Bauwirtschaft in der Krise
Die Ampel-Regierung fördert den „Gebäudetyp E“ – kommt der Bauboom zurück?
- VonMark Simon Wolfschließen
Ein neues Gesetz der Ampelkoalition zum „Gebäudetyp E“ zielt darauf ab, das Bauen zukünftig kostengünstiger, schneller und innovativer zu gestalten. Die Bau- und Wohnungswirtschaft sowie die Verbände sind begeistert.
Berlin – Die Probleme der Baubranche sind vielfältig. Hohe Kosten für Material, Mangel an Bauland und vor allem vielerorts ausufernde regulatorische Anforderungen sind nur drei Gründe von vielen, die für ein völliges Ungleichgewicht am Immobilienmarkt sorgen. Der von der Ampel-Regierung 2021 versprochene Bau-Turbo, mit dem Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, scheiterte sowohl 2022 als auch 2023 krachend. Und auch in den ersten fünf Monaten 2024 wurden in Deutschland nur knapp 89.000 neue Wohnungen genehmigt. Und unter den jetzigen Bedingungen ist auch die Aussicht auf die kommenden Jahre trüb.
Ampel sieht in Gebäudetyp E eine Revolutions des Bauwesens: Einfacher, günstiger und schneller
Wohl auch wegen derartiger Dilemma hat sich das „Planen und Bauen nach dem sogenannten Gebäudetyp E“ in den Vordergrund gespielt – wie es das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) auf seiner Homepage vor knapp einem Monat am 17. Juli verkündete. Ohne dass die Qualität und Sicherheit beim Bau eines neuen Wohngebäudes leidet, soll der Gebäudetyp E den Bauvorgang einfacher, günstiger und schneller gestalten. Die Zauberformel: Architekten und Bauträger verzichten auf gewisse „Ausstattungs- und Komfortstandards“, die für den Erfolg des Bauvorhabens nicht unbedingt notwendig sind.
Damit sind etwa die vorgeschriebene Anzahl an Steckdosen pro Zimmer, genau definierte Raumhöhe und Wandbreite, der festgelegte Schallschutz für Fenster oder auch sonstige innenarchitektonische Regeln gemeint.
Wird Bauen günstiger? Gebäudetyp E soll Mehrkosten und Zeitaufwand verringern
Expertinnen und Experten bemängelten in der Vergangenheit, dass derartige Standards das Bauvorhaben in ein zu enges Korsett drängten, welches unnötige Mehrkosten und erheblichen Zeitaufwand verursache. Das schrecke Investoren und Käufer gleichermaßen ab. Nach Berechnungen lasse sich laut der Welt mit den Leitlinien und Prozessempfehlungen nach Gebäudetyp E künftig rund zehn Prozent der Gesamtkosten eines Neubaus sparen.
Den ursprünglichen Planungsansatz für den Gebäudetyp E hat die Bayerische Architektenkammer (mit späterer Unterstützung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau) angestoßen. Dieser wurde schließlich innerhalb der Ampel unter Leitung von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) aufgegriffen – und in enger Abstimmung mit verschiedenen Verbänden aus Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie Bauindustrie weiterentwickelt.
Gesetz zu Gebäudetyp E liegt im Bundesjustizministerium: Rechtliche Anpassungen notwendig
Mittlerweile hat das Bundesjustizministerium einen ersten Gesetzesentwurf vorgelegt, der drei wesentliche Änderungen des Baurechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 650 a ff BGB) umfasst. Dabei fasst das Ministerium von Justizminister Marco Buschmann (FDP) besonders die für das Bauen relevante „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (aRdT) ins Auge. Diese umfassen alle technisch geeigneten, angemessenen und notwendigen Standards, um fehlerfrei und sicher zu bauen. Folgende Punkte sollen dabei rechtssicher angepasst werden:
- „Ausstattungs- und Komfort“-Standards sollen nicht mehr unter die „anerkannten Regeln der Technik“ fallen.
- Fachkundigen Unternehmen soll die Abweichung von den „anerkannten Regeln der Technik“ in Verträgen erleichtert werden.
- Aus diesem Vorgehen soll nicht mehr automatisch ein „Sachmangel“ im Bauvorhaben resultieren, das im Falle einer Klage rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Bauministerin Geywitz über Gebäudetyp E: „Statik und Brandschutz bleiben davon unberührt.“
Das Gesetz soll allen an einem Bauvorhaben beteiligten Parteien mehr Rechtssicherheit gewähren – und für dringend notwendige Effizienzgewinne am Immobilienmarkt sorgen: „Projektierer können mit dem ‚Gebäudetyp E‘ rechtssicher von Baustandards abweichen, um einen Bau schneller und kostengünstiger zu realisieren. Die Gebäudesicherheit, z. B. die Statik oder der Brandschutz, bleibt davon unberührt“, erklärt Geywitz auf der Homepage des Bauministeriums.
Auch für die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Andrea Gebhard, ist das Gesetz ein gelungener Schritt. Im Podcast „Bonus – Zwei Zimmer, Küche, Bad“ von der Welt erklärte Gebhard, dass besonders die Freiheiten für alle Beteiligten entscheidend für einen erfolgreichen Bauprozess seien. Künftig könnten sich Architekten mit Bauleiter zusammensetzen und über bestimmte, verzichtbare Normen hinweg, ein Gebäude entwerfen – das dennoch sicher und gut gebaut sei.
Wenn das Gesetz im Justizministerium finalisiert ist und der Prüfung der einzelnen Ressorts des Bundes standgehalten hat, ist ein Inkrafttreten für Anfang 2025 geplant.