Steuerbelastung durch Inflation

Mehr Gehalt, doch weniger Geld: Die Belastung des Steuerzahlers durch die kalte Progression

  • Ulrike Hagen
    VonUlrike Hagen
    schließen

Die frühere Ampel-Regierung hat ein Steuerpaket versprochen, das eine Entlastung bei der Kalten Progression vorsieht - doch wie stark hat der Verlust an Reallohn den Steuerzahler tatsächlich getroffen?

München – Nach der Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und dem folgenden Bruch der Ampel-Koalition fürchteten viele, dass die geplanten Steuererleichterungen gegen die kalte Progression fallen gelassen werden. Doch SPD, Grüne und FDP einigten sich doch noch auf ein umfassendes Steuerpaket, das ab 2025 die sogenannte kalte Progression kompensieren soll. Doch wie stark belastet dieses Phänomen überhaupt den Steuerzahler?

Der Reallohnverlust durch die Inflation ist groß. Doch wie stark hat das Phänomen der Kalten Progression wirklich den Steuerzahler belastet? (Archivbild)

Kalte Progression – die Steuerbelastung durch Inflation

Mit dem starken Anstieg der Inflation im Jahr 2022 rückte die kalte Progression nach langer Zeit zurück in den Fokus. Damals hatten sich die Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges sprunghaft verteuert, in der Folge war die Inflationsrate hierzulande bis auf fast neun Prozent geklettert. Steuerzahlende wurden in diesem Jahr mit 10,9 Milliarden Euro belastet, so Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo). 

Dieser „versteckte“ Steueranstieg entsteht durch das Zusammenspiel von Inflation und einem progressiven Steuersystem. Die Folge: Unter dem Strich haben Haushalte weniger Nettoeinkommen zur Verfügung. In Deutschland werden höhere Einkommen stärker, also „progressiv“ besteuert. Werden Löhne lediglich an die Inflation angepasst, kann dies dazu führen, dass Steuerzahler in höhere Steuerstufen rutschen, obwohl ihre reale Kaufkraft unverändert bleibt. Unter dem Strich werden also Gehaltserhöhungen „aufgefressen“, Erwerbstätige haben also netto weniger vom brutto in der Tasche.

Steuererklärung 2024: Welche Kosten lassen sich absetzen?

Es ist ein Laptop und eine Tasse Kaffee zu sehen.
Das Finanzamt berücksichtigt im Jahr 2024 von sich aus als Werbungskosten einen Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.230 Euro – ganz ohne Nachweise, wie Finanztip.de informierte. © Johner Images/Imago
Es sind Geldscheine und ein Autoschlüssel zu sehen.
Die Pendlerpauschale zum Beispiel fällt in der Steuererklärung unter die Werbungskosten. Arbeitnehmer sollten bei den Werbungskosten der Anlage N die korrekte Entfernung von der eigenen Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte angeben – egal, ob sie mit dem Auto, dem ÖPNV, dem Fahrrad oder zu Fuß zur Arbeit kommen. Für den einfachen Arbeitsweg berücksichtigt das Finanzamt die sogenannte Entfernungspauschale von 30 Cent je Kilometer. Ab dem 21. Kilometer gibt es sogar 38 Cent je Kilometer, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtete. (Symbolbild)  © Zoonar/Imago
Ein Mann und eine Frau arbeiten an einem Laptop.
Eine rückwirkende Steuererleichterung hat der Bundesrat Ende November 2024 bewilligt: Der sogenannte Grundfreibetrag – sprich der Teil des Einkommens, der nicht besteuert wird – wurde zum 1. Januar 2024 um 180 Euro auf nun 11.784 Euro für Alleinstehende angehoben, wie die Vereinigte Lohnsteuerhilfe informierte. Für zusammenveranlagte Ehepaare gilt genau der doppelte Betrag von 23.568 Euro. (Symbolbild)  © HalfPoint Images/Imago
Ein Mann arbeitet an einem Laptop.
Wer seine Tätigkeit ganz oder teilweise in den eigenen vier Wänden verrichtet, kann für bis zu 210 Tage im Jahr die Homeoffice-Pauschale von sechs Euro pro Tag geltend machen, erinnerte die Deutsche Presse-Agentur. Beschäftigte können die Angaben dazu in der Anlage N der Steuererklärung machen. (Symbolbild) © Johner Images/Imago
Es ist eine Mutter mit ihren zwei Kindern zu sehen.
Für das Steuerjahr 2024 beläuft sich der Kinderfreibetrag auf 6.612 Euro, beziehungsweise 3.306 Euro pro Elternteil, wie die Vereinigte Lohnsteuerhilfe informierte. Dazu kommt der Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf (BEA) in Höhe von 2.928 Euro, beziehungsweise 1.464 Euro pro Elternteil. „Somit wirken sich insgesamt 9.540 Euro steuermindernd bei der Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2024 aus“, hieß es. Hinweis: Der Kinderfreibetrag wurde Ende November 2024 rückwirkend auf 6.612 Euro für 2024 erhöht. Zuvor lag er für 2024 bei 6.384 Euro, erklärt die Vereinigte Lohnsteuerhilfe. (Symbolbild) © Monkeybusiness/Imago
Hand an einem Rasenmäher im Gras
Wer sich mit der Einkommensteuererklärung beschäftigt, sollte auch an die sogenannten haushaltsnahen Dienstleistungen denken. „Wenn jemand für Sie Arbeiten in Ihrem privaten Haushalt erledigt, dann können Sie die dazugehörigen Rechnungen in Ihre Steuererklärung eintragen“, informierte die VLH (Stand: 29. Februar 2024). „Es gilt dabei aber eine Maximalsumme von 20.000 Euro. Das Finanzamt berechnet davon 20 Prozent, sodass Sie am Ende maximal 4.000 Euro im Jahr steuerlich als haushaltsnahe Dienstleistungen geltend machen können.“ (Symbolbild)  © Fotosearch LBRF ocskaymark/agefotostock/Imago
Haushaltshilfe wischt mit einem Tuch über eine Arbeitsplatte in einer Küche.
Zudem können geringfügig angestellte Beschäftigte, die im Haushalt tätig werden, die Steuerlast ebenfalls senken. Hier berücksichtigen die Finanzämter 20 Prozent der Ausgaben, jedoch höchstens 510 Euro pro Jahr, wie die Deutsche Presse-Agentur zum Thema berichtete. (Symbolbild) © Zoonar.com/gopixa/Imago
Jemand bewegt etwas mit einem Küchenhandschuh an einer Dunstabzugshaube.
Daheim muss etwas repariert oder erneuert werden? Für manche Arbeiten beauftragen Wohnungsbesitzer einen Handwerker – zum Beispiel, wenn Renovierungs-, Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen in den eigenen vier Wänden erledigt werden müssen. Hier sind ebenfalls 20 Prozent der Arbeits- und Fahrtkosten absetzbar, der Höchstbetrag ist jedoch schon bei 1.200 Euro erreicht. Die Aufwendungen gehören ebenfalls in die Anlage „Haushaltsnahe Aufwendungen“. (Symbolbild)  © gmstockstudio/Panthermedia/Imago
Holzleiter in Raum bei Malerarbeiten beim Hausbau
Bei Maßnahmen zur Wärmedämmung, Fenster-, Türen- oder beispielsweise einem Heizungstausch könnten Eigenheimbesitzer „nicht nur Arbeitskosten in der Steuererklärung geltend machen, sondern auch die Materialkosten“, informierte die Lohnsteuerhilfe Bayern zudem. „Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber den normalen Handwerkerleistungen. Bis zu einer gesamten Investitionssumme von 200.000 Euro können 20 Prozent als steuerliche Förderung über drei Jahre verteilt eingeheimst werden.“ Die Voraussetzung sei hier, „dass ein Fachbetrieb die Sanierungsmaßnahmen übernimmt und eine spezielle Bescheinigung erstellt, dass die energetischen Mindestanforderungen erfüllt sind“. (Symbolbild) © Zoonar.com/Robert Kneschke/Imago
Frau am Schreibtisch mit Teetasse und Laptop
Bei den Gesundheitskosten kommen übers Jahr verteilt schnell mal größere Summen zusammen. Einen Teil müssen Steuerzahler selbst tragen. Doch bestimmte Kosten lassen sich als „außergewöhnliche Belastungen“ in der Steuererklärung angeben. Mussten Steuerzahler in einem Jahr besonders viele Krankheitskosten selbst tragen, kann sich das gegebenenfalls steuermindernd auswirken, so der Hinweis. (Symbolbild)  ©  Westend61/Imago

Kalte Progression: Inflation und progressive Steuern „fressen“ Lohnerhöhungen

Die Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. hat dazu eine Beispielrechnung aufgemacht: Ein Single in Steuerklasse I verdient im Jahr 2023 verdient zunächst 3.500 Euro brutto im Monat, und erhält eine Gehaltserhöhung von drei Prozent, also 105 Euro mehr brutto. Allerdings bleiben netto von den 105 Euro nur 57,43 Euro übrig. Denn mit 3.605 Euro Einkommen rutscht der Arbeitnehmende in einen höheren Steuersatz – von 14,55 Prozent auf 14,9 Prozent. Die Steuerbelastung wächst prozentual stärker als das Bruttoeinkommen. Zieht man auch noch die Inflationsrate heran, erhält er oder sie nach der Gehaltserhöhung weniger Geld als vorher.

Steuern absetzen - die Checkliste

Laden Sie sich HIER die Checkliste für die Steuererklärung kostenlos in der PDF-Bibliothek herunter.

Die kalte Progression betrifft jedoch nicht nur Menschen mit Gehaltserhöhungen. Sie hat auch eine gesellschaftliche Dimension: Ein progressives Steuersystem, das eigentlich Einkommensschwankungen abfedern und soziale Gerechtigkeit fördern soll, bewirkt Gegenteiliges. Denn durch die kalte Progression steigt die Steuerlast schneller, als es dem realen Einkommenszuwachs entspricht.

Abbau der kalten Progression – Steuerpaket 2025 entlastet nur wenige Steuerzahlende

Die meisten Arbeitnehmer haben auch 2025 weniger Geld in der Tasche als zuvor, so Berechnungen des ifo Instituts: Unterm Strich zahlt ein Single mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 100.000 Euro auf das Jahr gerechnet 863 Euro mehr Steuern und Abgaben, eine Familie mit zwei Kindern und 130.000 Euro gemeinsamem Einkommen 731 Euro mehr. Alleinerziehende mit einem Jahresbruttoeinkommen von 70.000 Euro haben 568 Euro weniger in der Tasche.

Zwar hat die Bundesregierung der Ex-Ampel-Koalition sich bemüht, die Progression durch das Steuerpaket auszugleichen, doch selbst mit diesen Maßnahmen bleibt für die meisten eine Mehrbelastung bestehen – vor allem für Familien und Alleinerziehende. IW-Steuerexperte Martin Beznoska: „Die Bundesregierung sollte dringend die Mehrbelastungen der kalten Progression ausgleichen und auch einkommensschwache Haushalte entlasten. Dafür wäre das versprochene Klimageld der richtige Weg.“ 

Rubriklistenbild: © Imago/Sven Simon

Mehr zum Thema