Wochen hatte er mehrfach gesagt, dass aus seiner Sicht derzeit zu viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Mit dieser Einschätzung stößt er jedenfalls bei den Bundesbürgern auf Zustimmung. Zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) teilen laut einer YouGov-Umfrage nämlich diese Meinung. Nur 20 Prozent sind dagegen der Ansicht, die derzeitige Flüchtlingszahl sei verkraftbar, Deutschland sollte aber nicht mehr Menschen aufnehmen. Nur acht Prozent sind der Auffassung, es könnten noch mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen. (jkf/mit dpa)
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