Sofortprogramm gefordert

Krankenkassen vor Insolvenz: Beitragssteigerungen noch 2025 – „Kein Spielraum mehr“

  • Bona Hyun
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Die Krankenkassen stehen vor einer Insolvenzkrise, warnt der Chef der DAK. Zusätzlich könnten die Beiträge 2025 angehoben werden. Die Industrie ist in Alarmbereitschaft.

Berlin – Millionen Beitragszahler ächzen unter den hohen Krankenkassenbeiträgen. Und eine Aussicht auf Besserung gibt es offenbar nicht – im Gegenteil. Der DAK-Chef Andreas Storm warnt vor einem Kosten-Knall bei den gesetzlichen Krankenkassen. Diese könnten die Beiträge noch mehr erhöhen – und am Rande einer Insolvenz stehen.

Krankenkassen am Rande der Insolvenz – höhere Krankenkassenbeiträge noch 2025?

Die Finanzlage der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sei „desaströs“, sagte Storm im Gespräch mit der Bild. Die Reserven seien fast vollständig aufgebraucht. „Die neu gewählte Bundesregierung muss kurzfristig einen Kassensturz machen, um die Dringlichkeit und die Dimension der Finanzprobleme zu erkennen.“

Storm schlug einen Gesundheits- und Pflegegipfel vor, der innerhalb der kommenden zwei Monate im Kanzleramt stattfinden soll. Daran sollten der Bundeskanzler, der Gesundheitsminister und Kassenvertreter teilnehmen. Die Kassen benötigten ein „Sofortprogramm“, sagte der DAK-Chef. „Kurzfristig muss es einen Einstieg für einen höheren Bundeszuschuss geben und die verfassungswidrige Finanzierung der Krankenhausreform durch die Kassen gestoppt werden.“

Die meisten Versicherten bekamen schon im Januar die gestiegenen Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung zu spüren. Ab März betrifft dies nun auch Rentner.

Krankenkassen könnte Insolvenz drohen – DAK-Chef warnt vor weiteren Erhöhungen der Beiträge

Er erinnerte zudem daran, dass die Pflegeversicherung einen Anspruch auf Rückzahlung von Corona-Ausgaben in Höhe von rund sechs Milliarden Euro habe. Storm warnte, wenn nichts passiere, drohten schon in den nächsten Monaten weitere Beitragserhöhungen einiger Krankenkassen. Nach einem Anstieg der Zusatzbeiträge liegt der Satz aktuell bei 17,5 Prozent. Auch die Beiträge zur Pflegeversicherung stiegen in diesem Jahr an und trieben die Lohnnebenkosten. 

Vor einigen Tagen hatte Storm bereits vor einem Domino-Effekt der Zahlungsunfähigkeit vieler Krankenkassen gewarnt. Wenn „ein halbes Dutzend Krankenkassen mit deutlich über einer Million Versicherten“ in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, könnte das gesamte System in Gefahr geraten, warnte Storm in der Ärzte Zeitung jüngst. „Es gibt fast keinen Spielraum mehr. Wenn sich die Lage weiter verschlechtert, ist ein Teil der Kassenlandschaft am Rande der Insolvenz“, so Storm. Aktuell reichten die Reserven, um Ausgaben für etwa 2,5 Tage zu decken, sagte Storm weiter.

Nicht nur Storm warnt vor hohen Beiträgen. Auch der TK-Chef Jens Baas erwartet in den nächsten Jahrzehnten eine Erhöhung bis auf 20 Prozent, wenn keine Reformen kommen. Das sagte er Mitte Januar 2025 im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er sei nicht optimistisch, dass es zu grundlegenden Reformen im Gesundheitssystem komme. „Die Politik will das nicht ändern, notwendige Umverteilungen oder Reformen sind eben alles andere als bequem“, sagte der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse. 

Insolvenzwelle bei Krankenkassen – Branche fordert Reformen aus Sorge

Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wackelt schon länger. Eine von der Ex-Ampel beschlossene Reform soll schrittweise bis 2029 umgesetzt werden. Sie soll den finanziellen Druck auf die Kliniken mindern und mehr Spezialisierung durchsetzen. Grundlage der Abrechnungen mit den Kassen sollen neue „Leistungsgruppen“ sein. Sie sollen Behandlungen genauer beschreiben und einheitliche Vorgaben etwa bei Behandlungserfahrung und Personal durchsetzen. Das Netz der 1.700 Kliniken dürfte damit kleiner werden.

Die zehn häufigsten Krankheiten in Deutschland

Eine kranke Frau schnäuzt sich die Nase
Atmungssystem Seit der Corona-Pandemie ein verstärkter Faktor: Erkrankungen der Atemwege, dazu zählen auch Erkältungen, Grippe aber auch chronische Atemwegserkrankungen machen laut einer Studie der DAK von 2022 32,6 % der Krankheitsfälle der Versicherten aus. Insgesamt waren Atemwegserkrankungen für 19,9 % der Fehltage verantwortlich.  © Svetlana Karner/Imago
Person mit Beinmuskelschmerzen
Muskel-Skelett-System Zu Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems gehören Erkrankungen der Wirbelsäule wie etwa ein Bandscheibenvorfall oder Muskel- und Sehnen-Leiden. An Erkrankungen dieser Art leiden jährlich etwa 11,6 % aller Erwerbstätigen. Muskel-Skelett-Leiden waren für 17,7% der Krankheitstage der DAK-Versicherten verantwortlich.  © Isai Hernandez/Imago
Junge Frau, der es nicht gut geht
Äußere Ursachen und Faktoren 2022 blieben 10,8 % der Erwerbstätigen wegen „äußeren Ursachen und Faktoren“ zu Hause. Dazu gehören alle äußeren Umstände, die arbeitsunfähig machen können, laut Apotheken.de etwa Allergien, chemische Reaktionen oder ähnliches. Sie stehen im Gegensatz zu inneren Faktoren, wie etwa genetischen Erkrankungen. Die Gruppe war für 10,8 % der Krankheitstage verantwortlich.  © Josep Suria/Imago
Kranke Frau im Bett
Infektionen Zu Infektionen gehören Virus-Infekte, laut Zdf.de aber auch Darmerkrankungen oder sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV oder Chlamydien. Diese Leiden machen 10,0 % der Erkrankungen aus, sorgen aber nur für 5,2 % der Arbeitsunfähigkeitstage.  © Marina Beilina/Imago
Mann putzt sich die Nase im Bett neben Freund
Unspezifische Symptome Krankmelden, weil es einem „nicht gut geht“. Auch das ist in Ordnung und wurde 2022 in 8,3 % der Fälle als Grund für eine Krankschreibung genutzt. 5,1 % der AU-Tage wurden so begründet.  © Cristina Villar Martin/Imago
Frau hält sich den Magen
Verdauungssystem Zu den Erkrankungen des Verdauungssystems gehören sowohl Magen- oder Darm-Leiden als auch Erkrankungen im Mund. Auch Karies wird hier mit eingerechnet. Diese Leiden sind für 6,2 % der Krankschreibungen von DAK-Versicherten verantwortlich, die damit 3,6 % der Fehltage ausmachen.  © Imago
Junges Mädchen mit verbundenem Arm
Verletzungen und Vergiftungen 5,5 % der Krankheitsfälle 2022 waren auf Verletzungen oder Vergiftungen zurückzuführen. Dazu gehören Verletzungen an den Gelenken, Kopf, Armen und Beinen sowie Verbrennungen und Vergiftungen, etwa durch Drogen oder Lebensmittel. 9,6 % der Krankheitstage waren mit solchen Leiden begründet.  © Imago
Frau mit Depressionen im Düsteren
Psychische Erkrankungen Psychische Erkrankungen sind zwar nur für 4,6 % der Krankheitsfälle verantwortlich, allerdings fallen Betroffene in solchen Fällen oft länger aus. Der Anteil der Fehltage aufgrund von diesen Erkrankungen, zu denen auch Depressionen, Burnout, Essstörungen und Alzheimer gehören, lag 2022 bei 15,1 Prozent.  © Imago
Frau hält sich das schmerzende Ohr
Nervensystem, Augen, Ohren Erkrankungen des Nervensystems, der Ohren und der Augen machen zusammen einen Anteil von 4,1 % der Krankschreibungen aus. Insgesamt fielen Erwerbstätige an 3,6 % der AU-Tage wegen einer solchen Erkrankung aus.  © Imago
Haut Untersuchung Muttermal
Neubildungen Unter den Punkt „Neubildungen“ fasst die DAK 0,9 Prozent der Krankheitsfälle, die 2022 für 3,2 % der Fehltage verantwortlich waren. Dazu gehören laut Gesund.bund.de zum Beispiel Hautneubildungen und andere Erkrankungen, die auf Krebs hindeuten können.  © Anastasiia Yanishevska/Imago
Krankschreibungen für sonstige Erkrankungen
Sonstige 5,3 % der Krankheitsfälle fasst die Krankenkasse in ihrer Studie als „sonstiges“ zusammen. Diese unspezifischen Erkrankungen machten 6,7 % der Fehltage aus.  © Imago

Zur Umsetzung der Reform bereitet Karl Lauterbach (SPD) auch eine Verordnung vor, die Bedingungen für Fördermittel festlegen soll. Aus dem „Transformationsfonds“ sollen von 2026 bis 2035 bis zu 25 Milliarden Euro fließen können – sofern sich Länder in gleicher Höhe an Vorhaben beteiligen. Kommen soll das Geld aus Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen und – entsprechend ihrem Anteil an den Behandlungen – auch von den privaten Krankenversicherungen. Der Bundesrat wird erst in seiner Sitzung am 21. März über die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgelegte Verordnung zum Transformationsfonds abstimmen. Das geht aus der Tagesordnung des Bundesrates für den 14. Februar hervor, auf der die bislang für den Tag vorgesehene Abstimmung nicht auf der Tagesordnung steht.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte vor größeren Finanznöten vieler Standorte und Einschnitten bei der Versorgung. „Die Kliniken schleppen die Folgen der hohen Inflation bis heute mit“, sagte Verbandschef Gerald Gaß im Januar der Augsburger Allgemeinen. Rücklagen der Krankenhausträger seien längst weggeschmolzen, Kreditlinien überschritten. Inzwischen steckten 80 Prozent der Häuser in den roten Zahlen. Daher würden Abteilungen geschlossen, Personal eingespart und Standorte aufgegeben, bevor sie in Insolvenz geraten.

Rubriklistenbild: © Patrick Pleul, dpa

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