„Tag wird in die Geschichte eingehen“
„Giftliste“ gegen Trumps Zölle: EU will zurückschlagen – lässt aber ein Schlupfloch
VonBona Hyunschließen
Die EU kündigt Reaktionen auf Trumps neue Zölle an. Sie will mit Maßnahmen kontern, die den US-Präsidenten und die amerikanische Wirtschaft hart treffen könnten.
Brüssel – „Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen“: Mit diesen Worten kündigt US-Präsident Donald Trump weitreichende neue Zölle an. Am Liberation Day (2. April 2025) ließ Trump seine Drohungen wahr werden und hat ein gewaltiges Zoll-Paket auf den Weg gebracht, was auch der EU schaden wird. Doch der Staatenverbund ist offenbar gewappnet.
Trumps neue Zölle verärgern die EU – und befeuern den Handelskrieg
Es ist der bisher aggressivste und folgenschwerste Schritt in der Handelspolitik des US-Präsidenten. Dies dürfte die Weltwirtschaft im erheblichen Maße belasten. Ein Handelskrieg mit der EU scheint nun unausweichlich, schon lange ist die EU dem Präsidenten ein Dorn im Auge. „Sie zocken uns ab. Es ist so traurig, das zu sehen. Es ist so erbärmlich“, sagte Trump mit Blick auf die Europäer.
Der Republikaner hatte den Tag der Verkündung vorab als „Tag der Befreiung“ angepriesen und die Verhängung wechselseitiger Zölle angekündigt. Das bedeutet im Prinzip, dass die USA überall dort ihre Zölle entsprechend im Verhältnis anheben, wo sie derzeit weniger verlangen als ihre Handelspartner. Nun will er ein höchst komplexes System einführen, das sowohl wechselseitige als auch pauschale Strafabgaben enthält.
Zölle in Höhe von zehn Prozent sollen universell auf Importe aus allen Ländern in die Vereinigten Staaten gelten. Jenseits davon soll es individuelle Strafabgaben geben, die je nach Land variieren. Dabei rücken besonders jene Länder in den Fokus, die aus Sicht der USA besonders hohe Handelsbarrieren für amerikanische Produkte haben. Trump moniert neben Zölle immer wieder andere Handelshemmnisse wie Importvorgaben, Subventionen oder andere Regularien.
Trump verkündet neue Zölle und schadet der Weltwirtschaft – EU will Maßnahmen beschließen
Nach Ankündigung der Zölle kündigte die EU Reaktionen an. EU-Ratspräsident António Costa ruft nach den Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump zu einem Ausbau der Handelsbeziehungen zu anderen Ländern auf. Es sei nun an der Zeit, die geplanten neuen Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur und Mexiko zu ratifizieren, teilte Costa am Rande eines Gipfeltreffens mit Staats- und Regierungschefs zentralasiatischer Staaten in Usbekistan mit. Zudem sollten die Verhandlungen mit Indien und anderen wichtigen Partnern entscheidend vorgetrieben werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kritisierte die neuen Zölle, diese seien ein „schwerer Schlag für die Weltwirtschaft“, sagte von der Leyen am Donnerstag bei einem Besuch in der usbekischen Stadt Samarkand. Die EU wolle aber gesprächsbereit bleiben. „Wir finalisieren bereits das erste Maßnahmenpaket als Reaktion auf die Stahlzölle und bereiten nun weitere Maßnahmen vor, um unsere Interessen und Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern“, führte von der Leyen aus.
Man werde auch genau beobachten, welche indirekten Auswirkungen die Zölle haben könnten. Es sei noch nicht zu spät für Verhandlungen. Von der Leyen appellierte an die US-Seite, sich auf Gespräche einzulassen. Ziel müsse es sein, Handelshemmnisse abzubauen und nicht, sie zu erhöhen.
EU will auf Trumps Zölle reagieren – Giftliste gegen US-Produkte
Die EU hatte bereits Mitte März Gegenzölle auf US-Produkte verkündet. In einem ersten Schritt sollen Produkte wie Bourbon-Whiskey, Spielkonsolen, Motorräder, Boote und Erdnussbutter betroffen sein. Die Höhe der Zusatzzölle soll zum Teil bei 50 Prozent liegen – so zum Beispiel für in den USA gebaute Motorräder des Herstellers Harley-Davidson und Jack-Daniel‘s-Whiskey. Die geplante Wiedereinführung von Vergeltungszöllen auf US-Waren im Milliardenwert soll nach Angaben der zuständigen Europäischen Kommission statt Anfang erst Mitte April erfolgen.
Weitere Gegenmaßnahmen sind dann nach Abstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten für Mitte April geplant. Sie sollen Unternehmen treffen, die amerikanische Agrarprodukte wie Geflügel, Rindfleisch, bestimmte Meeresfrüchte, Nüsse, Eier, Milchprodukte, Zucker und Gemüse in die EU verkaufen. Zudem soll es auch EU-Extrazölle auf weitere Industrieprodukte wie Stahl- und Aluminiumprodukte, Textilien, Lederwaren, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Kunststoffe und Holzprodukte geben. Auch Kanada reagiert im Handelskonflikt mit Washington mit Gegenzöllen auf neue US-Zölle.
Wirtschaftsvertreter mahnten Augenmaß bei den Reaktionen an. Gegenmaßnahmen müssten mit Bedacht und strategischem Weitblick gewählt werden, um den Schaden für unsere eigene Wirtschaft in Grenzen zu halten, kommentierte Volker Treier von der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Zölle und Gegenzölle dürften nicht in einer Spirale münden – in Handelskriegen gebe es nur Verlierer.
Wirtschaftliche Atombombe gegen Trumps Zölle?
Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses der EU, brachte zudem ein EU-Instrument als Reaktion auf Trumps Zölle ins Rennen, die „Atombombe in der Wirtschaft“ genannt wird. Gegenüber der Zeit betonte er, dass dies eine Waffe sei, die man besser nicht einsetzen sollte, aber für alle Fälle bereithalten kann.
Die Rede ist von dem Anti-Coercion Instrument (ACI), zu Deutsch: das Instrument zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen. Sie ist seit Dezember 2023 in Kraft und ermöglicht es der EU, den Handel mit einem Drittstaat, der Europa bedroht, komplett einzustellen. Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, die den Handel oder Investitionen beeinträchtigen. (bohy mit Material der dpa)
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