„Öffentlich geförderte Jobs“

Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger nach der Wahl? Scholz kommt Merz entgegen

  • VonMax Schäfer
    schließen

Olaf Scholz plant, „Totalverweigerern“ im Bürgergeld staatlich geförderte Jobs anzubieten – und warnt vor harten Sanktionen. Das ähnelt der Arbeitspflicht von Wahlsieger Merz.

Berlin – Die Union geht als stärkste Partei aus der Bundestagswahl hervor. Damit rückt die Abschaffung des Bürgergelds in der bisherigen Form näher. Denn das war das erklärte Ziel von CDU und CSU. An dessen Stelle soll die „Neue Grundsicherung“ rücken. Die sogenannten „Totalverweigerer“ sollen härter sanktioniert werden. Der wohl nächste Bundeskanzler Friedrich Merz hatte etwa Leistungskürzungen für 1,8 Millionen Leistungsbezieher angekündigt, die seiner Aussage nach arbeiten könnten, es aber nicht machen. Zudem droht ihnen auch eine Arbeitspflicht.

Für die Grundsicherung-Forderung der Union zur Arbeitspflicht hatte es lange Kritik von den Grünen und der SPD gegeben. Doch im Zuge der Koalitionsverhandlungen könnten die kompromissbereit sein – und den Wahlsiegern von CDU und CSU ein Stück entgegenkommen. Einen ersten Schritt hat es bereits gegeben.

Bürgergeld-Empfängern droht nach der Wahl die Arbeitspflicht: Scholz will „geförderte Jobangebote“

Im TV-Duell mit Friedrich Merz bei Welt TV und Bild hat sich Olaf Scholz jedoch für „öffentlich geförderte Jobangebote“ für Arbeitsverweigerer ausgesprochen. Anlass war die Konfrontation mit dem Fall eines 58-Jährigen, der nach eigenen Angaben seit 20 Jahren Sozialleistungen beziehe und keine Ausbildung vorweisen könne und sich nun mit dem Bürgergeld arrangiert habe und nicht „irgendeinen Job machen“ wolle, „bloß um zu arbeiten zu gehen“.

Wahlsieger Friedrich Merz und die CDU fordern eine Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger. Olaf Scholz war kurz vor der Wahl einen Schritt auf die Union zugegangen. (Montage)

Bei diesen Angeboten müsse das Jobcenter laut Scholz sagen können: „Mein Freund, da gehst du morgen früh hin, und zwar um sieben Uhr.“ Wenn er sich weigere, gebe es Leistungskürzungen, erklärte der SPD-Kanzlerkandidat. Das Bundesverfassungsgericht schreibe eine Leistungshöhe vor. Konkret hatten die Karlsruher Richter im November 2019 Sanktionen von über 30 Prozent auf den Regelsatz als unvereinbar mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum erklärt. Daher gibt es rechtliche Zweifel an den CDU-Plänen.

Scholz für „harte Sanktionen“ im Bürgergeld – Baerbock will Druck auf „Totalverweigerer“

„Aber wir müssen natürlich mit harten Sanktionen dafür Sorge tragen, dass Leute, die konkret mögliche Beschäftigung ablehnen, dann auch von uns angegangen werden können“, sagte Scholz bei Welt TV. Bereits zuvor hatte sich der SPD-Politiker bei einem Wahlforum der Märkischen Allgemeinen Zeitung offen für härtere Sanktionen gezeigt und für „kurzfristige Arbeitsangebote“ ausgesprochen. Auch Grünen-Politikerin Annalena Baerbock, die im selben Wahlkreis kandidiert, hatte erklärt, „Totalverweigerern müsste deutlich gemacht werden, dass das keine dauerhafte Durchfinanzierung ist“.

Rhetorisch nähern sich Grüne und SPD damit dem Union-Fokus auf die „Totalverweigerer“ an – und deren Forderung einer Arbeitspflicht im Bürgergeld. Auch daran gibt es Kritik. „Scholz und Baerbock machen gleichermaßen vor Merz Männchen“, kritisierte Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei e.V., der sich für die Interessen von Leistungsbeziehern einsetzt, die Aussagen gegenüber IPPEN.MEDIA. „Ich würde gerne all diesen Leuten klarmachen, dass auch Menschen ohne Aktiendepot ein Recht auf freie Berufswahl haben.“ Steinhaus verwies dabei auf die geringe Zahl an „Totalverweigerern“. Zwischen November 2023 und Oktober 2024 wurden lediglich 19.000 Sanktionen ausgesprochen.

Scholz lässt Ausgestaltung der geförderten Jobangebote für Bürgergeld-Empfänger nach der Wahl offen

Wie die geförderten Jobangebote konkret aussehen sollen, erklärte Scholz im TV-Duell mit Merz nicht. „Jede Bürgerin und jeder Bürger hat das Recht auf Arbeit. Deshalb soll jeder Bürgergeldbezieher ein passendes Angebot erhalten“, erklärte ein SPD-Sprecher auf IPPEN.MEDIA-Nachfrage zur Ausgestaltung.

„Neben Weiterbildung hat sich besonders das Instrument des sozialen Arbeitsmarktes sehr bewährt.“ Letzteres sind geförderte Stellen für Langzeitarbeitslose, bei welchen Jobcenter einen Teil des Gehalts übernehmen und den Teilnehmern zum Teil Coachings anbieten. In den vergangenen Jahren wurden die Instrumente jedoch weniger eingesetzt – weil das Geld fehlte.

SPD hält wenig von Arbeitsgelegenheiten als Instrument der Arbeitspflicht

Die CDU ließ bisher offen, wie konkret die Arbeitspflicht im Bürgergeld umgesetzt wird. Beim bisherigen Beispiel Schwerin soll das im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten – umgangssprachlich Ein-Euro-Jobs – erfolgen. Davon hält die SPD wenig. Die Möglichkeit sei zwar weiter im Sozialgesetzbuch vorgesehen, erklärte der Sprecher. Sie sei jedoch „weniger nachhaltig“ und „im Verhältnis zum Nutzen“ teuer. „Dies spricht eindeutig gegen einen massenhaften Einsatz.“

An dem „Prinzip des Forderns“ wollen die Sozialdemokraten jedoch festhalten. „Das Bürgergeld ist eine steuerfinanzierte Grundsicherung und kein bedingungsloses Grundeinkommen. Deswegen wird zu Recht Mitwirkung eingefordert“, erklärte der Sprecher. Er verwies dabei auf Sanktionsmöglichkeiten, „die auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neu geregelt wurden“. Die Ampel-Koalition hatte etwa im vergangenen Frühjahr die komplette Streichung des Bürgergelds bei zwei abgelehnten Jobangeboten innerhalb eines Jahres ermöglicht.

Rubriklistenbild: © photothek/Imago/Kay Nietfeld/dpa