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Aufhebung der Rente mit 63: Experten für die Abschaffung der Frührente

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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Wenn es machbar ist, möchten die meisten Deutschen nicht bis zum 67. Lebensjahr arbeiten. Die vorzeitige Pensionierung bleibt verlockend - daher plädieren Wirtschaftsexperten für die Abschaffung der Anreize.

München – Die Debatte um die Abschaffung der umgangssprachlich genannten „Rente mit 63“ entflammt immer wieder. Im Bundestagswahlkampf haben sich alle Parteien zwar zu der Frührente bekannt; doch ob das für immer halten kann, ist alles andere als sicher. Denn es gibt aus rein wirtschaftlicher Sicht gute Gründe für die Abschaffung dieses Rentenmodells.

Rente mit 63 ist teuer und verschärft den Fachkräftemangel: Das sagen Ökonomen

In ihrem Jahresgutachten im November 2024 haben die „Wirtschaftsweisen“ zum wiederholten Mal dafür geworben, die abschlagsfreie Frührente „kritisch zu hinterfragen“. Die Spitzenökonomen haben dafür zwei wesentliche Gründe:

  1. Die abschlagsfreie Frührente nach 45 Versicherungsjahren verschärft den Fachkräftemangel
  2. Die „Rente mit 63“ kostet der Rentenkasse und dem Staat zu viel Geld

Die Ausgaben für den Bereich Soziales nehmen mittlerweile 36 Prozent des Bundeshaushalts ein. Das verringert die Spielräume des Staates für Investitionen in andere Zukunftsfelder, wie zum Beispiel in die Infrastruktur, Bildung oder in die grüne Transformation. „Nur wenn der Anstieg der Sozialausgaben gedämpft wird, kann erreicht werden, dass Mindestquoten (etwa für Bildungs- oder Verteidigungsausgaben) auch langfristig eingehalten werden können“, schreiben die Sachverständigen daher auch in ihrem Gutachten.

Frührente wird nicht von Schwerarbeitern genutzt: Diese Rente ist wenig zielgenau

Befürworter der „Rente mit 63“ betonen, dass es eine Belohnung für Menschen geben müsse, die viele Jahre lang hart gearbeitet haben. Um 45 Versicherungsjahre aufweisen zu können, muss man schließlich mit 18 angefangen haben, in die Rentenkasse einzuzahlen. Es geht also um den wohlverdienten Ruhestand für Menschen, die lange etwas geleistet haben.

Die Idee ist gut, geht aber an der Realität vorbei. Denn wie mehrere Studien bereits nachgewiesen haben, wird diese Rentenform am häufigsten von Berufsgruppen mit niedriger Arbeitsbelastung in Anspruch genommen. 2024 stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fest, dass weniger als ein Drittel der Berechtigten in ihrem Leben einer hohen Belastung im Job ausgesetzt waren. Dabei zählte das Wirtschaftsinstitut sowohl körperliche als auch psychosoziale Belastung. 40 Prozent der Frührentner waren im Arbeitsleben nur leicht bis mäßig belastet.

Der Fachkräftemangel in Deutschland wird durch die Frührente verstärkt. Aus der Wirtschaft kommt die Forderung, die Rente mit 63 abzuschaffen (Symbolbild).

Andere Länder haben dieses Problem übrigens anders behandelt. In Österreich gibt es die Schwerarbeitspension für Personen, die mindestens zehn Jahre lang in Berufen gearbeitet haben, die als Schwerarbeit klassifiziert werden. Diese Gruppen können dann früher in Rente gehen.

Viele Rentner schaffen es nicht zur „Rente mit 63“

Diejenigen, die in Deutschland einer belastenden Arbeit nachgegangen sind, schaffen es oft nicht, bis 63 oder 65 Jahre zu arbeiten. Sie nutzen dann die Erwerbsminderungsrente. Die abschlagsfreie Frührente ist im aktuellen Modell also nicht sehr zielgenau und wird hauptsächlich von gutverdienenden Fachkräften genutzt.  „Die Voraussetzung für die Rente mit 63 erfüllen Menschen, die lange gearbeitet und gut verdient haben. Das sind nicht unbedingt die, die körperliche Belastungen hatten und es sind ganz überwiegend Männer“, sagt auch Enzo Weber vom Institut für Arbeits- und Berufsforschung zum Bayerischen Rundfunk.

Gefordert wird daher, die abschlagsfreie Frührente zu beenden und nur noch die Möglichkeit der Frührente mit Abschlägen anzubieten. Dann könnten diejenigen, die möchten, immer noch vorzeitig aus dem Berufsleben aussteigen – müssten aber einen Preis zahlen. Dadurch wird auch die ohnehin angeschlagene Rentenkasse finanziell zumindest etwas entlastet.

Statt früher in Rente lieber weiterbilden: Fachkräfte werden gebraucht

Enzo Weber plädiert gegenüber dem BR außerdem dafür, statt der Frührente mehr dafür zu tun, dass Menschen im Job bleiben, zum Beispiel, indem sie weitergebildet werden. „Wenn Menschen schwer gearbeitet haben, ist es gerechtfertigt, dass man ihnen eine frühere Rente geben möchte. Aber: Über die nächsten 15 Jahre verlieren wir sieben Millionen Arbeitskräfte in Folge der Alterung. Wir sollen also nicht auf Frühverrentung setzen, sondern darauf, Menschen weiterzuentwickeln in verwandte Bereiche, wo sie Ihre Stärken einsetzen können.“

Die Politik weiß, dass die Rente mit 63 eigentlich zu teuer angesichts der viele Herausforderungen im Land ist. Doch sie scheut sich, die Rente mit 63 abzuschaffen, schließlich weiß sie auch um ihrer Beliebtheit. Pro Jahr nutzen nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung rund 250.000 Menschen die abschlagsfreie Frührente. 200.000 Menschen gehen jährlich mit Abschlag früher in Rente. Allein daran lässt sich erkennen, wie unbeliebt die Abschaffung der abschlagsfreien Frührente wäre – trotz der steigenden Kosten für das Unterfangen.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Maria Maar / Westend61

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