Türkei zeigt sich offen

Assads Fall: Ist Weg frei für Gas-Pipeline durch Syrien nach Europa?

  • Marcus Giebel
    VonMarcus Giebel
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Einst sollte Gas aus Katar über eine Pipeline durch Syrien nach Europa transportiert werden. Mit dem Sturz von Baschar al-Assad könnte dieses Vorhaben wieder aktuell werden.

Düsseldorf – Baschar al-Assad hat nach dem Ende seiner Diktatur in Syrien das Weite gesucht. Wohin das gebeutelte Land nach rund zehn Jahren Bürgerkrieg steuert, ist noch unklar. Nicht nur der Westen hofft aber, dass sich nach dem Sturz des von Russland protegierten Machthabers neue Türen öffnen. Oder auch alte.

In der Türkei kommt bereits ein wegen Assads Intervention vor 15 Jahren gestopptes Projekt wieder auf den Tisch: eine Gas-Pipeline, die von Katar aus durch Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien und eben die Türkei bis nach Europa führen soll.

Gas-Pipeline zwischen Katar und Europa? Türkei nach Assad-Sturz offen für Projekt

„Warum nicht, wenn Syrien Einheit und Stabilität erreicht hat?“, reagierte der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar laut Türkiye Today nach einem Treffen des Kabinetts am Dienstag (10. Dezember) auf eine entsprechende Frage und ergänzte: „Falls es dazu kommt, muss die Route sicher sein. Hoffen wir, dass es so kommt, denn das wäre unser Wunsch.“

Auch die Forscherin Büsra Zeynep Özdemir von der türkischen Denkfabrik Seta hält einen neuen Anlauf für möglich: „Sollte die aktuelle Situation nach Errichtung eines stabilen Regimes in Syrien anhalten, ist davon auszugehen, dass das Projekt in der Region auf keine politischen Hindernisse stoßen wird.“ Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass es sich fraglos um eine „in jeder Hinsicht“ große Pipeline handeln würde.

Lebt nach seinem Sturz ein altes Pipeline-Projekt wieder auf? Baschar al-Assad verhinderte einst die mögliche Gaslieferung durch Syrien.

Gas aus Katar für Deutschland? Plan der Klimaneutralität lässt Pipeline unrealistisch erscheinen

Für die 1500 Kilometer lange Konstruktion soll damals mit zehn Milliarden US-Dollar an Kosten kalkuliert worden sein. Gerade angesichts des Ukraine-Kriegs, in dessen Folge sich viele westliche Gas-Kunden Russlands von Moskau abgewendet haben, dürfte ein solches Projekt auch in Europa auf offene Ohren stoßen.

Zwar setzen Deutschland und andere Nationen nun verstärkt auf Flüssigerdgas (LNG), doch dieses gilt wegen der nötigen Umwandlung vor und nach dem Transport als teurer. Außerdem sind die Lieferketten anfälliger.

Und dennoch würde die Pipeline für Gas aus Katar in Europa wohl nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen werden. Im Handelsblatt verweist der Energieexperte Georg Zachmann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel auf den EU-Plan, bis 2050 klimaneutral zu werden: „Europa kann kein Interesse daran haben, sich über Jahrzehnte zur Abnahme großer Gasmengen zu verpflichten.“ Schon von den frühen 2030er-Jahren an dürfte sich für Europa eine neue Gas-Pipeline nicht mehr lohnen, schätzt er.

Syrien-Rebellen stürzen Assad: Die Bilder des Machtwechsels

Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt. In ganz Syrien versammeln sich Menschen, um den Sturz der syrischen Regierung zu feiern.
Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt und hat das Land verlassen. Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Im ganzen Land versammeln sich Menschen wie hier in der Hauptstadt Damaskus auf den Straßen. Sie feiern den Sturz der syrischen Regierung und das Ende der über 50 Jahre andauernden Herrschaft der Assad-Dynastie.  © dpa/DIA Photo/AP | Ugur Yildirim
Ein zerbrochenes Porträt des syrischen Ex-Präsidenten Hafez Assad liegt auf dem Boden. Menschen durchwühlten die Privatwohnung des geflohenen Machthabers Baschar al-Assad.
Ein zerbrochenes Porträt des syrischen Ex-Präsidenten Hafez Assad liegt auf dem Boden. Der im Jahr 2000 verstorbene Hafez Assad war der Vater Baschar al-Assads und herrschte von 1970 bis zu seinem Tod über das Land. Bürgerinnen und Bürger strömten auch in den Präsidentenpalast und in eine Privatwohnung des geflohenen Machthabers. © dpa/AP | Hussein Malla
Menschen gehen durch die Hallen des Präsidentenpalastes des syrischen Präsidenten, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Der Präsidentenpalast wird nach dem Sturz Baschar al-Assads in Syrien zu einem Publikumsmagenten. Hunderte Menschen strömten in den Protzbau des Ex-Präsidenten und wandelten durch die Hallen. © Hussein Malla / dpa
Eine Gruppe von Menschen macht ein Familienfoto, während sie auf einer Couch in einem Saal des Präsidentenpalastes, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Eine Gruppe von Menschen macht ein Familienfoto, während sie auf einer Couch in einem Saal des Präsidentenpalastes, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © dpa/AP | Hussein Malla
Syrische Oppositionskämpfer stehen vor dem beschädigten Eingang der iranischen Botschaft, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Syrische Oppositionskämpfer stehen vor dem beschädigten Eingang der iranischen Botschaft, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © dpa/AP | Hussein Malla
Syrische Oppositionskämpfer entfernen eine syrische Regierungsflagge von einem offiziellen Gebäude in Salamiyah, östlich von Hama.
Syrische Oppositionskämpfer entfernen eine syrische Regierungsflagge von einem offiziellen Gebäude in Salamiyah, östlich von Hama. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Überall auf den Straßen feiern Menschen den Sturz Assads.
Überall auf den Straßen feiern Menschen den Sturz Assads. © dpa/AP | Emrah Gurel
Ein Satellitenbild von Maxar Technologies zeigt eine riesige Menschenansammlung in Aleppo.
Ein von Maxar zur Verfügung gestelltes Satellitenbild zeigt feiernde Menschen auf den Straßen Aleppos. © dpa/Maxar Technologies/AP | Uncredited
Rauchschwaden im Hintergrund, während Einwohner und Oppositionskämpfer auf einem zentralen Platz in Damaskus feiern.
Rauchschwaden im Hintergrund, während Einwohner und Oppositionskämpfer auf einem zentralen Platz in Damaskus feiern. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Menschen versammeln sich zur Feier des Sturzes der syrischen Regierung in einer Glaubensmoschee.
Menschen versammeln sich zur Feier des Sturzes der syrischen Regierung in einer Glaubensmoschee. © dpa/AP | Emrah Gurel
Rebellen-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani spricht in der Umayyaden-Moschee nach der Machtübernahme in Syrien.
Rebellen-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani spricht in der Umayyaden-Moschee nach der Machtübernahme in Syrien. © dpa/AP | Omar Albam
Ein Bild von Baschar al-Assad in der Stadt Hama ist durchlöchert von Kugeln.
496721846.jpg © Omar Albam / dpa
Überläufer stellen sich in einer Reihe auf, um ihre Daten bei den syrischen Aufständischen in Aleppo, Syrien, zu registrieren.
Überläufer stellen sich in einer Reihe auf, um ihre Daten bei den syrischen Aufständischen in Aleppo, Syrien, zu registrieren. © dpa/AP | Omar Albam
Nachdem syrische Rebellen Hama erob ert haben, fliehen Menschen aus der Stadt.
Nachdem syrische Rebellen Hama erobert haben, fliehen Menschen aus der Stadt. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Oppositionskämpfer fahren an Panzern der Regierungstruppen vorbei, die auf einer Autobahn zurückgelassen wurden, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Oppositionskämpfer fahren an Panzern der Regierungstruppen vorbei, die auf einer Autobahn zurückgelassen wurden, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © Hussein Malla / dpa
Eine zerstörte Straße nach einem Angriff der syrischen Armee in Aleppo.
Eine zerstörte Straße nach einem Angriff der syrischen Armee in Aleppo. © Anas Alkharboutli / dpa
Ein syrischer Oppositionskämpfer hält einen Raketenwerfer vor dem Büro der Provinzregierung, an dessen Fassade ein Bild des syrischen Präsidenten Baschar Assad von Kugeln durchlöchert ist.
Ein syrischer Oppositionskämpfer hält einen Raketenwerfer vor dem Büro der Provinzregierung, an dessen Fassade ein Bild des syrischen Präsidenten Baschar Assad von Kugeln durchlöchert ist. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Ein Kind erklimmt eine abgerissene Statue des ehemaligen Präsidenten Hafis al-Assad. In ganz Syrien wurden derartige Statuen gestürzt.
Ein Kind erklimmt eine abgerissene Statue des ehemaligen Präsidenten Hafis al-Assad. In ganz Syrien wurden derartige Statuen gestürzt. © dpa/IMAGESLIVE via ZUMA Press Wire | Juma Mohammad
Ein im Bürgerkrieg zerstörtes Fahrzeug der syrischen Armee.
Ein im Bürgerkrieg zerstörtes Fahrzeug der syrischen Armee. © IMAGO/Rami Alsayed
Ein syrischer Oppositionskämpfer zerreißt am internationalen Flughafen von Aleppo ein großes Bild, das den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seinen verstorbenen Vater Hafis al-Assad zeigt.
Ein syrischer Oppositionskämpfer zerreißt am internationalen Flughafen von Aleppo ein großes Bild, das den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seinen verstorbenen Vater Hafis al-Assad zeigt. © dpa/AP | Omar Albam
Eine zerbrochene Büste des alten syrischen Präsidenten Hafez Assad
Eine zerbrochene Büste des alten syrischen Präsidenten Hafez Assad, Vater des jetzigen Präsidenten Baschar al-Assad, liegt auf einem von Oppositionskämpfern zerstörten Fliesenboden in Aleppo. © dpa/AP | Omar Albam
Syrische Oppositionskämpfer stehen auf einem beschlagnahmten Kampfjet auf einem Militärflughafen nahe der Stadt Hama.
Syrische Oppositionskämpfer stehen auf einem beschlagnahmten Kampfjet auf einem Militärflughafen nahe der Stadt Hama. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Syrer feiern die Ankunft der Rebellen in Damaskus auf einem Panzerfahrzeug.
Syrer feiern die Ankunft der Rebellen in Damaskus auf einem Panzerfahrzeug. © dpa/AP | Omar Sanadiki
Noch im Morgengrauen feierten Menschen die Ankunft der Rebellen in Damaskus. Immer wieder feuerten Syrer mit Gewehren in die Luft.
Noch im Morgengrauen feierten Menschen die Ankunft der Rebellen in Damaskus. Immer wieder feuerten Syrer mit Gewehren in die Luft. © dpa/AP | Omar Sanadiki
Auch in Deutschland feierten die Exil-Syrer die Flucht von Assad. Hier etwa in Mainz.
Auch in Deutschland feierten die Exil-Syrer die Flucht von Assad. Hier etwa in Mainz. © dpa | Andreas Arnold

Türkei offen für Gas-Pipeline: Ankara könnte Preis für Europa bestimmen

Hinzu komme die Rolle der Türkei, die im Grunde die Gaslieferung managen könnte. Zachmann betont, es sei Ankaras Wunsch, billiges Gas zu bekommen, das mit Aufpreis nach Europa weiterverkauft werden könnte. Ähnlich sieht es in dem Artikel auch Gasmarkt-Expertin Aura Sabadus vom Preis-Informationsdienst ICIS. Sie gibt zu bedenken: „Die Türkei hat immer davon geträumt, eine Drehscheibe für Gas zu werden und die Flüsse nach Europa zu kontrollieren.“

Ursprünglich war angedacht, das von Katar aus in die Türkei gelieferte Gas über die einst geplante Nabucco-Pipeline in Richtung Westeuropa weiterleiten zu können. So hätte die Abhängigkeit von russischem Gas verringert werden können. Doch das Nabucco-Projekt scheiterte letztlich im Jahr 2013.

Könnte sich für eine Gas-Pipeline zwischen Katar und der Türkei begeistern: Der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar will die Entwicklung in Syrien abwarten.

Gas-Pipeline durch Syrien nach Assad-Sturz: Projekt müsste mehrere Hürden überwinden

Ohnehin werden vom Handelsblatt noch weitere Hürden für die Pipeline zwischen Katar und der Türkei genannt. So wäre einem namentlich nicht genannten Berater der katarischen Regierung zufolge eine Verständigung mit Saudi-Arabien schwierig, da nach dem 2017 von Riad verhängten Handelsembargo gegen den kleinen östlichen Nachbarn noch immer ein Restmisstrauen bestehe.

Er befürchtet auch, dass die instabile Situation in Katar „noch länger so bleibt“. Eine mögliche Alternativ-Route könnte Syrien umgehen und stattdessen durch Israel und Griechenland führen. Dann aber würde auch die Türkei in die Röhre gucken.

Eine weitere Option bringt Zachmann ins Spiel. So könnte die Gas-Pipeline später einmal für den Transport von Wasserstoff genutzt werden. Dagegen spreche jedoch, dass das Volumen wegen der anderen Dichte durch vier teilen müsse. Offensichtlich auch keine Ideallösung.

Es scheint also höchst fraglich, ob Assads Flucht den Weg für die Pipeline mit Startpunkt in Katar freigemacht hat. Mutmaßlich kam sein Sturz dafür ein paar Jahre zu spät. (mg)

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