Kritik an der Bürokratie
Dämpfer für die Ampel: Neueste Umfrage enthüllt, was Betriebe über den „Job-Turbo“ denken
VonMarcus Giebelschließen
Der „Job-Turbo“ soll dazu beitragen, ausländische Beschäftigte rascher in Berufe zu bringen. Allerdings haben viele Betriebe Zweifel an der Strategie der Ampel-Koalition.
München – Jetzt soll es umso schneller gehen. Verlorene Zeit aufgeholt werden. Die Bundesregierung zündet den Job-Turbo. Gemeinsam mit Spitzenverbänden der Wirtschaft, Gewerkschaften, Unternehmen und kommunalen Spitzenverbänden hat sich das Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) auf die Fahnen geschrieben, auf diesem Weg Geflüchtete schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Den Plan dafür stellte Heil im Herbst 2023 vor. Nun liegt eine erste Auswertung des Programms vor.
Job-Turbo in Deutschland: Mehr Fachkräfte und weniger Sprachbarrieren durch verpflichtende Kurse
Bislang scheint der Praxistest dem ambitionierten Plan aber nicht standhalten zu können. Darauf deutet eine Umfrage des ifo Institut im Auftrag von Randstad Deutschland unter 630 Personalverantwortlichen von Betrieben hin. In dieser beurteilten 48 Prozent den Job-Turbo im Zusammenspiel mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz als „nicht hilfreich“. Das klingt nach einer weiteren schallenden Ohrfeige für die Ampel.
Aber es gab auch positives Feedback. So stimmten 23 Prozent der Aussage zu, es wären mehr Fachkräfte verfügbar. 21 Prozent hoben die geringeren Sprachbarrieren hervor, die wohl die Folge der verpflichtenden Sprachkurse vor der Jobvermittlung sind. Dadurch fällt für die Unternehmen ein organisatorischer und finanzieller Aufwand weg.
Jeweils 18 Prozent der Befragten lobten die kürzeren Verfahren bei der Einstellung sowie die leichtere Anerkennung von Abschlüssen. Einen Bürokratieabbau nehmen 17 Prozent wahr, sieben Prozent fühlen sich beim Onboarding unterstützt. Wie aus den Zahlen ersichtlich wird, waren Mehrfachnennungen möglich.
Von den Befragten der quartalsweise zu verschiedenen Schwerpunkten durchgeführten Erhebung stammen 42 Prozent aus dem verarbeitenden Gewerbe, 35 Prozent aus dem Dienstleistungssektor und 23 Prozent aus dem Handel. Vor allem im Handel werden der Job-Turbo und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz als nicht hilfreich angesehen. Hier stimmten 51 Prozent für diese Aussage. Im Dienstleistungssektor sind es 49 Prozent, in der Industrie 44 Prozent.
Job-Turbo der Ampel-Regierung: Betriebe bemängeln bürokratische Hindernisse und fehlende praktische Hilfe
Es gibt auch konkrete Kritik an dem Modell. Bei der Frage, welche Bedenken die Unternehmen bezüglich des Nutzens von Job-Turbo und Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben, antworteten 48 Prozent, sie halten die bürokratischen Hindernisse bei der Einstellung von ausländischen Arbeitskräften für zu hoch. 39 Prozent bemängeln, es gebe keine praktische Hilfe für Unternehmen.
Einen weiterhin hohen Weiterbildungsbedarf sehen 34 Prozent der Teilnehmer. Für 31 Prozent ist die Beschäftigungshürde nach wie vor zu hoch. 28 Prozent finden, die Visumsanträge dauern zu lange. Eine Schelle gibt es von 24 Prozent der Unternehmen, die der Meinung sind, die Maßnahmen würden die Probleme nicht adressieren – also: Thema verfehlt, liebe Ampel.
Ausländische Fachkräfte: ifo Institut betont die Problematik des mangelnden Wohnraums
Lediglich zwölf Prozent gaben an, keine Bedenken bezüglich der eingeführten Anreizsysteme festzustellen. Zudem entschieden sich sechs Prozent für die Möglichkeit „Sonstiges“, hierunter fallen sprachliche und kulturelle Barrieren sowie das Problem des mangelnden Wohnraums.
Das ifo Institut schreibt: „Die Problematik des mangelnden Wohnraums vor allem in großen Städten sollte beim bewussten Anwerben ausländischer Arbeits- und Fachkräfte mitgedacht werden und es sollten frühzeitig Lösungen gesucht werden, um die Wohnungssuche nicht nur den Arbeits- und Fachkräften sowie den Unternehmen zu überlassen.“
Anstellung für ausländische Fachkräfte: 17 Prozent der Unternehmen ziehen mit
Eine weitere Frage zielte darauf ab, ob die Unternehmen infolge des politischen Vorstoßes planen, ausländische Fachkräfte anzustellen. Hier gaben 17 Prozent an, eine langfristige Anstellung – also länger als acht Monate – zu planen. Ein Prozent der Betriebe will kurzfristige Anstellungen von bis zu acht Monaten umsetzen.
Die Bereitschaft zu zusätzlichen langfristigen Anstellungen steigt demnach mit der Unternehmensgröße. Bei Betrieben bis 49 Angestellte stimmen zwölf Prozent zu, bei jenen mit 50 bis 249 Mitarbeitern sind es 13 Prozent, bei jenen mit 250 bis 499 Angestellten 16 Prozent und bei Unternehmen ab 500 Mitarbeitern 38 Prozent.
Vier-Tage-Woche kein Renner: Mehr als zwei Drittel der Unternehmen ignorieren das Modell
Der Schwerpunkt der ifo-Umfrage lag auf der Vier-Tage-Woche. Auch damit scheinen viele Firmen hierzulande nicht warmzuwerden. Lediglich zwei Prozent planen eine Einführung, immerhin 19 Prozent diskutieren darüber.
Dagegen ist dieses auch von vielen konservativen Politkern strikt abgelehnte Modell für 38 Prozent der befragten Unternehmen kein Thema. Für 30 Prozent ist es nicht umsetzbar. Mehr als zwei Drittel der Teilnehmer beschäftigen sich also erst gar nicht mit der Vier-Tage-Woche als möglichem Modell der Zukunft für eine veränderte Work-Life-Balance.
59 Prozent der Teilnehmer geben an, es wäre in diesem Fall mehr Personal nötig. Für 52 Prozent ist der Organisationsaufwand zu hoch. Grundsätzlich erwarten 37 Prozent keine positiven Effekte von der Vier-Tage-Woche. Allerdings vermuten 35 Prozent eine höhere Mitarbeiterbindung, 32 Prozent erwarten eine höhere Motivation der Mitarbeiter.
Der Job-Turbo von Heil hatte bereits in den vergangenen Monaten viel Kritik einstecken müssen. Zuletzt war in diesem Zuge auch das Bürgergeld nachjustiert worden. (mg)
