„So eine Schnapsidee“

Hat der Atomausstieg mit der Energiekrise „nichts zu tun“? Scholz-Aussagen unter der Lupe

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
    schließen

Olaf Scholz behauptet, der Atomausstieg sei unabhängig von der Wirtschaftskrise. CDU-Chef Merz widerspricht ihm.

Berlin – Die Bundestagswahl steht nun kurz bevor. Im TV-Duell vom 9. Februar standen sich die Kanzlerkandidaten von CDU/CSU und SPD gegenüber: Auf der einen Seite der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), auf der anderen CDU-Chef Friedrich Merz. Merz ließ dabei seiner Verärgerung über die Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke im Jahr 2023 seinen Lauf – und der Kanzler parierte. Aber was steckt hinter den Scholz-Aussagen?

„So eine Schnapsidee“ – Merz rügt beim TV-Duell Atom-Abschaltung unter Scholz-Regierung

Nachdem Merz und Scholz sich ausgiebig dem Thema Migration gewidmet hatten, kam Merz auf den Atomausstieg der Bundesrepublik zu sprechen. „Warum, um Gottes Namen, schalten Sie denn mitten in der größten Energiekrise unseres Landes drei funktionierende, sauber laufende Kernkraftwerke ab, die unsere Volkswirtschaft ordentlich und preisgünstig mit Strom versorgt hätten?“ Kein anderes Land wäre „auf so eine Schnapsidee“ gekommen.

Olaf Scholz in Cottbus (Symbolfoto). Der Bundeskanzler gab an, dass kein Zusammenhang zwischen Atomausstieg und Wirtschaftskrise besteht. Was steckt dahinter? Und was sagt Friedrich Merz dazu?

Die Moderatorin hakte sogleich nach: Hätten wir diese tiefe Krise nicht gehabt, wenn diese Kernkraftwerke noch weitergelaufen wären? Merz fing zwar einen Satz mit „Nein“ an, unterbrach sich aber und gab ein konkretes Beispiel des Stahlwerks Georgsmarienhütte, das „tageweise“ die Produktion herunterfahren müsste, weil es vom Atomstrom abhängig gewesen sei. Ob die gesamte Krise mit drei Atomkraftwerken hätte abgewendet werden können, beantwortete Merz nicht.

Scholz hielt sogleich dagegen: „Das hat mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland 0,00002 Prozent zu tun, also gar nichts.“ Er hielt Merz vor, dass der Atomausstieg schon längst feststand – und dass einer der Beschlüsse dazu schon um die Jahrtausendwende gefallen war, damals unter schwarz-gelb. „Es war klar, dass die Atomkraft zu Ende geht in Deutschland“, fuhr Scholz fort, er aber habe sie „verlängert, bis zum letzten Atemzug, was die Kernbrennstäbe betrifft.“ Der Bundeskanzler schloss das Segment über Atomkraft mit einem Statement zu den Kosten. „Neue Kernkraftwerke kosten 40 Milliarden Euro – das, was da diskutiert wird, ist hanebüchen.“ Dabei stellt sich die Frage: Was ist an alldem dran?

Der Anfang vom Atom-Ende – Atomausstieg vor Jahrzehnten beschlossen

Mit der ersten Aussage hatte Kanzler Scholz halbwegs recht – das Ende der Nutzung von Kernenergie stand lange fest. Im Archiv des Bundestags ist dazu noch der Beschluss vom 30. Juni 2011 zu finden, und dieser macht klar, dass die CDU/CSU und FDP hier eine entscheidende Rolle gespielt hatten. Allerdings war die SPD-Regierung unter Gerhard Schröder für die Entscheidung „um die Jahrtausendwende“ verantwortlich; Schröder hatte damals den sogenannten Atomkonsens ausgehandelt.

JahrEreignis
1957Deutschland erhält ersten Forschungsreaktor (Atom-Ei in Garching)
1961Versuchsatomkraftwerk Kahl am Main geht ans Netz
1973Fünf Atomkraftwerke zur Stromproduktion sind in Betrieb
Dezember 1973Viertes Atomprogramm sieht Ausbau der Atomenergie auf 50.000 MW vor
1976Anti-AKW-Bewegung gewinnt Traktion
1986Atom-Unglück in Tschernobyl emotionalisiert das Thema
1998Rot-Grüne Regierung beginnt Verhandlungen mit der Atomindustrie
2000Regierung Schröder leitet auf Bundesebene den Atomausstieg in Deutschland in die Wege
2011Fukushima lässt das Thema hochkochen

Quelle: NDR, Bundestag

Zwischen den extremen Anti-Atom-Protesten, die vor der Jahrtausendwende stattgefunden hatten, und dem Beschlussjahr war eine gewisse Ruhe eingekehrt. Die Katastrophe im japanischen Fukushima löste eine neue Angstwelle aus; die Bundesregierung prüfte alle 17 laufenden Kernkraftwerke. 2011 fiel dann die Entscheidung, dass die Kernkraftwerke zeitlich gestaffelt „bis Ende 2022“ stillgelegt werden sollten. Die SPD hatte die frühere Stilllegung acht älterer Atomkraftwerke noch im Jahr 2011 gefordert, aber das hatten die anderen Parteien nicht mitgetragen.

Im selben Blatt des Bundestags findet sich außerdem ein Beschluss zur Energiewende. Der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien soll bis 2022 auf mindestens 35 Prozent steigen, bis 2030 auf 50 Prozent und bis 2040 auf 65 Prozent – genau wie zuvor waren es hier die CDU/CSU und die FDP, die die entsprechenden Gesetzesentwürfe vorgelegt hatten.

Scholz hat verlängert „bis zum letzten Atemzug“ – Atomausstieg und Wirtschaftskrise

Doch was hat es mit Olaf Scholz‘ Aussage auf sich, er hätte die Kernkraftwerke, „was die Kernbrennstäbe betrifft“, bis zum letzten Atemzug verlängert? Hier eignet sich ein Blick zurück, denn Merz‘ Vorwurf an Scholz kann sich nur auf diejenigen Atomkraftwerke beziehen, die überhaupt noch liefen, als Scholz ins Amt kam. Für 2019 wies das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) bereits keine Leistung des Kernkraftwerks Mühlheim-Kärlich mehr aus, die übrigen 19 Kernkraftwerke liefen noch. Das änderte sich bald: 2020 und 2021 gab es auch keine Zahlen für den Großteil der verbliebenen Kernkraftwerke mehr. Nur sechs von ihnen waren übrig, als Olaf Scholz im Dezember 2021 das Bundeskanzleramt übernahm.

Ein Jahr später sollten auch die letzten sechs Kernkraftwerke stillgelegt werden. 2022 aber kam es anders als geplant: Der russische Angriffskrieg sorgte für Zweifel an Deutschlands Energiesicherheit. Im ersten Quartal 2022 hatte Atomkraft nach der Abschaltung von drei der sechs übrigen Kernkraftwerke noch etwa sechs Prozent am Strommix in Deutschland ausgemacht. Am 15. April 2023 besiegelte die Abschaltung der Reaktorblöcke in den Anlagen Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 den Atomausstieg.

Kanzler Scholz nicht in Top 5: Diese Politiker sind die größten Social-Media-Stars des Bundestags

Die Agentur „Netzschreier“ hat die Accounts von allen Bundestagsabgeordneten analysiert.
Gerade im Wahlkampf ist Social Media unerlässtlich. Doch wer macht hier eigentlich das Rennen vor der Bundestagswahl 2025? Die Agentur „Netzschreier“ hat die Accounts von allen Bundestagsabgeordneten analysiert. Ausgewertet wurden die auf der Bundestagswebsite sowie auf den Homepages der Politiker auffindbaren Profile. So wurden insgesamt 2357 Accounts bei Facebook, Instagram, YouTube, X, LinkedIn und TikTok berücksichtigt (Stand: 14. Januar 2025). Das sind die Top 25 der Abgeordneten – und eine honorable Mention ... © IMAGO/BODE
Platz 25: Kevin Kühnert
Platz 25: Kevin Kühnert. Der SPD-Politiker kommt auf 181.000 Follower. Erst im Oktober 2024 trat Kühnert von seinem Posten als SPD-Generalsekretär zurück, wird auch 2025 nicht wieder für den Bundestag kandidieren. © Michael Kappeler / dpa
Platz 24: Tino Chrupalla. Der Bundesvorsitzende der AfD erreicht insgesamt 199.000 Follower.
Platz 24: Tino Chrupalla. Der Bundesvorsitzende der AfD erreicht insgesamt 199.000 Follower.  © Sebastian Kahnert / dpa
Platz 23: Julia Klöckner. Die ehemalige Landwirtschaftsministerin der CDU kommt bei ihren Accounts auf 206.000 Follower.
Platz 23: Julia Klöckner. Die ehemalige Landwirtschaftsministerin der CDU kommt bei ihren Accounts auf 206.000 Follower. © Sabina Crisan / dpa
Platz 23: Joana Cotar.
Platz 21: Joana Cotar. Die fraktionslose Bundestagsabgeordnete erreicht 207.000 Menschen. Im November 2022 trat sie aus der AfD-Bundestagsfraktion aus. Ihre Begründung: Die Partei habe „zu viele rote Linien überschritten“. © Jörg Carstensen / dpa
Platz 21: Norbert Röttgen: Der CDU-Außenpolitikexperte kommt auf 207.000 Follower – und teilt sich den Platz damit mit Joana Cotar.
Platz 21: Norbert Röttgen: Der CDU-Außenpolitikexperte kommt auf 207.000 Follower – und teilt sich den Platz damit mit Joana Cotar. © Serhat Kocak / dpa
Platz 20: Gottfried Curio
Platz 20: Gottfried Curio. Laut der Auswertung kommt der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion auf 223.000 Follower. © Annette Riedl / dpa
Platz 19: Lars Klingbeil. Beim SPD-Bundesvorsitzenden tummeln sich 275.000 Follower.
Platz 19: Lars Klingbeil. Beim SPD-Bundesvorsitzenden tummeln sich 275.000 Follower. © Michael Kappeler / dpa
Platz 18: Katrin Göring-Eckardt. Die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin kommt auf 298.000 Follower in den sozialen Netzwerken.
Platz 18: Katrin Göring-Eckardt. Die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin kommt auf 298.000 Follower in den sozialen Netzwerken. © Matthias Bein / dpa
Platz 17: Ricarda Lang. Die ehemalige Vorsitzende der Grünen kommt auf 298.000 Follower.
Platz 17: Ricarda Lang. Die ehemalige Vorsitzende der Grünen kommt auf 298.000 Follower. © Michael Kappeler / dpa
Platz 16: Roger Beckamp. Der AfD-Politiker kommt auf 300.000 Follower.
Platz 16: Roger Beckamp. Der AfD-Politiker kommt auf 300.000 Follower. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Platz 15: Armin Laschet. Der ehemalige Kanzlerkandidat der CDU schafft es auf 324.000 Follower.
Platz 15: Armin Laschet. Der ehemalige Kanzlerkandidat der CDU schafft es auf 324.000 Follower.  © Rolf Vennenbernd / dpa
Platz 14: Beatrix von Storch. Die stellvertretende Bundessprecherin der AfD erreicht via Social Media 382.000 Follower.
Platz 14: Beatrix von Storch. Die stellvertretende Bundessprecherin der AfD erreicht via Social Media 382.000 Follower. © Annette Riedl / dpa
Platz 13: Martin Sichert. Auf 393.000 Follower kommt der AfD-Politiker.
Platz 13: Martin Sichert. Auf 393.000 Follower kommt der AfD-Politiker. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Platz 12: Heidi Reichinek. Die Politikerin mit 419.000 Followern ist seit Februar 2024 Co-Vorsitzende der Bundestagsgruppe die Linke.
Platz 12: Heidi Reichinek. Die Politikerin mit 419.000 Followern ist seit Februar 2024 Co-Vorsitzende der Bundestagsgruppe die Linke. © Fabian Sommer / dpa
Platz 11: Jens Spahn. Dem ehemaligen Gesundheitsminister der CDU folgen online 647.000 Menschen.
Platz 11: Jens Spahn. Dem ehemaligen Gesundheitsminister der CDU folgen online 647.000 Menschen. © Sebastian Willnow / dpa
Platz 10: Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker ist Minister für Ernährung und Landwirtschaft. Online folgen ihm 684.000 Leute.
Platz 10: Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker ist Minister für Ernährung und Landwirtschaft. Online folgen ihm 684.000 Leute. © Hannes P Albert / dpa
Platz 9: Friedrich Merz. Der Kanzlerkandidat der CDU hat auf seinen Kanälen in den sozialen Medien 799.000 Follower.
Platz 9: Friedrich Merz. Der Kanzlerkandidat der CDU hat auf seinen Kanälen in den sozialen Medien 799.000 Follower. © Michael Buholzer / dpa
Platz 8: Robert Habeck: Der Kanzlerkandidat der Grünen überflügelt seinen Konkurrenten von der CDU, kommt auf 965.000 Follower.
Platz 8: Robert Habeck: Der Kanzlerkandidat der Grünen überflügelt seinen Konkurrenten von der CDU, kommt auf 965.000 Follower. © Markus Schreiber / dpa
Platz 7: Gergor Gysi. Die Linken-Legende durchbricht als erster Kandidat die Millionen-Schallmauer. 1,13 Millionen Menschen folgen ihm.
Platz 7: Gergor Gysi. Die Linken-Legende durchbricht als erster Kandidat die Millionen-Schallmauer. 1,13 Millionen Menschen folgen ihm. © Sebastian Gollnow / dpa
Platz 6: Olaf Scholz. Der Bundeskanzler der SPD kommt mit seinen Profilen auf 1,14 Millionen Follower.
Platz 6: Olaf Scholz. Der Bundeskanzler der SPD kommt mit seinen Profilen auf 1,14 Millionen Follower. Nicht mit eingerechnet ist da aber etwa der Bundeskanzler-Instagram-Account, der alleine zwei Millionen Follower zählt (Stand: 22. Januar). © Kay Nietfeld / dpa
Platz 5: Annalena Baerbock. Die Außenministerin von den Grünen hat 1,48 Millionen Follower auf Social Media.
Platz 5: Annalena Baerbock. Die Außenministerin von den Grünen hat 1,48 Millionen Follower auf Social Media. © Daniel Löb / dpa
Platz 4: Karl Lauterbach. Der Gesundheitsminister der SPD hat bereits 1,65 Millionen Follower angesammelt.
Platz 4: Karl Lauterbach. Der Gesundheitsminister der SPD hat bereits 1,65 Millionen Follower angesammelt.  © Thomas Banneyer / dpa
Platz 3: Christian Lindner.
Platz 3: Christian Lindner. Der ehemalige Bundesminister der Finanzen und aktuelle Vorsitzende der FDP schnappt sich mit 1,84 Millionen Followern den untersten Podestplatz. © Michael Kappeler / dpa
Platz 2: Alice Weidel.
Platz 2: Alice Weidel. Die Kanzlerkandidatin der AfD soll laut der „Netzschreier“-Analyse alleine zwischen Mitte Dezember 2024 und Mitte Januar 2025 über 370.000 Follower auf X zugelegt haben – wohl auch wegen X-Besitzer Elon Musk, der ihr dort eine Bühne bot. Insgesamt kommt Weidel auf 2,74 Millionen Follower. © Christian Charisius / dpa
Platz 1: Sahra Wagenknecht.
Platz 1: Sahra Wagenknecht. Die Namensgeberin ihrer Partei, des BSW, schnappt sich den ersten Podestplatz im Ranking. 2,92 Millionen Follower hat sie auf Social Media. Allein 745.000 davon kommen via Facebook. © Hannes P Albert / dpa
Honorable Mention: Markus Söder.
Honorable Mention: Markus Söder. Der CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern ist einer der bekanntesten „Influencer“ im Politik-Kosmos – auch wegen seiner vielen Essensbilder. Allein mit seinem Instagram-Account kommt er auf über 660.000 Follower (Stand: 22. Januar) und wäre damit schon auf Rang 11. Söder ist allerdings nicht im Bundestag, wurde daher nicht in der Analyse berücksichtigt. © Oliver Berg / dpa

Scholz‘ Aussage lässt es allerdings ein bisschen so klingen, als wäre es eine technische Frage gewesen, eine mit direktem Bezug auf die physikalischen Möglichkeiten der Brennstäbe. Dabei war der Atomausstieg vorrangig politisch gewollt, weil gesellschaftlich gewollt. Für das AKW „Emsland“ war in der BASE-Jahresmeldung 2022 zwar eine Reststrommenge von 0 ausgewiesen, aber dabei bezieht es sich auf eine politisch gezogene Grenze – gemäß Atomkraftgesetz durfte jedes AKW nur eine individuell zugeordnete Elektrizitätsmenge erzeugen.

„Also gar nichts“ – Einfluss des Atomausstiegs auf die deutsche Wirtschaft nur schwer abzuschätzen

Bei der Aussage des Kanzlers, die Abschaltung der Kernkraftwerke hätte mit der wirtschaftlichen Entwicklung „0,00002 Prozent zu tun, also gar nichts“, ist dagegen mit Vorsicht zu genießen. Immerhin hatten die übrigen Kernkraftwerke noch einen Anteil von sechs Prozent des Strommixes ausgemacht. Einer Analyse des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle zufolge hätte ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke die Großhandelsstrompreise zwischen 16. April 2023 bis 31. Dezember 2023 um 1,0 Prozent bis 8,0 Prozent gesenkt. „Insbesondere im Oktober hätte der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke die Großhandelsstrompreise gesenkt, vor allem in Zeiten hoher Stromnachfrage und geringer Verfügbarkeit erneuerbarer Energien.“

Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) lieferten sich vor der Bundestagswahl ein TV-Duell. Auch die Kernkraft war Thema.

Klar ist jedoch auch: Diese drei Kernkraftwerke hatten längst nicht mehr dieselbe Leistung, die Deutschlands vollentwickelte Atomkraft noch in den Jahren 2011 bis 2014 hatte. 2011 existierten nach Angaben des BASE 19 deutsche Atomkraftwerke, die eine Leistung von 2623310,00 GWh auf sich vereinten. Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz machte die Kernenergie 2014 noch 15,9 Prozent des Strommixes aus. Den Einfluss dieser weitreichenden Entscheidung offenzulegen, ist komplex.

Dabei gilt es zu bedenken, dass Deutschland sich gleichzeitig von russischen Gasimporten trennen musste und auch die Stromgewinnung aus Kohle herunterfahren will.

Massive Baukosten für Kernkraftwerke – Chaos um Hinkley Point C gibt Scholz recht

Zuletzt hatte Scholz angegeben, der Bau neuer Kernkraftwerke würde 40 Milliarden Euro kosten. Hier dürfte er sich auf das Katastrophenprojekt Hinkley Point C im Vereinigten Königreich beziehen, das ursprünglich 20 Milliarden Euro kosten sollte. Laut der Tagesschau belaufen sich die Kosten heute bereits auf 50 Milliarden Euro; mehrere Rückschläge hatten die Bauzeit und damit die Kosten drastisch verlängert. In Finnland gibt es deutliche Verzögerungen beim Olkiluoto III-Reaktorblock, der statt vier Jahren 14 Jahre lang gebaut wurde und damit doppelt so teuer wurde.

Projekte wie diese werden von Atomkraftgegnern immer wieder angebracht. Allerdings sind das Extrembeispiele, die es zwar zu beachten gilt, jedoch ist es falsch, hier pauschal von einer Norm auszugehen. 2011 hatte der deutsche Konzern RWE noch einen Meiler in den Niederlanden geplant; Baukosten fünf Milliarden Euro. Frankreich hat 2024 einen neuen Reaktor in Flamanville am Ärmelkanal ans Netz gebracht, Kostenpunkt zwölf Milliarden Euro. Problematisch war jedoch auch hier eine massive Verlängerung der Bauzeit – der Bau begann bereits 2007, die Kosten sollten 3,3 Milliarden Euro betragen.

Andere europäische Länder wenden sich der Atomkraft aktuell wieder zu, und auf EU-Ebene gilt mittlerweile als nachhaltig.

Rubriklistenbild: ©  IMAGO / Andreas Franke