Ein Schild weist den Weg zum nahegelegenen Pflegeheim. Für manche Rentner führt dieser zudem in die Armut.
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Ein Schild weist den Weg zum nahegelegenen Pflegeheim. Für manche Rentner führt dieser zudem in die Armut.

Rente reicht oft nicht

Ein Leben lang gearbeitet, um am Ende zu betteln: Wenn Rentnern das Geld fürs Pflegeheim nicht mehr reicht

Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld? Wer ins Heim muss, dem kann der finanzielle Absturz drohen. Es gibt Hilfen. Doch reichen die aus? Sicher ist: Die Zahl Pflegebedürftiger steigt.

Karlsruhe/Heilbronn - Das ganze Leben lang gearbeitet und am Ende um Sozialhilfe betteln müssen? Dass das einmal eintreten könnte, hat sich ein Rentner aus Heilbronn nie vorstellen können. Seit er im Pflegeheim ist, schon. Mit der Rente allein kann er sich das Heim nicht leisten. Das Ersparte, mit dem er bislang den Eigenanteil für die stationäre Pflege bestritt, ist nach eineinhalb Jahren aufgebraucht. Herr H. hat beim Sozialamt Hilfe zur Pflege beantragt. Mit dem Schicksal ist er bei Weitem nicht allein.

Kein Einzelfall, sagt auch David Kröll von der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA), die den Fall betreut: „Der Anteil der Sozialhilfeempfänger in den Heimen wächst seit Jahren immer weiter und liegt in den meisten Gegenden schon bei mehr als einem Drittel.“ Dass ein Teil der Pflegeheimbewohner den Eigenanteil nicht mehr selbst bezahlen kann, stellt man auch im baden-württembergischen Sozialministerium fest. Hinzu kommt ein Mangel an Pflegekräften: Vielen Heimleitern bereitet das große Sorge. „Die Not ist groß“, hört man aus der Branche.

Pflege im Heim wird immer teurer – vor allem in Baden-Württemberg

Denn die Pflege im Heim wird immer teurer. Besonders tief in die Tasche greifen müssen Senioren in Baden-Württemberg. Nach einer Auswertung des Verbands der Ersatzkassen (vdek) lag zum 1. Juli die Eigenbeteiligung bei durchschnittlich 2913 Euro pro Monat für einen Platz im ersten Jahr (bundesweit: 2548 Euro). Das waren 358 Euro mehr als im Vorjahr. „Bei einer Durchschnittsrente von rund 1500 Euro ist das Pflegeheim für einen Großteil der Älteren nicht mehr bezahlbar“, sagt Eckart Hammer, der Vorsitzende des Landesseniorenrats.

Das Sozialministerium erklärt die vergleichsweise hohen Kosten für Pflegeheime im Südwesten mit einem teils „deutlich besseren Personalschlüssel“ als in anderen Bundesländern. Mehr Pflegekräfte sind für hilfsbedürftige Senioren gut. Doch die Finanzierung wird für sie zum Problem, sagt Seniorenratschef Hammer.

„Wenn der Aufenthalt im Pflegeheim von immer mehr Menschen nicht mehr bezahlt werden kann, stimmt etwas nicht“, warnt Michael Mruck, Leiter der vdek-Landesvertretung Baden-Württemberg. Es sei dringend notwendig, pflegebedürftige Menschen finanziell zu entlasten.

Problem von der Pflegekasse erkannt, aber nicht gelöst

Es gibt Hilfen. Seit Anfang 2022 entlastet die Pflegekasse Heimbewohner mit Pflegegrad Zwei bis Fünf. Je länger sie im Heim sind, desto mehr. Die Höhe des Zuschlags beträgt in den ersten 12 Monaten 5 Prozent des Eigenanteils (ab 2024: 15 Prozent), nach 12 Monaten 25 Prozent (30 Prozent), nach 24 Monaten 45 Prozent (50 Prozent) und nach 36 Monaten 70 Prozent (75 Prozent).

Wenn es eng wird, können Pflegeheimbewohner auch „Hilfe zur Pflege“ nach dem Sozialgesetzbuch beantragen. Laut Statistischem Bundesamt gab es Ende 2022 in Baden-Württemberg 26 475 Empfänger von „Hilfe zur Pflege“ in Einrichtungen, bundesweit waren es rund 240 000 Menschen. Pflegebedürftige könnten nach Angaben des Ersatzkassen-Verbandes vdek auch bei der Kommune Wohngeld beantragen.

Hilfe für Rentner vom Staat? Gar nicht so einfach

Doch Unterstützung vom Staat zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Die gibt es erst, wenn das Ersparte bis auf ein Schonvermögen von 10 000 Euro aufgebraucht ist. Das Eigenheim muss zuvor in der Regel versilbert werden. Es sei denn, es gibt Ausnahmegründe. So ist laut Sozialministerium etwa ein vom Ehegatten bewohntes „angemessenes Hausgrundstück von der Verwertung ausgenommen“.

Das Sozialamt prüft auch Schenkungen und lehnt Anträge gegebenenfalls ab. So ging es dem vom BIVA-Pflegeschutzbund begleiteten Rentner aus Heilbronn. Er hatte sein Haus vor acht Jahren dem Sohn überschrieben, der darin lebt. Die Schenkung liege nicht weit genug zurück, so die Behörde. Auch sei das Haus mit 100 Quadratmetern Wohnfläche für eine Person zu groß. „Die Ablehnung des Sozialhilfeantrags und die Forderung, das Haus zu veräußern, sind für Vater und Sohn gleichermaßen katastrophal“, berichtet BIVA-Sprecher Kröll.

Der Druck der „Babyboomer“: 800.000 Pflegebedürftige bis 2060

Sein Verband fordert eine Umkehr des finanziellen Risikos vom Versicherten auf die Versicherung, einen „Sockel-Spitze-Tausch“. Heimbewohner würden dann nur einen Sockelbetrag bezahlen, der vorab kalkulierbar wäre. Alle weiteren Kosten müsste die Pflegeversicherung übernehmen.

Das fände auch Sozialminister Manne Lucha (Grüne) gut: So würde etwa verhindert, dass für mehr Pflegepersonal oder höhere Löhne automatisch die Heimbewohner zur Kasse gebeten werden. Eine solche Kosten-Neuverteilung müsste allerdings der Bund umsetzen; die Gesetzgebungskompetenz für die Pflegeversicherung liegt dort, betont sein Ministerium.

Michael Mruck, Leiter der vdek-Landesvertretung Baden-Württemberg, sieht aber auch die Länder in der Pflicht: Fast 500 Euro im Monat müssten Senioren dem Verband zufolge weniger zahlen, wenn die Länder zum Beispiel Investitionskosten für Pflegeeinrichtungen übernehmen würden.

Klar ist allen Seiten: Die Zeit drängt. Nach Berechnung des Statistischen Landesamts wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2060 deutlich steigen: Das Amt erwartet, dass bis dahin gut 800 000 Menschen auf Pflege angewiesen sein werden - 48 Prozent mehr als 2021. Grund sind die „Babyboomer“, jene geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1970. Sie kommen in die Jahre. Die Generation stellte Ende 2021 fast ein Viertel der Einwohner.

Gutes Sozialsystem für die Rente: Eine Frage des Zusammenhalts

Gute soziale Sicherungssysteme sind aus Sicht des Sozialministeriums wichtig für den sozialen Frieden. Seniorenratschef Hammer will sich nicht nur auf den Staat verlassen. Er rät Älteren, alles dafür zu tun, Pflegebedürftigkeit möglichst lange herauszuschieben. Das könnte aus Sicht des 69-Jährigen etwa gelingen durch ein gutes Netz in der Nachbarschaft, frühzeitig begründete „Wahlverwandtschaften“ und ambulante Wohngemeinschaften. Letztere bekommen zu seinem Bedauern im Gegensatz zur vollstationären Pflege im Heim allerdings keine staatlichen Entlastungszuschläge. (dpa, lf)

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