Chiphersteller in Schwierigkeiten

Intel meldet massive Verluste: Was bedeutetet das für ein Leuchtturm-Projekt der Ampel?

  • VonMark Simon Wolf
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Der einstige Chip-Gigant Intel vermeldet im dritten Quartal erneut hohe Verluste. Wie bedrohlich ist die finanzielle Notlage des US-Konzerns für ein Lieblingsprojekt der Ampel?

Santa Clara/Magdeburg – Die neue Intel-Chipfabrik in Magdeburg ist nach wie vor ein Prestige-Projekt für die Ampel. Und obwohl der US-amerikanische Halbleiter-Konzern vor wenigen Wochen ankündigte, mit dem Bau erst zwei Jahre später – 2026 – zu starten, ist der Optimismus in der Bundesregierung noch immer ungebrochen. So erklärte Robert Habeck (Grünen) gegenüber dem MDR, dass die Finanzierung des Intel-Werks in Magdeburg voll im Zeitplan sei. Zuversichtlich blicke er auf das Genehmigungsverfahren der EU-Kommission für die rund 10 Milliarden Euro Steuergelder, mit denen der Bund das Vorhaben unterstützt. Aus Sicht eines Bundeswirtschaftsministers erstmal eine logische Aussage.

Doch kommt es überhaupt soweit, dass Intel den Plan im Jahr 2026 in die Realität umsetzt?

Intel schreibt seit Jahren Verluste – und streicht Investitionen: auch in Magdeburg?

Immerhin schreibt der US-Konzern seit längerer Zeit tief rote Zahlen: Im dritten Quartal machte der ehemals größte Chip-Produzent der Welt einen Verlust von satten 16,6 Milliarden Euro. Damit übertraf Intel sogar im negativen Sinne die Prognosen der Analysten und wies zudem den größten Verlust seit der Gründung 1968 auf. Der Umsatz ging zusätzlich um sechs Prozent auf 13,3 Milliarden US-Dollar zurück – setzt somit nahtlos eine Misere fort: Zwischen 2021 und 2023 verlor Intel sogar 30 Prozent seines Umsatzes. CEO Pat Gelsinger rechtfertigte die bescheidenen Zahlen mit den Umstrukturierungsmaßnahmen der vergangenen Monate, die den Konzern wieder wettbewerbsfähig machen sollen. Diese seien mit dem Ende des vergangenen Quartals abgeschlossen. Nun könne es aufwärtsgehen, sollte diese Aussage wohl heißen.

Im Zuge der Sparmaßnahmen strich Intel Investitionspläne zusammen, kündige einen weitreichenden Stellenabbau an und prüfte den Verkauf nicht rentabler Geschäftszweige. Doch reichen die Sparmaßnahmen, um die entlaufene Konkurrenz um Nvidia oder dem jahrzehntelangen Rivalen AMD einzuholen? Erstmals seit 1990er Jahren ist Intel mit weniger als 100 Milliarden US-Dollar bewertet – zum Vergleich: Branchenführer Nvidia steht bei über drei Billionen.

KI-Boom verschlafen und kein Geld für Investitionen: Intel ist längst kein Chip-Krösus mehr

Diese Entwicklung liegt in erster Linie daran, dass Intel den KI-Boom verschlafen hat: Während das Kerngeschäft mit Prozessoren – einem früheren Spezialgebiet von Intel – konstant zurückging, hat das Unternehmen mit Sitz im kalifornischen Santa Clara Schwierigkeiten, mit den hochleistungsfähigen Chips der Konkurrenz mitzuhalten. Und diese werden derzeit von Unternehmen wie Tesla, Apple oder Microsoft im großen Umfang nachgefragt. Die Krux für Intel: Eine technologische Modernisierung – speziell im Halbleiter-Geschäft – kostet Milliarden.

Umso bitterer wirkte zudem ein Bericht der New York Times: Diese zitierten zwei ehemaligen Führungskräfte von Intel, dass der Vorstand interne Überlegungen, den damaligen Branchenzwerg Nvidia für 20 Milliarden US-Dollar zu kaufen, eine Abfuhr erteilte. Einer der zitierten Mitarbeiter sprach rückblickend von einem „schicksalhaften Moment“ für den einstigen Halbleiter-Krösus. Immerhin ist Nvidia inzwischen unangefochtener Chip-König.

Intel-Chipfabrik kommt nur bei guter Auftragslage – scheitert das Vorzeigeprojekt der Ampel?

In den Folgejahren, so will es die Zeitung von weiteren ehemaligen Mitarbeitern erfahren haben, seien ähnliche Chancen ungenutzt geblieben sowie strategische Fehlentscheidungen getroffen worden. Auch weil der Erfolg der PC-Chips, der sogenannten x86-Architektur, jahrelang verlässlich für Gewinne sorgte. Als sich die Anforderungen der Tech-Branche langsam veränderten und die Gewinne bei Intel einbrachen, war es fast schon zu spät, gegenzusteuern. Die schlechten Zahlen sind heute auch die Hauptursache dafür, dass die geplante Chipfabrik in Magdeburg vorerst nicht gebaut werde. Die Investitionsleistung von 30 Milliarden sind für Intel derzeit nicht umsetzbar. Umso größer werden die Fragezeichen hinsichtlich des Baubeginns im Jahr 2026. Gelsinger hat bereits angekündigt, dass die Fabrik nur realisierbar sei, wenn es bis dahin genug Aufträge gäbe.

Intel-CEO Pat Gelsinger und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bei einem Treffen in Magdeburg im Dezember 2022. Droht das Vorzeige-Projekt der Ampel wegen schlechter Intel-Zahlen doch noch zu platzen?

Dabei hob er in einer Unternehmensmitteilung an die Mitarbeiter die strategische Bedeutung der Fabrik in Irland hervor. Diese bliebe „auf absehbare Zeit unser wichtigstes europäisches Drehkreuz“. Weiterhin kursieren immer wieder Übernahmegerüchte in der Branche. Der Konkurrent Qualcomm habe laut verschiedenen US-Medien Interesse.

CEO Gelsinger verspricht Wachstum und auch die Aktie steigt – doch Analysten sind skeptisch

Ob Gelsinger, der die Chipfabrik in Sachsen-Anhalt selbst versprochen hatte, bei einer Übernahme im Amt bleiben würde, ist höchst fraglich. Und selbst wenn, ist nicht gesichert, dass seine neuen Bosse noch bereit wären, die Investition in Deutschland freizugeben – Subventionen von der Bundesregierung hin oder her. Für das letzte Quartal 2024 erwartet Gelsinger immerhin einen leichten Aufwärtstrend und bessere Zahlen. Und auch die Aktie stieg nach dem Kurssturz der vergangenen Monate am Donnerstag (31. Oktober) um rund 12 Prozent. Dennoch sind Analysten skeptisch, dass die Sparmaßnahmen von Intel kurzfristig die Verluste reduzieren. Vielmehr erwarten Experten – wenn überhaupt – nur marginale Verbesserungen im Geschäft.

Auch deshalb bleibt abzuwarten, ob in Magdeburg 2026 tatsächlich die Intel-Bagger anrollen und eine Chipfabrik aus dem Boden heben. Immerhin zwei Vorteile hat die Verschiebung für die jetzige Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) allerdings. Sollte der Auftrag tatsächlich noch platzen, wären die drei Ampel-Spitzen in dieser Konstellation aller Voraussicht nach ohnehin nicht mehr im Amt.

Rubriklistenbild: © Peter Gercke/dpa