Pflegebeiträge steigen immer weiter
Rente reicht nur für den halben Beitrag – Kostenexplosion bei der Pflege
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst. Gleichzeitig steigen die Kosten für den Heimaufenthalt. Ein Verband warnt vor dieser Entwicklung.
Berlin – Deutschlands Bevölkerung wird immer älter. Gleichzeitig steigen die Kosten in der Pflege. Zwischen 2010 und 2020 haben sie sich mehr als verdoppelt. Wer also entweder im Alter oder unfallbedingt auf Pflege angewiesen ist, muss immer tiefer in die Tasche greifen. Vonseiten der Verbände gibt es bereits Warnungen: Die Politik sei gefordert, um zu verhindern, dass Pflegebedürftige weiter draufzahlen.
Höhere Beiträge für die Pflege – Verband warnt vor steigenden Kosten
Wie viel Pflegebedürftige für den Aufenthalt im Pflegeheim aus eigener Tasche zahlen müssen, hatte zuletzt ein Branchenverband ermittelt. Im Bundesdurchschnitt legen sie dafür pro Monat einen Eigenanteil von 2.871 Euro hin (im ersten Aufenthaltsjahr). Gegenüber der Erhebung von 2023 bedeutet das einen Anstieg um 211 Euro. Je länger sie im Pflegeheim verweilen, umso weniger zahlen sie für den Aufenthalt – doch selbst ab dem vierten Aufenthaltsjahr beläuft sich der Eigenanteil noch auf 1.865 Euro im Monat. Das hatte eine Auswertung des Verbands der Ersatzkassen e.V. (vdek) vom 1. Juli 2024 ergeben.
Die Eigenbeteiligung setzt sich dabei aus drei Teilen zusammen:
| Kosten für Unterkunft und Verpflegung | 955 Euro im Monat |
|---|---|
| Investitionskosten | 490 Euro im Monat |
| Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE, beinhaltet auch die steigenden Kosten für das Pflegepersonal) | 1.678 Euro im Monat (alles Stand 1.7.2024, vdek) |
Die Eigenbeteiligung fällt über einen längeren Zeitraum hinweg immer niedriger aus, weil die Pflegekasse entsprechende Zuschüsse zum EEE beisteuert. Im ersten Aufenthaltsjahr betragen diese Zuschüsse 15 Prozent des EEE, im zweiten 30 Prozent, ab dem dritten Jahr 50 Prozent und ab dem vierten 75 Prozent des zu zahlenden EEE.
Pflege kostet das Doppelte von der Rente
Ein Blick auf die durchschnittliche Rente zeigt, warum die hohen Pflegekosten für Rentner ein enormes Problem sind. Laut dem Arbeitsministerium lag die Durchschnittsrente (Stand Juli 2023) bei 1.543 Euro, falls der Rentner mindestens 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat. Mit der gesetzlichen Rente könnten Rentner also etwas mehr als die Hälfte ihres monatlichen Pflegeheimbeitrags bezahlen.
Noch krasser wird es beim Blick auf bestimmte Bundesländer. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel erhält ein Rentner nach Angaben des Bundeslands weniger als 1.360 Euro im Monat.
Welche Kosten der Pflege die Versicherung übernimmt – und wofür sie anfallen
Einen Teil der Kosten können Betroffene über die Pflegeversicherung abdecken. Laut der Verbraucherzentrale entfällt vor allem auf die Pflege und Betreuung ein großer Anteil, insbesondere für das Pflegepersonal. Die Pflegeheimbetreiber haben je nach Heim und Bundesland auch das Recht, den Pflegebedürftigen einen Beitrag der Ausbildungsvergütung anzulasten. So stützen sie direkt die Ausbildung neuer Pflegefachkräfte in der Altenpflege und Altenpflegehilfe.
Je nachdem, wie agil die Pflegebedürftigen noch sind, kann ein Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) oder der Pflegeversicherung einen Zuschuss zu den Pflege- und Ausbildungskosten bewirken. Wie hoch der ausfällt, ist davon abhängig, welcher Pflegegrad beim jeweiligen Betroffenen festgestellt wird. Die Abstufung erfolgt von 1 bis 5, wobei 1 bedeutet, dass der Pflegebedürftige vergleichsweise wenig Unterstützung braucht – bei Pflegegrad 5 ist jede Menge Unterstützung notwendig. Ab dem zweiten Pflegegrad zahlt die Pflegekasse eine monatliche Summe ans Pflegeheim.
| Pflegegrad 2 | 770 Euro |
|---|---|
| Pflegegrad 3 | 1.262 Euro |
| Pflegegrad 4 | 1.775 Euro |
| Pflegegrad 5 | 2.005 Euro (Quelle: Pflegeschutzverbund) |
Wegen der Verteuerung der Pflegekosten fordert der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) eine politische Intervention und Stärkung der sozialen Pflegeversicherung (SVP). „Jetzt brauchen wir schnell politische Lösungen, damit die (...) Beiträge nicht Jahr für Jahr weiter steigen und die Belastung der Pflegebedürftigen durch Eigenanteile nicht zu groß wird“, sagte Uwe Klemens, ehrenamtlicher Verbandsvorsitzender (Versichertenvertreter), in einer Verbandsmeldung. Schon 2025 drohe der nächste Beitragssatzanstieg von 0,2 Prozentpunkten. Es werde ein Milliardendefizit erwartet.
Kinder müssen für Pflege der Eltern aufkommen – falls das Geld zu knapp ist
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen warnte davor, dass auch die Kinder von pflegebedürftigen Eltern zur Kasse gebeten werden können, sollten diese für die Kosten nicht aufkommen können. Falls die Pflegeversicherung, die Rente und das Vermögen die Kosten nicht ausreichend decken, sind die nächsten Angehörigen gefordert. „Oft heißt das: Kinder haften für ihre Eltern“, zitierte die Bild die Verbraucherzentrale dazu.
Seit 2020 müssen Kinder allerdings nur noch dann den Unterhalt für pflegebedürftige Eltern zahlen, falls sie (ohne Ehepartner) mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen. Das legt das sogenannte Angehörigen-Entlastungsgesetz fest. Falls die Eltern Zuschüsse vom Staat beziehen, weil das Pflegeheim sonst zu teuer wäre, kann der Sozialhilfeträger von den Kindern eine Offenlegung über Einkommen und Vermögen verlangen.
Das betrifft aber wirklich nur die direkten Kinder – nicht zum Beispiel Geschwister, Cousins, Onkel oder Tanten der pflegebedürftigen Person. Für Eheleute gelte das Angehörigen-Entlastungsgesetz nicht – für den Fall, dass ein Ehepartner ins Pflegeheim kommt, muss der andere sich an den Heimkosten beteiligen.
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