„Fällt der Regierung vor die Füße“
Nach Ampel-Abbruch: „Bittere Bilanz“ für den Wohnungsbau droht
VonBona Hyunschließen
Die Ambition der vormaligen Ampel-Allianz, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, scheint immer mehr in die Ferne zu rücken. Die Branche zeigt sich zunehmend besorgt nach dem Ampel-Aus.
Berlin – Die Talfahrt im Wohnungsbau könnte sich weiter fortsetzen. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition ist keine Besserung in Sicht. Nach den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres habe die Branche eine bittere Bilanz für den Wohnungsbau ziehen müssen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, in einer Pressemitteilung. „Unsere Befürchtungen werden wahr: Der Wohnungsmangel fällt der Regierung vor die Füße.“
Folgen für den Wohnungsbau nach Aus der Ampel: „Besserung ist nicht in Sicht“
Das Aus der Ampel sorge dafür, dass dringend erforderliche Entscheidungen um mindestens ein halbes Jahr vertagt werden. Bis zu einem beschlossenen Bundeshaushalt stehe die Förderung von Neubau und Sanierung auf der Kippe. „Zwar hat sich im September der Genehmigungsrückgang für alle Wohnungen abgeschwächt, eine durchgehende Besserung ist aber nicht in Sicht“, kommentierte Müller die heute vom Statistischen Bundesamt bekanntgegebenen Genehmigungszahlen für den September. Mit nur noch 15.300 Wohnungen im Neu- und Umbau wurde das Ergebnis des Vorjahresmonats um weitere 23,1 Prozent unterschritten (Januar bis September: minus 19,7 Prozent).
Vom anhaltenden Genehmigungsrückgang seien alle Gebäudekategorien gleichermaßen betroffen. Bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, auf die zwei Drittel des Neubaus entfielen, betrage der Rückgang in den ersten drei Quartalen 21,7 Prozent, das Niveau des Jahres 2022 werde nahezu um die Hälfte verfehlt.
Bittere Bilanz für den Wohnungsbau – Branche warnt nach Bruch der Ampel
Noch etwas schlimmer sehe es im klassischen Eigenheimbau aus. Halte die aktuelle Genehmigungsflaute (Januar bis September: minus 22,9 Prozent) an, würde im Jahr 2024 mit rund 45.000 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern der bisherige Tiefpunkt seit der Wiedervereinigung (2008) um die Hälfte unterboten, so Müller. „Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden rückt damit für breite Schichten der Bevölkerung in immer weitere Ferne“, ergänzt Müller.
Zwar habe die abgetretene Bundesregierung eine Fülle von Maßnahmen zur Belebung der Wohnungsbaukonjunktur auf den Weg gebracht, die aber bisher ohne ausreichende Wirkung geblieben seien. „Am Ende geht es nicht nur um staatliche Förderung, sondern um einen überfälligen radikalen Einschnitt bei hemmenden und baukostentreibenden Normen und Vorgaben von Bund, Ländern und Gemeinden“, so Müller weiter. Die Diskussion um den Gebäudetyp E zeige die Richtung an, die nötige Ausgestaltung müsse aber durch mehr Praxiserfahrung erreicht werden.
Bau-Ziel der ehemaligen Ampel rückt in weitere Ferne
Das politische Jahresziel von 400.000 neuen Wohnungen ist noch in weitere Ferne gerückt. Die Genehmigungszahlen sind seit mehr als zwei Jahren rückläufig. Gründe für die Zurückhaltung der Investoren sind unter anderem die hohen Baukosten und teure Finanzierungen.
Die Branchenverbände der Bauindustrie und des Baugewerbes äußern sich besorgt angesichts des nicht beschlossenen Bundeshaushalts. Bis zur Verabschiedung eines neuen Haushalts könnten keine neuen Aufträge für Straße und Schiene vergeben werden und Fördertöpfe drohten auszulaufen. Für eine Belebung des Wohnungsbaus brauche es zudem weniger strenge Bauvorschriften. Hohe Ausstattungs- und Komfortstandards dürften nicht mehr verpflichtend, sondern nur noch freiwillig sein, sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa.
Nach Ampel-Aus könnte wichtiges Projekt für den Wohnungsbau wackeln
Um den Bauboom anzukurbeln, hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf für den neuen Gebäudetyp E auf den Weg gebracht, um günstiges Bauen zu ermöglichen. Am selben Abend war dann aber die Ampel-Koalition beendet und damit auch jenes Gesetzesvorhaben, für das nun die Mehrheit im Bundestag fehlt.
Mit dem sogenannten Gebäudetyp-E-Gesetz soll es einfacher werden, beim Neubau auf die Einhaltung sogenannter Komfortstandards zu verzichten, die für die Sicherheit des Gebäudes - also etwa Brandschutz oder Statik - nicht relevant sind. Das kann etwa die Raumhöhe betreffen, den Schallschutz, die Zahl der Steckdosen im Wohnzimmer, die Art der Fenster oder die Frage, welche Norm-Innentemperatur in einem Badezimmer erreicht wird. (bohy)
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