Infrastruktur-Sondervermögen
Hoffen auf zwei Szenarien: Merz-Schuldenpaket könnte Wirtschaft wachsen lassen – oder „riskante Wette“ sein
- VonKatharina Bewsschließen
Eine Studie zeigt, dass das geplante Infrastruktur-Sondervermögen von Union und SPD das Wirtschaftswachstum ankurbeln könnte. Doch die hohen Schuldenaufnahmen könnten die Inflation anheizen. Kritiker warnen vor den Risiken.
Berlin – Das geplante Infrastruktur-Sondervermögen von Union und SPD könnte sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken, wie eine Studie zeigt. Für das Sondervermögen sind 500 Milliarden Euro vorgesehen. Die Studie der Berliner Ökonomen Claus Michelsen und Ferdinand Fichtner, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, beschreibt zwei Szenarien, die je nach Schnelligkeit des Zugriffs auf das Vermögen unterschiedliche Auswirkungen auf das deutsche Wirtschaftswachstum haben. In beiden Fällen steigt das Wachstum, jedoch bleibt die langfristige Wirkung aus.
Studie sieht Wachstumseffekt durch Sondervermögen – doch warnt vor Inflationsrisiken
„Die gesamtwirtschaftlichen Effekte öffentlicher Investitionen könnten beträchtliche Wachstumsimpulse entfalten“, schließt Fichtner aus der Studie. Geplant ist, das Vermögen innerhalb der nächsten zehn Jahre zu investieren, was laut der Studie dazu führen könnte, dass die Wirtschaftsleistung doppelt so stark wächst. Dennoch warnt die Studie vor den Folgen der hohen Schuldenaufnahme, die die Inflation anheizen und zu höheren Zinsen führen könnte.
Auch die Europäische Zentralbank hat angedeutet, dass die zahlreichen Investitionen in Europa, angetrieben durch die verstärkten Verteidigungsausgaben, die Inflation anheizen könnten. Am Donnerstag, dem 6. März, wurde der Leitzins auf 2,5 Prozent gesenkt, doch beim nächsten Zinsentscheid im April könnte eine Pause eingelegt werden, wie viele Ökonomen erwarten
Studie zeigt: Sondervermögen lässt in zwei Szenarien BIP wachsen, doch der Potenzialeffekt bleibt aus
Die Studienautoren Michelsen und Fichtner berechnen die 500 Milliarden Euro für Infrastruktur wie folgt: 340 Milliarden Euro fließen in klassische Infrastruktur, 120 Milliarden Euro in den Wohnungsbau und 40 Milliarden Euro in Ausstattungen wie Fahrzeuge. In zwei Szenarien ermitteln sie, wie die deutsche Wirtschaft von den Investitionen profitieren könnte. In beiden Fällen bleibt eine langfristige Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) jedoch aus oder es steigt nur leicht.
Im ersten Szenario gehen sie davon aus, dass ab 2026 vier Milliarden Euro aus dem Sondervermögen fließen und bis 2035 insgesamt 94 Milliarden Euro investiert werden. Diese Investitionen sorgen für mehr Aufträge bei Unternehmen und steigern den Konsum durch höhere Löhne. Nach zehn Jahren wird die Wirtschaftsleistung um 900 Milliarden Euro stärker ausfallen als ohne Sondervermögen. Mehr als 500 Milliarden Euro davon kommen durch zusätzliche Unternehmensinvestitionen, etwa 400 Milliarden Euro durch zusätzlichen Konsum. Laut der Studie bringt jeder investierte Euro 1,79 Euro an zusätzlicher Wirtschaftsleistung. Die Inflation bleibt dabei begrenzt. Das reale BIP steigt nach zehn Jahren um rund 180 Milliarden Euro, was 2.161,27 Euro pro Kopf der Bevölkerung entspricht.
Im zweiten Szenario erfolgt die Finanzierung schneller als im ersten. Die Studienautoren gehen davon aus, dass ab 2026 jährlich 50 Milliarden Euro für zehn Jahre investiert werden. Dies führt zu einer Wirtschaftsleistung, die um 1.108 Milliarden Euro höher ausfällt als ohne das Sondervermögen. Allerdings wird in diesem Fall die Inflationsrate stärker ansteigen, und zwar um 0,7 Prozentpunkte, da deutlich mehr investiert wird. Dies könnte dazu führen, dass die Inflation und die damit verbundenen Zinsen das Wirtschaftswachstum stärker bremsen würden als im ersten Szenario. Insgesamt fällt das Wirtschaftswachstum jedoch etwas höher aus, und zwar liegt das BIP um 188 Milliarden Euro höher als ohne Sondervermögen – das entspricht einer Steigerung von 2253,91 Euro pro Kopf.
Kritik an Sondervermögen – Wirtschaftsweise fordert mehr nachhaltige Reformen
Dennoch gibt es viel Kritik an den geplanten Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und Verteidigung der Union und SPD. Unter anderem kritisiert die Wirtschaftsweise Veronika Grimm das Vorhaben und betont, dass Reformen in vielen anderen Bereichen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. „Der Reformdruck wird massiv sinken“, sagt sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur und bezeichnet es als „extrem riskante Wette“. Zum Wachstum wird es kommen, bestätigt sie, aber nicht nachhaltig. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bestätigt, dass 150 Milliarden Euro bereits 2026 durch die Ausnahme von der Schuldenbremse zusätzlich investiert werden könnten, wodurch das BIP um 5,4 Prozent höher ausfällt; danach geht es jedoch wieder zurück.
Besonders in Bezug auf das Investitionspaket für Verteidigungsausgaben kritisiert Grimm gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Einen großen Teil des Geldes werden wir dann für Waffenimporte ausgeben, was das Wachstum andernorts ankurbelt, aber nicht bei uns.“ Sie plädiert für den Aufbau einer eigenen Waffenindustrie im Hightech-Bereich, also insgesamt für mehr nachhaltige Reformen.
Beschluss zu Sondervermögen und Reform der Schuldenbremse steht aus
Die Einführung des Sondervermögens sowie das teilweise Aussetzen der Schuldenbremse zur Finanzierung von Verteidigungsausgaben stehen beide noch vor einem Beschluss im Bundestag. In beiden Fällen handelt es sich um eine Gesetzesänderung, die die Mehrheit der Stimmen benötigt. Wird dieser Beschluss noch vor dem 25. März gefasst, müssen die Grünen und die FDP entscheiden, ob sie dem Antrag zustimmen. Nach diesem Termin liegt es an der AfD und den Linken.
Rubriklistenbild: © Kay Nietfeld/dpa
