„Auf dem Tablett serviert“
Russlands riskante Wette auf China: Putins Abhängigkeit nimmt zu
- VonMax Schäferschließen
China soll Putins wegfallende Einnahmen im Handel mit Europa ausgleichen, doch Peking investiert fast nichts. Gleichzeitig diktiert es Russland die Bedingungen.
Moskau – Am Anfang eine Rettung, nun ein immer größeres Problem für den russischen Präsidenten Wladimir Putin: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich Russland immer stärker nach Osten orientiert und Handelsbeziehungen zu Indien und China gestärkt. Dadurch konnte Putin die wichtigen Einnahmen aus dem Geschäft Öl und Gas zunächst sichern und trotz Sanktionen wichtige Güter importieren.
Besonders der Handel mit China ist dabei von enormer Bedeutung für Putins Russland. War bis 2022 die EU der größte Handelspartner, erfüllt seitdem Peking diese Rolle. Das Handelsvolumen beträgt inzwischen knapp 241 Milliarden Dollar. China macht damit 36 Prozent des russischen Warenimports und 30,5 Prozent des russischen Warenexports aus.
Russland muss sich sogar beim Gasgeschäft Chinas Bedingungen beugen: „Ausweglose Situation“
Die Handelsbeziehung ist jedoch einseitig. Russland ist wirtschaftlich von China abhängig. Das zeigt sich beispielsweise beim Gas. Hier wollen beide Staaten die Pipeline Power of Siberia 2 von den westsibirischen Feldern nach China bauen. Im Moment ruhen die Verhandlungen. Berichten zufolge will China deutlich zu wenig für russisches Gas zahlen. Außerdem will China nicht die nötige Menge abnehmen.
Russland braucht die Pipeline jedoch unbedingt. Einerseits soll China die kriegsbedingt weggefallenen Einnahmen aus dem Westen ausgleichen und Gazprom damit weiteren Jahren mit Verlusten in Milliardenhöhe bewahren. Gleichzeitig ist die Pipeline nötig, um die 2014 und 2022 abgeschlossenen Lieferverträge über 48 Milliarden Kubikmeter Gas über 30 Jahre hinweg erfüllen zu können.
Grund ist, dass die ostsibirischen Gebiete nicht ausreichend Gas einbringen würden, erklärte Michail Krutichin vom Beratungsunternehmen RusEnergy der Welt. „China hat nun alle Trümpfe in der Hand, und Gazprom ist in einer ausweglosen Situation.“ Für Russland ist das besonders bitter: Energie sei ein entscheidender Baustein für Russlands Fähigkeit, seine langfristigen Wirtschaftsinteressen zu verteidigen, erklärte etwa Russland-Experte Maxim Trudolyubov.
China hat Russland „auf dem Tablett serviert“ bekommen – bringt aber wenig Geld nach Russland
China kann das auch in anderen Wirtschaftsbereichen ausnutzen. Das Reich der Mitte ist dabei opportunistisch, investiert aber wenig. Peking nutze die Isolation Russlands, um seine Waren auf den neuen Markt bringen zu können, den es „quasi auf dem Tablett serviert bekommt“, sagte Igor Lipsic, Mitgegründer der Moskauer Higher School of Economics der Welt. „Aber im Unterschied zu den Europäern bis 2022 werden die Chinesen wohl kaum in Russland investieren.“
„Chinesische Unternehmen bleiben bei Investitionen in Russland zurückhaltend“, schrieb auch der Wirtschaftswissenschaftler Janis Kluge in einer Analyse für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Ursachen seien der kleine und unattraktive Markt sowie ein zu hohes Länderrisiko.
China ist beim Handel mit Russland vorsichtig – wegen Sanktionen der USA
Zusätzlich befürchten chinesische Unternehmen, besonders Banken, mit Sekundärsanktionen der USA belegt zu werden. Diese haben die USA im Dezember 2023 angekündigt, um den Export militärisch verwertbarer Produkte nach Russland zu verhindern. Zahlreiche chinesische Banken weigern sich deshalb laut Maxim Trudolyubov russische Kunden anzunehmen, die möglicherweise mit dem militärisch-industriellen Komplex in Verbindung stehen.
Im Dezember 2023 hatte der Export von „Dual Use“-Produkten aus China nach Russland noch ein Volumen von mehr als 600 Millionen Dollar, inzwischen liege er bei 300 Millionen Dollar monatlich, erklärte Trudolyubov in einem Artikel für das Kennan-Institute, einem US-Thinktank zur Forschung über die Staaten der früheren Sowjetunion.
Eine Ursache ist laut den Fachleuten das vorsichtige Verhalten Chinas, das den laufenden Handelskonflikt mit den USA nicht noch verschärfen will. „Die Chinesen wollen keinesfalls das Risiko eingehen, mit einer etwaigen Verletzung der Sanktionen das Verhältnis mit den USA zu trüben“, zitiert die Welt die Sinologie-Professorin Susanne-Weigelin-Schwiedrzik.
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