First Lady Jill Biden (l) und Second Gentleman Douglass Emhoff (r) sehen zu, wie US-Präsident Joe Biden (2.v.l) die Hand von US-Vizepräsidentin Kamala Harris erhebt,
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Nach Bidens Rücktritt soll Vizepräsidentin Harris antreten. Was bedeutet das für Putin, Xi und die Nato?

Monate vor US-Wahl

Nato-Bekenntnis aus den USA – Biden-Rückzieher bedeutet schlechte Karten für Xi und Putin

  • Bona Hyun
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Joe Biden wird bei der US-Wahl nicht mehr antreten. Stattdessen bringt sich Kamala Harris in Position. Was heißt das für Russland und China?

Washington D.C. – Der Rücktritt von Joe Biden gleicht einem politischen Erdbeben: Biden, der zuletzt wegen seines geistigen Zustands massiv unter Druck geriet, zog am 21. Juli 2024 die Reißleine. Der Rückzug nur wenige Monate vor der US-Schicksalswahl markiert eine spektakuläre Wende in einem Wahlkampf. Die Vize-Präsidentin Kamala Harris soll nun die Ersatzkandidatin für die Demokraten werden. Am strengen Russland-Kurs ihres Vorgängers wird Harris weiterhin festhalten – und auch gegenüber China könnten die Fronten verhärtet bleiben.

Nach Rückzug von Biden: Nachfolgerin wird Vize Harris – scharfer Ton gegenüber Putin bleibt

Außenpolitisch würde Harris sich größtenteils am Kurs von Biden halten, vermuten Experten. Der amerikanische Experte für US-Außenpolitik, Aaron David Miller, entgegnete gegenüber Reuters: „Sie mag ein energischerer Akteur sein, aber eines sollte man nicht erwarten – unmittelbare große Veränderungen in der Substanz von Bidens Außenpolitik.“

Die Vizepräsidentin hatte sich in der Vergangenheit genauso wie Biden deutlich hinter die Ukraine gestellt. „Ich kann mit absoluter Sicherheit sagen: Wenn Russland weiter in die Ukraine eindringt, werden die Vereinigten Staaten gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern erhebliche und beispiellose wirtschaftliche Kosten auferlegen“, sagte Harris bereits am 19. Februar 2022 – sogar noch einige Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022.

Harris hatte sich im selben Jahr auch für Sanktionen gegen Russland eingesetzt und „weitreichende Finanzsanktionen und Exportkontrollen“ angekündigt. „Wir werden Russlands Finanzinstitute und Schlüsselindustrien ins Visier nehmen. Und wir werden diejenigen ins Visier nehmen, die an dieser unprovozierten Invasion mitschuldig sind und sie unterstützen“, zitierte CNN Harris auf einer am 19. Februar 2022.

Harris statt Biden – Vizepräsidentin zeigt klare Kante gegen Trumps Russland-Ansichten

Die US-Regierung hat einige der Ankündigungen wahr werden lassen: So hat Biden im Dezember 2023 ein Dekret unterzeichnet und Sanktionen gegenüber Banken angedroht, wenn sie Transaktionen für die russische Militärindustrie ermöglichen. In letzter Zeit hat das Finanzministerium Pläne geäußert, eine Verschärfung der Sekundärsanktionen gegen Banken zu erwägen, die in Zahlungsgeschäfte mit Russland verwickelt sind.

Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Harris von dem Russland-Kurs nicht abweichen wird. Den außenpolitischen Ansatz ihres republikanischen Gegners Trump im Hinblick auf Russland bezeichnete sie als „gefährlich“ und warnte eindringlich vor einem Einlenken der USA gegenüber Russland. Hintergrund war Trumps Aussage, dass er Russland ermutigen würde, in Länder einzumarschieren, die ihren finanziellen Nato-Verpflichtungen nicht nachkommen.

Nach Rückzug von Biden: Was könnte Harris anders gestalten?

Im Februar 2024 bekannte Harris sich in einer Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz explizit zur Nato und zur internationalen Zusammenarbeit – offensichtlich in Abgrenzung zu Trump, der deutlich kritischere Töne anschlägt, wenn es um die Militärallianz oder traditionelle Verbündete geht. „Sie war die führende Sprecherin der Regierung auf der Münchner Sicherheitskonferenz und hat für unsere Rolle in der Ukraine, in der Nato und in der Welt argumentiert, und sie war wirklich stark“, urteilte Abgeordneter Adam Smith, der ranghöchste Demokrat im Ausschuss für Streitkräfte des Repräsentantenhauses, im Gespräch mit Politico.

„Ich denke, sie sahen dies (Anmerkung der Redaktion: Rücktritt Bidens) als eine Gelegenheit, ihr (Harris) Zeit mit europäischen Führern zu geben und ihr auch zu helfen, sich über diesen Aspekt der Außenpolitik zu informieren: Europa und die Nato“, sagte Jim Townsend, ein ehemaliger Pentagon- und Nato-Beamter gegenüber Politico.

Biden kündigt Rückzug an – Harris wird neue Gegnerin von Trump: Wie könnte sie mit Xi umgehen?

Auch in Bezug auf China wird Harris ihren Ton nicht abmildern. Laut der New York Times ließ Harris verlauten, dass Peking für den Diebstahl von geistigem Eigentum und das Dumping stark subventionierter Exporte auf ausländischen Märkten zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Analysten von Reuters gehen davon aus, dass Harris wahrscheinlich Bidens Haltung beibehalten wird, Peking zu konfrontieren, wenn es nötig ist, und gleichzeitig nach Bereichen der Zusammenarbeit suchen.

Harris hatte schon im Vorfeld Strafzölle auf Produkte aus China unterstützt, die in den USA und Europa den Wettbewerb verzerrten. Im Mai hat dann US-Präsident Joe Biden die Zölle auf chinesische E-Autos, Halbleiter und Mineralien drastisch erhöht. Bei E-Autos wurden die Zölle von 25 auf 100 Prozent erhöht.

Nach Rückzug von Biden: Wer könnte mit Harris zusammen ins Rennen gehen?

Der Austausch des designierten Spitzenkandidaten nur wenige Monate vor der US-Wahl und nur Wochen vor wichtigen Fristen in einigen Bundesstaaten ist für die Demokraten ein heikles Manöver. Viele Demokraten sprachen ihre Unterstützung gegenüber Harris auch, darunter auch eine Reihe weiterer Parteigrößen, die ebenfalls als mögliche Bewerber gehandelten Gouverneure Gavin Newsom (Kalifornien), Josh Shapiro (Pennsylvania) und Roy Cooper (North Carolina). 

Es gibt bereits Spekulationen, welche Demokraten mit Harris zusammen ins Rennen gehen könnte. NBC News listete unter anderem den Gouverneur aus Kentucky, Andy Beshear, Roy Cooper, Gouverneur von North Carolina und Gretchen Whitmer, Gouverneurin von Michigan, als potenzielle Harris-Vizepräsidentschaftskandidaten oder -Herausforderer auf.

Biden zieht sich zurück – Auswirkungen auf die US-Wahl

Schon vor dieser größtmöglichen Komplikation war dieses US-Wahljahr eines, das auf allen Ebenen heraussticht. Mit Trump bewirbt sich ein verurteilter Straftäter um das höchste Amt im Staat. Als erster Ex-Präsident der USA wurde er in einem Strafverfahren schuldig gesprochen – wegen der Verschleierung einer Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin.

Im Wahlkampf hat das dem 78-Jährigen bislang nicht geschadet. Es laufen noch andere Strafverfahren gegen ihn – allerdings dürfte es vor dem Wahltag in diesen Fällen nicht mehr zum Prozess kommen. Zu einer Eskalation im Wahlkampf kam es vor gut einer Woche, als ein Schütze auf einer Veranstaltung Trumps in Pennsylvania das Feuer eröffnete. Trump wurde bei dem Attentat am Ohr verletzt, ein Zuschauer kam ums Leben, zwei weitere wurden verwundet. (bohy mit Material der dpa)