„Metapher für das Regime als Ganzes“

Nach Hubschrauber-Absturz: Wurden Iran-Sanktionen dem Präsidenten zum Verhängnis?

  • Lisa Mayerhofer
    VonLisa Mayerhofer
    schließen

Irans Präsident Ebrahim Raisi ist bei einem Hubschrauber-Absturz ums Leben gekommen. Ein Grund für das Unglück könnten die harten Sanktionen gegen das Land sein.

Teheran – Die Nachrichten zum Tod des iranischen Präsident Ebrahim Raisi bei einem Helikopter-Absturz überschlagen sich. Wie konnte es dazu kommen und spielen die aktuellen internationalen Konflikte, in die der Iran verwickelt ist, eine Rolle? Immer mehr Experten tippen jedoch auf technische Probleme, verursacht durch die Sanktionen.

Rätsel zur Absturzursache von Raisis Hubschrauber: Technischer Defekt oder Sabotage?

Präsident Raisi war am Sonntag (19. Mai) im Nordwesten des Iran auf dem Weg nach Täbris bei schlechtem Wetter mit einem Hubschrauber über bergigem Gelände abgestürzt. Unter den Insassen der Maschine waren auch Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, der Chef von Raisis Sicherheitsteam und ein Imam.

Das Hubschrauberwrack, aus dem der iranische Präsidenten Ebrahim Raisi, Außenminister Amir Abdollahian und mehrere andere Personen nur noch leblos geborgen werden konnten.

Ihr Tod wurde nach stundenlanger Suche und Ungewissheit am Montag im iranischen Staatsfernsehen bestätigt. Am Donnerstag soll Raisi in Maschhad im Nordosten des Landes beigesetzt werden, die mehrtägigen Trauerfeierlichkeiten haben schon begonnen. Zum Auftakt kamen am Dienstag laut Berichten der Staatsmedien zehntausende Menschen auf einem Platz in der Stadt Täbris im Nordwesten des Landes zusammen.

Der Generalstabschef der iranischen Armee ordnete laut iranischen Medienberichten zudem eine Untersuchung der Absturzursache an. Nicht nur im Iran wird darüber spekuliert, ob schlechtes Wetter, ein technischer Defekt oder ein Sabotageakt von Erzfeind Israel für den Vorfall verantwortlich gewesen sein könnte. Letzterer dementierten hinter den Kulissen involviert gewesen zu sein, ein Tod Raisis würde Israel wohl auch nicht nutzen.

Der am 19. Mai 2024 verstorbene Präsident des Iran, Ebrahim Raisi, spricht auf diesem Foto zu einer Menschenmenge in Semnan.

Hubschrauber-Absturz: Ersatzteile fehlen wegen Sanktionen

Laut Experten sei ein technischer Fehler wahrscheinlich. Denn dem Iran würden dringend benötigte Ersatzteile für Hubschrauber und andere Geräte fehlen, die er wegen der Sanktionen nicht kaufen kann. Der abgestürzte Hubschauer ist ein wohl schon 30 Jahre alter, in den USA hergestellte Hubschrauber Bell 212. Doch in welchem Zustand war der Helikopter? Der Hersteller Bell Textron erklärte dazu laut Wirtschaftswoche: „Bell tätigt keine Geschäfte im Iran und versorgt auch nicht die dortige Hubschrauberflotte.“

Hubschrauber müssen aber – wie alle Gefährte – regelmäßig gewartet und korrekt repariert werden, vor allem wenn sie schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Sonst steigt das Risiko für Unfälle rasant. Und diese scheinen im Iran nicht selten zu sein: Erst im vergangenen Jahr stürzte der Wirtschaftswoche zufolge der Hubschrauber des iranischen Sportministers Hamid Sajjadi ab. Dabei überlebte der Minister zwar, aber sein Assistent starb und zwölf Menschen wurden verletzt. Fünf Monate später sei außerdem dem Magazin zufolge noch ein Trainingsflugzeug westlich von Iran abgestürzt, wobei zwei Menschen ums Leben kamen.

„Die iranische Luftflotte ist eine Metapher für das Regime als Ganzes“, wird dazu Ali Ansari, Gründer des Instituts für Iranistik an der schottischen Universität St. Andrews, von der Wirtschaftswoche zitiert. „Sie ist alt, sollte nicht mehr fliegen können und tut es trotzdem – bis sie es nicht mehr tut.“

Tod von Irans Präsidenten Raisi nach Hubschrauber-Absturz: Was das bedeutet

Welche internationale Bedeutung der Tod von Raisi hat, ist noch unklar. Er war seit 2021 Präsident des Iran. Während seiner Amtszeit erlebte das Land Massenproteste, die durch den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini im September 2022 ausgelöst wurden, eine durch US-Sanktionen verschärfte Wirtschaftskrise und eine gefährliche Konfrontation mit Israel, bei der Teheran im April erstmals hunderte Drohnen und Raketen von seinem Staatsgebiet aus auf Israel abschoss.

Nun wurde sein bisheriger Stellvertreter Mohammed Mochber zum Interims-Präsidenten ernannt, der bisherige Atom-Chefunterhändler Ali Bagheri übernahm vorübergehend das Amt des Außenministers. Als Termin für die Wahl eines neuen Präsidenten wurde der 28. Juni festgelegt. Kandidaten können sich laut der Staatsagentur Irna vom 30. Mai bis 3. Juni registrieren lassen. Der Wächterrat, ein erzkonservatives Gremium besetzt mit islamischen Geistlichen und Juristen, entscheidet dann über die Eignung der Bewerber. Insbesondere Politiker des Reformlagers wurden in der Vergangenheit oft vor der Wahl ausgeschlossen. Das politische System des Irans vereint sowohl republikanische als auch theokratische Züge. 

Wahlen im Iran: Mehr Wettbewerb für den bevorstehenden Wahlkampf denkbar

Nach einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 41 Prozent bei den Parlamentswahlen könnte der Wächterrat unter Druck stehen, mehr Wettbewerb im Wahlkampf zuzulassen, um ausreichend Legitimität für den neuen Präsidenten sicherzustellen. Ein iranischer Professor im Ruhestand vermutete jedoch, dass dies inzwischen keine große Rolle mehr spiele und das System noch autokratischer werde. 

Anders als in vielen Ländern ist der Präsident im Iran nicht das Staatsoberhaupt, sondern bloß Regierungschef. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat. Seit 1989 ist das Ajatollah Ali Chamenei. Der ultrakonservative Raisi galt als einer der Favoriten für seine Nachfolge.

Mit Material von AFP und dpa

Rubriklistenbild: © Iranisches Staatsfernsehen/Iranisches Präsidentenbüro/dpa (Collage)

Mehr zum Thema