Steuerentlastungen vor dem Aus

Entlastungen bei der Steuer, mehr Kindergeld: Diese Ampel-Pläne stehen vor dem Aus

  • VonMax Schäfer
    schließen

Die Ampel hatte Entlastungen bei der Steuer und mehr Kindergeld geplant. Wie viele weitere Vorhaben stehen sie auf der Kippe. Was sind die Folgen?

Berlin – Die Ampel-Koalition ist nur noch eine Fußgängerampel: Aus dem Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP ist durch den Bruch eine rot-grüne Minderheitsregierung geworden. Zahlreiche Projekte stehen damit vor dem Aus, weil ihnen die Mehrheit im Bundestag fehlt. Darunter sind zahlreiche Pläne, die direkten Einfluss auf den Geldbeutel der Deutschen haben, sei es über Steuern, Sozialabgaben oder Renten.

Als ein zentraler Plan steht das Steuerpaket des früheren Finanzministers Christian Lindner (FDP) auf der Kippe. Kernstücke sollten der Abbau der „kalten Progression“ sowie die Anhebung der Steuerfreibeträge sein. Die Maßnahmen, die bestimmen, wie viel Netto den Erwerbstätigen von ihrem Bruttolohn bleibt, ist nun Spielball der parteipolitischen Erwägungen der Fußgängerampel aus SPD und Grünen sowie der FDP und Union, die Mehrheitsgeber sein könnten.

Ende der Ampel trifft Geldbeutel der Deutschen: Steuerentlastungen werden zum politischen Spielball

Die Union hat bereits mehrfach deutlich gemacht, vor der Vertrauensfrage und der Neuwahl nicht Mehrheitsbeschaffer für Ampel-Projekte sein zu wollen. Laut einem Bild-Bericht wollen CDU und CSU die Steuerentlastung durchsetzen, wenn sie selbst mit Friedrich Merz als Bundeskanzler regieren. Geplant ist, diese dann rückwirkend für Januar 2025 zu beschließen. Die SPD drängt dagegen auf eine Verabschiedung im Dezember, die Unterstützung der FDP ist jedoch unsicher.

Druck kommt beim Steuerpaket vom Bund der Steuerzahler. Bei den Sozialversicherung drohen den Arbeitnehmern eine „Rekordmehrbelastung“, warnte dessen Präsident Reiner Holznagel in der Bild. „Umso wichtiger sind jetzt die versprochenen Entlastungen bei der Einkommensteuer.“ Sie dürften nicht dem „Ampelkrach“ zum Opfer fallen. „Wir brauchen den Abbau der kalten Progression im nächsten Jahr dringender denn je“, sagte Holznagel.

Durch das Ende der Ampel-Koalition unter Kanzler Scholz ist auch die Entlastung der Arbeitnehmer bei der kalten Progression bedroht. (Montage)

Sollte es keine Einigung über die Steuerpläne der Ampel geben, muss die nächste Bundesregierung die Steuerfreibeträge anpassen. Das gesetzliche Existenzminimum darf nicht besteuert werden, weshalb laut den Plänen von Christian Lindner der Freibetrag um 312 Euro auf 12.069 Euro ansteigen sollte. Beim Abbau der kalten Progression dagegen, also dem Entgegenwirken der Reallohnverluste durch eine höhere Steuerklasse nach einer Gehaltserhöhung, hat die Regierung mehr Handlungsspielraum.

Kindergeld-Erhöhung steht durch Ampel-Ende auf der Kippe

Als weiteres Ampel-Projekt steht die Kindergeld-Reform vor dem Aus. Dass die Kindergrundsicherung, die Leistungen bündeln sollte, nicht mehr kommt, war bereits vor dem Koalitionsbruch klar. Doch eigentlich sollte das Kindergeld ab Januar um fünf Euro auf 255 Euro pro Monat steigen. Auf ein Jahr gerechnet hätten Familien damit 60 Euro mehr gehabt. Für Kinder in vom Bürgergeld abhängigen Haushalten sollte der Kindersofortzuschlag ebenfalls um fünf Euro steigen.

Eine Unterstützung der FDP ist unsicher. Bei der Union gilt auch hier, dass diese nicht Mehrheitsbeschaffer für Kanzler Olaf Scholz sein möchte. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will das Kindergeld jedoch gemeinsam mit dem Steuerpaket verhandeln. „Wenn jetzt überparteilich im Bundestag über den Abbau der kalten Progression beraten wird, dann bitte inklusive mehr Kindergeld und Kinderzuschlag“, sagte sie der Bild.

Beiträge der Krankenkassen steigen – laut Lauterbach drohen weitere Erhöhungen wegen Ampel-Aus

Weniger Netto vom Brutto haben Arbeitnehmer 2025 auch durch die gesetzliche Krankenversicherung. Im kommenden Jahr müssen sie höhere Krankenkassenbeiträge zahlen. Zusätzlich zum einheitlichen Beitragssatz von 14,6 Prozent soll der durchschnittliche Zusatzbeitrag laut Schätzerkreis auf 2,5 Prozent steigen. Im Schnitt läge der Beitragssatz bei 17,1 statt bisher 16,3 Prozent. Dieser muss zur Hälfte vom Arbeitnehmer gezahlt werden. Wie stark die Beiträge tatsächlich steigen, hängt jedoch von der individuellen Versicherung ab. Doch ein Experte rechnen mit kräftigen Erhöhungen durch die Krankenkassen. Die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge würde für Beschäftigte mit einem Bruttogehalt von 3000 Euro im Monat eine Steigerung von zwölf Euro monatlich bedeuten. Im Jahr wären das 144 Euro zusätzlich.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnt jedoch vor weiter steigenden Beiträgen, wenn seine Reformen nicht verabschiedet werden. „Ohne Strukturreformen würden die Beitragssätze weiter stetig ansteigen. Mit den Digitalgesetzen und der Krankenhausreform sind die beiden wichtigsten Strukturreformen für stabile Beitragssätze gelungen“, sagte der SPD-Politiker der Bild.

Eine weitere Belastung für Arbeitnehmer durch Sozialabgaben ist auch die Erhöhung der Beiträge für die Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte. „Für die Pflege ist das Ampel-Aus eine Katastrophe. Die von Minister Lauterbach angekündigte Pflegereform mit Begrenzung der Pflegekosten im Heim sowie die Aufwertung der Pflegekräfte im Pflegekompetenzgesetz bleibt aus“, sagte AK-Chef Andreas Storm.

Renten steigen trotz Ampel-Aus, aber Rentenniveau könnte schon bald fallen

Unabhängig vom Ampel-Aus ist die Erhöhung der Renten im Juli 2025. Diese orientiert sich an der Entwicklung der Reallöhne und ist gesetzlich festgelegt. Für Rentner soll es 3,5 Prozent mehr geben, die tatsächliche Erhöhung könnte laut Deutscher Rentenversicherung jedoch höher ausfallen.

Rentner sind jedoch vom Aus der Rentenreform betroffen. Dass das Rentenpaket nicht kommen wird, hat auch Hubertus Heil eingestanden. Zentraler Baustein sollte die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus von 48 Prozent sein. Ohne die Maßnahme könnte es bis 2038 auf 45,2 Prozent sinken. Zwar bedeutet das nicht, dass auch die Renten sinken. Allerdings haben die Rentner im Verhältnis zu den Erwerbstätigen dann weniger.

Folgekosten durch fehlendes Geld der Jobcenter bei Hilfe für Bürgergeld-Empfänger drohen

Das Ampel-Aus betrifft zudem Bürgergeld-Empfänger. Die Höhe der Grundsicherung bleibt durch die Nullrunde bei den Regelsätzen zwar gleich und ist als gesetzliche Pflichtleistung auch unabhängig vom Bundeshaushalt. Eine vorläufige Haushaltsführung beeinflusst jedoch die Budgets der Jobcenter. Auslaufende Maßnahmen und Förderungen bei der Vermittlung von Arbeitslosen in Jobs könnten nicht fortgesetzt werden, befürchtet etwa das Bundesnetzwerk für Arbeit und Soziale Teilhabe. Der Verband hatte bereits vor dem Ampel-Aus vor den Folgekosten von Arbeitslosigkeit gewarnt und eine Milliarde Euro zusätzlich als Bedarf gesehen.

Mit dem Ende der Ampel-Koalition fehlt zudem die Mehrheit für die verschärften Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger. Das Kabinett hatte sie beschlossen, der Bundestag müsste jedoch noch zustimmen. Geplant war etwa eine Kürzung des Bürgergelds um 30 Prozent bei verpassten Terminen, eine Meldepflicht in den Jobcentern sowie größere Anforderungen bei zumutbaren Jobs. Vom Tisch sind diese oder ähnliche Maßnahmen jedoch nicht. Nach einer Neuwahl will die CDU mit der neuen Grundsicherung härtere Regeln für das bisherige Bürgergeld einführen.

Rubriklistenbild: © Daniel Karmann/Michael Kappeler/dpa