Klimaneutralität auf dem Spiel

Aufruf zur Sanierungspflicht für Hausbesitzer: In diesen Städten ist der Bedarf besonders hoch

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
    schließen

Deutschland hat das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein. Ein zentraler Bereich zur CO₂-Einsparung ist die Energieeffizienz von Gebäuden. Hausbesitzer sollten daher dazu verpflichtet werden, ihre Häuser zu sanieren.

München – Wie kriegt man die Eigentümer von mindestens 15 Millionen Gebäuden in Deutschland dazu, ihre Häuser und Wohnungen zu sanieren? Eine Frage, die Politik und Wirtschaft in den kommenden Jahren dringend beantworten müssen. Denn das ist die Zahl, die bis 2045 saniert werden muss, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen. Es gibt auch Berechnungen, die von einem höheren Sanierungsdruck ausgehen.

Industrie befürwortet Pflicht zur Sanierung von Immobilien: Könnte die Wirtschaft ankurbeln

Doch ein Sanierungsboom könnte auch der strauchelnden deutschen Wirtschaft helfen, wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) findet. In einem 56-seitigen Maßnahmenkatalog des Verbands vom Oktober 2024 findet sich auch eine Empfehlung an die Politik wieder, wonach die Bürgerinnen und Bürger zum Sanieren ihrer Gebäude verpflichtet werden sollen. „Der Bedarf an Energie bei Bestandsgebäuden muss halbiert werden, die energetische Sanierungsrate muss dafür graduell um 70 Prozent bis 2030 steigen“, so der BDI.

Ein hoher Anteil der Unternehmen, die in der Gebäudesanierung aktiv sind, seien laut BDI deutsche Firmen. Damit kann eine Sanierungswelle zum Treiber wirtschaftlichen Aufschwungs werden. Um das zu schaffen, sollte das von der Ampel-Koalition neu überarbeitete Heizungsgesetz „im Grundsatz unangetastet bleiben“ und es sollte darüber hinaus eine Sanierungspflicht eingeführt werden. „Bis spätestens 2030 sollte für jedes unsanierte Gebäude in Deutschland ein individueller Sanierungsfahrplan (iSFP) vorliegen müssen, in dem ein ‚2045-reifer Zielzustand‘ aufgezeigt wird, um den Gebäudeeigentümern mögliche Pfade zu einem klimaneutralen Gebäude zu weisen“, so die Forderung. Diese Sanierungspflicht sollte „mit größtmöglichem Vorlauf“ angekündigt werden und schrittweise von den energetisch schlechtesten bis zu den besten Gebäuden ausgeweitet werden.

Neue Fenster in der Wohnung: Viele Mieter sehen in der energetischen Sanierung Vorteile.

Gebäude machen in Deutschland aktuell 30 Prozent der Treibhausgasemissionen aus, sind also ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Die meisten Häuser in Deutschland müssen saniert werden – aber nicht in Ostdeutschland

In Deutschland werden Wohngebäude in unterschiedliche Energieklassen einsortiert, von A+ bis H. Daran können Eigentümer und Eigentümerinnen recht schnell erkennen, wie gut oder schlecht ihr Haus energetisch abschneidet. Das Berliner Unternehmen Purpose Green hat nun auch eine Analyse durchgeführt, um herauszufinden, wo die Gebäude stehen, die am dringendsten saniert werden müssen. Die Ergebnisse der Untersuchung liegen IPPEN.MEDIA exklusiv vor. Purpose Green hat sich dabei auf die 30 größten Städte in Deutschland konzentriert und über 10.000 Immobilien miteinander verglichen.

Aus der Untersuchung geht klar bevor: In Ostdeutschland sieht es besser aus als in vielen westdeutschen Städten. In Leipzig sind über 70 Prozent der Gebäude in den Energieklassen A+ bis D und damit energetisch auf einem guten Niveau.

In diesen Städten in Deutschland stehen die Häuser, die bald saniert werden müssen

Im gesamtdeutschen Schnitt besteht aber eindeutig Handlungsbedarf. 56,76 Prozent aller untersuchten Gebäude sind in den Klassen E bis H und müssten damit als erstes saniert werden. In folgenden Städten weisen über zwei Drittel der Häuser eine schlechte Energieklasse aus:

  1. Kiel: 82 Prozent
  2. Bochum: 80,6 Prozent
  3. Bremen: 74,69 Prozent
  4. Stuttgart: 72,80 Prozent
  5. Bielefeld: 71,74 Prozent
  6. Gelsenkirchen: 70,21 Prozent
  7. Augsburg: 69,39 Prozent
  8. Bonn: 69,09 Prozent
  9. Frankfurt: 68,89 Prozent
  10. Wuppertal: 68,53 Prozent
  11. Dortmund: 67,89 Prozent
  12. Essen: 67,81 Prozent

Doch obwohl bei den Energiekosten deutlich gespart werden kann, wenn ein Haus saniert ist, wollen es viele Eigentümer einer neuen Studie der Direktbank ING nicht tun. „Ich würde nur sanieren, wenn ich gesetzlich dazu verpflichtet wäre“ – das haben 30,4 Prozent der von der Bank befragten Eigentümer geantwortet. 26,9 Prozent der Befragten sagten, sie würden nur sanieren, wenn sie von den Einsparungen überzeugt wären. Und 18,3 Prozent nannten staatliche Förderung als wesentlichen Grund für das Sanieren ihrer Immobilie.

Sanieren ist zu teuer: Mehr staatliche Förderung notwendig für den Sanierungsboom

Die ING hat auch gefragt, warum die Personen ihre Immobilie bisher nicht saniert haben und die Ergebnisse dürfen kaum überraschen: 36,1 Prozent sagten, es sei schlicht zu teuer und die staatlichen Förderprogramme reichten nicht aus. „Die Ergebnisse legen nahe, dass die Befragten im Hin und Her um gestoppte und dann wieder aufgenommene Förderprogramme den Überblick verloren haben. Denn Fördermaßnahmen bestehen durchaus. Sowohl für den klimafreundlichen Neubau als auch Sanierung und Modernisierung bestehender Gebäude“, so die Studienautoren. Eine neue Regierung müsste sich also dem Thema annehmen: Eine Mischung aus Peitsche (Sanierungszwang) und Zuckerbrot (staatliche Unterstützung) würde hier der ING-Studie zufolge am erfolgversprechendsten sein.

„Die grüne Wende am Wohnimmobilienmarkt ist unter deutschen Verbrauchern kein Herzensprojekt und wird vermutlich auch keines werden. Zu schwer wiegen die vielfältigen finanziellen Friktionen, die mit der grünen Sanierung einhergehen. Für das erfolgreiche Gelingen des Projektes braucht es also beides: Zuckerbrot, um die Hemmnisse grüner Investitionen abzubauen, und Peitsche, um die Investitionsaktivität überhaupt in Fahrt zu bringen“, lautet das Fazit.

Aus diesem Grund betont auch der BDI in ihrem Maßnahmenkatalog für mehr Wachstum in Deutschland auch die Bedeutung der Förderprogramme. Die bestehenden Programme zum Heizungstausch sollten nach ihrer Ansicht mindestens für die nächsten zehn Jahre bestehen. Das sollte auch kommuniziert werden. Generell ist das Thema Kommunikation dem Verband ein besonderes Anliegen: „Gebäudeeigentümer und -nutzer müssen in einer Informationskampagne ansprechend und adressatengerecht über Anforderungen und Wege zu mehr Klimaschutz bei Gebäuden informiert werden.“ Dabei sollten ihnen die Einsparpotenziale aufgezeigt werden.

Rubriklistenbild: © MartinxM/Imago

Mehr zum Thema