Rentenreformen genügen nicht

„Altersarmut ist weiblich“: Der Grund, warum Frauen im Ruhestand stärker diskriminiert werden

  • VonBleranda Shabani
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Immer mehr Frauen sind von Altersarmut betroffen, insbesondere durch unterbrochene Laufbahnen und niedrigere Rentenansprüche. Fachleute verlangen dringend Reformen, um die finanzielle Zukunft zu gewährleisten.

Frankfurt – In einer aktuellen Veranstaltung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bayern Süd wurden zentrale Fragen zur Altersvorsorge und der finanziellen Absicherung im Alter diskutiert. Die Finanzexpertin Helma Sick sowie die DRV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Verena Di Pasquale und Ivor Parvanov brachten unterschiedliche Perspektiven und Lösungen auf den Tisch. Besonders Frauen würden immer mehr in die Altersarmut fallen.

Frauen verarmen oft in der Rente: „Mann als Altersvorsorge“ genügt nicht

Helma Sick verwies auf die häufigen Karrieren, die durch Kindererziehung und familiäre Aufgaben unterbrochen werden, was sich negativ auf die Rentenansprüche auswirke. Laut einer Studie der Universität Mannheim wird die durchschnittliche Rentenlücke zwischen Frauen und Männern in Deutschland - bei einem gleichen Job - auf 26 Prozent geschätzt. Frauen erhalten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen mehr als ein Viertel weniger gesetzliche Rente vom Staat.

Besonders nach einer Trennung stünden viele Frauen ohne ausreichende Altersvorsorge da, berichtet das Rentenportal Ihre Vorsorge. Sie forderte daher, dass Frauen ihre finanzielle Zukunft eigenständig gestalten sollten, anstatt auf den „Mann als Altersvorsorge“ zu setzen.

Mehr Rente für Frauen: Abschaffung von Ehegattensplitting und beitragsfreier Krankenversicherung

Sick plädierte zudem für die Abschaffung staatlicher Anreize wie des Ehegattensplittings und der beitragsfreien Krankenversicherung für Familienangehörige. Diese Maßnahmen begünstigen ihrer Ansicht nach eine traditionelle Rollenverteilung, bei der Frauen oftmals in der Rolle der Hauptverdienerin im Haushalt und der Care-Arbeit zurückbleiben.

Das Ehegattensplitting führe dazu, dass sich die steuerliche Belastung oft zuungunsten der Frauen verschiebt, da deren Einkommen bei der gemeinsamen Veranlagung mit dem des Ehemanns zusammengelegt wird, was häufig zu höheren Steuerabgaben für Frauen führe. Die beitragsfreie Krankenversicherung für Familienangehörige verstärke diese Ungleichheit, da sie vor allem Frauen zugutekommt, die nicht selbst erwerbstätig sind oder nur in Teilzeit arbeiten.

Beide Regelungen würden eine traditionelle Rollenverteilung fördern, bei der Männer als Hauptverdiener und Frauen oft in der Rolle der Nebenverdienerinnen oder Hausfrauen bleiben. Sick rief deshalb Männer dazu auf, sich die Elternzeit mit ihren Partnerinnen zu teilen, um eine gleichwertige Lastenverteilung in der Familie zu erreichen und so zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit beizutragen.

Gescheitertes Rentenpaket: Rentenniveau wird in den nächsten Jahren sinken

Dr. Verena Di Pasquale setzte sich dem Bericht zufolge für eine Anhebung des Rentenniveaus. Das geplante Rentenpaket II stützte diese Forderung. Kern der Rentenreform war die langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent. Diese „Haltelinie“ sorgt dafür, dass das Rentenniveau nicht unter diesen Wert sinkt. Aktuell gilt sie nur noch bis zum nächsten Jahr.

Mit dem Gesetzentwurf sollte die Haltelinie bis zur Rentenanpassung im Juli 2039 festgeschrieben werden, sodass sie sich auf die Rentenzahlungen bis Juni 2040 auswirkt. Ohne diese Regelung würde das Rentenniveau laut Regierung bis dahin auf 44,9 Prozent sinken. Das Rentenpaket II wurde aber offiziell als gescheitert erklärt. Die FDP und CDU verweigern ihre Zustimmung und somit kann das Vorhaben in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden.

Frauen ab 65 sind besonders oft von Armut bedroht. (Symbolbild)

„Altersarmut ist weiblich“: Kann eine Mindestrente helfen?

In der Politik ist das Thema rund um die Rentenreform ein Dauerbrenner. Die Bemühungen der Bundesregierung werden den Anstieg der Altersarmut wohl nicht aufhalten können, sagt Präsident vom Deutschen Institut der Wirtschaft (DIW) Marcel Fratzscher. Dafür würde es an entschiedenen Prioritäten in der Rentenpolitik fehlen.

Die größte Schwäche des Rentenpakets besteht in der unzureichenden Absicherung gegen Altersarmut. Diese wird in den nächsten zwanzig Jahren deutlich zunehmen, da immer mehr Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien und niedrigen Löhnen in den Ruhestand gehen werden – insbesondere Frauen. „Altersarmut in Deutschland ist weiblich – und wird sogar noch zunehmen“, sagt Fratzscher in der ZEIT.

„Sinnvoll wäre die Einführung einer Mindestrente, ähnlich wie in Österreich oder in den Niederlanden, die allen Beschäftigten eine bedingungslose Mindestabsicherung im Alter garantiert. Dies wäre das effektivste Instrument gegen Altersarmut“, erklärt er.

Um die langfristige Funktionsfähigkeit des Rentensystems zu sichern, müssen jedoch Veränderungen auf tieferer Ebene stattfinden: „Es müssen mehr Menschen mit mehr Arbeitszeit und zu besseren Löhnen in den Arbeitsmarkt kommen, damit das umlagefinanzierte Rentensystem weiterhin leistungsfähig sein kann und Menschen in Zukunft einen besseren Schutz gegen Altersarmut haben.“

Rubriklistenbild: © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

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