15,1 Krankheitstage in Deutschland
Deutschland, der „kranke Mann“? Krankmeldungen auf Rekordhoch
- VonBleranda Shabanischließen
Wachsende Krankheitsraten in Deutschland stellen eine Belastung für Arbeitnehmer und Wirtschaft dar. Prognosen weisen darauf hin, dass das Land möglicherweise in eine Rezession geraten könnte.
Frankfurt – In deutschen Unternehmen zeichnen sich hohe Krankenstände ab, während die globalen Belegschaften vergleichsweise weniger Ausfälle haben. So meldeten sich Mitarbeiter der Allianz 2023 weltweit durchschnittlich 7,8 Tage krank, in Zentraleuropa lag dieser Wert bei 12,3 Tagen – fast 60 Prozent höher.
Für Deutschland nennt die Allianz keine genauen Zahlen, doch der Wert liegt laut Informationen des Handelsblatts nochmals darüber. Das Statistische Bundesamt berichtet von durchschnittlich 15,1 Krankheitstagen in Deutschland – ein Anstieg von vier Tagen im Vergleich zu 2021.
Deutlicher Anstieg der Krankenstände in deutschen Unternehmen
Die Krankheitszahlen von Beschäftigten in Deutschland haben bereits in den ersten acht Monaten dieses Jahres den Höchststand aus 2023 erreicht, berichtet die Tagesschau. Laut einer Auswertung des AOK-Bundesverbands, die auf Krankmeldungen basiert, gab es von Januar bis August 225 krankheitsbedingte Ausfälle pro 100 Versicherte.
Da die typische Krankheitswelle im Herbst und Winter noch bevorsteht, ist mit einem weiteren Anstieg der Zahlen zu rechnen. Zum Vergleich: Zwischen 2014 und 2021 lag der Durchschnittswert pro Jahr bei lediglich knapp 160 Krankheitsfällen je 100 Versicherte. Damit deutet sich für 2024 ein deutlicher Anstieg der Krankenstände an, der über das Niveau der Vorjahre hinausgehen dürfte.
Telefonkrankschreibung: Einladung zum „Blaumachen“?
Offenbar steht ein Verdacht im Raum: Sind die steigenden Krankmeldungen ein Indiz dafür, dass das „Blaumachen“ zu einfach geworden ist? Jüngst schlugen Gebäudedienstleister Alarm: Die Zahl der Krankheitsfälle unter Reinigungskräften sei deutlich gestiegen. Schnell war aus Sicht der Branche ein Schuldiger ausgemacht – die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung. Seit diese wieder eingeführt wurde, sei laut Informationen des Handelsblatts ein deutlicher Anstieg der Krankmeldungen zu verzeichnen.
Die Möglichkeit, sich unkompliziert per Telefon krankzumelden, könnte durchaus zu einem Anstieg der Krankmeldungen führen, meint Arbeitsmedizinerin Liebe in dem Bericht: „Ich denke schon, dass die niederschwellige Krankmeldung einen Einfluss auf die Krankenstände haben kann und zu mehr Krankmeldungen führt.“ Belastbare Beweise dafür fehlen jedoch, wie AOK-Chefin Reimann hervorhebt. Das liege auch daran, dass auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht vermerkt werde, ob die Krankschreibung telefonisch erfolgt sei.
Lindner spricht sich gegen die telefonische Krankschreibung aus
Finanzminister Christian Lindner äußerte im ZDF, dass er die telefonische Krankschreibung am liebsten wieder abschaffen würde. Er möchte niemandem unterstellen, die Regelung auszunutzen, stellt jedoch fest, dass es offenbar eine „Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung dieser Maßnahme gibt, die als guter Bürokratieabbau gedacht war.“
Wirtschaftliche Auswirkungen des hohen Krankenstands
Der hohe Krankenstand wirkt sich wohl auf die Wirtschaft aus: Allianz-Chef Oliver Bäte betont im Handelsblatt, dass die deutsche Wirtschaft ohne die Krankheitsausfälle 2023 nicht geschrumpft, sondern leicht gewachsen wäre. Auch Andreas Tautz von der DHL Group und Mercedes-Chef Ola Källenius kritisieren demnach die Situation in Deutschland, wo die Krankenstände teils doppelt so hoch sind wie in anderen europäischen Ländern, was deutliche wirtschaftliche Folgen habe.
Claus Michelsen, Geschäftsführer für Wirtschaftspolitik beim VfA, schätzt demnach, dass das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr durch steigende Krankschreibungen um 0,4 Prozentpunkte niedriger ausfallen wird. Angesichts einer erwarteten Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent, sind die hohen Krankenstände wohl ein zentraler Faktor, der Deutschland in die Rezession drängt.
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