3,4 Milliarden Euro im Jahr
„Abzocke-Vorwürfe“ stoßen auf Kritik – Stadtwerke-Vorschlag: Renten aus der Fernwärme finanzieren?
VonAmy Walkerschließen
Die ökologische Umgestaltung der Energieversorgung wird kostspielig. Insbesondere die Entkarbonisierung der Wärmeversorgung rückt in den letzten Jahren in den Mittelpunkt. Daher benötigen die Stadtwerke Finanzmittel.
Berlin – Die Fernwärme spielt in der Energieversorgung der Zukunft eine elementare Rolle. Sie hat aber auch einen schweren Stand in Deutschland, in der Zeit der Energiekrise ist sie teilweise sogar in Verruf geraten. Denn auch die Fernwärmeversorger mussten die Preise deutlich anheben – und die Kunden können sich nicht durch einen Anbieterwechsel zur Wehr setzen. Allerdings hat es auch Versorger gegeben, die mutmaßlich rechtswidrige Preiserhöhungen erlassen haben – entsprechend hat die Verbraucherzentrale auch Klagen eingereicht.
Fernwärme unter Generalverdacht – doch sie ist zentraler Baustein für die Energiewende
Seitdem steht die Fernwärme unter Generalverdacht. Zu teuer, zu wenig Transparenz, zu wenig Verbraucherschutz lauten die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Ganz fair ist diese Darstellung aber nicht, denn die Fernwärme ist ein dringender Baustein für die Wärmewende. In Deutschland müssen alle Kommunen bis spätestens 2028 einen Wärmeplan aufgestellt haben und herausgearbeitet haben, wie sie in Zukunft klimaneutral heizen wollen. Dabei wird die Fernwärme in vielen Orten die Lösung sein.
Doch damit der Ausbau der Wärmenetze auch wirklich vorangehen kann, wird viel Geld benötigt. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erwarten Kosten von 43,5 Milliarden Euro bis 2030. Daher fordern VKU und BDEW mehr Geld vom Staat, um die Fernwärme zu sichern.
Fernwärme muss stärker vom Staat gefördert werden: Stadtwerke fordern 3,4 Milliarden im Jahr
Bisher gibt es ein Bundesförderprogramm für die Stadtwerke, die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW). Das Programm wurde 2022 eingerichtet und ist bis 2026 mit drei Milliarden Euro gefüllt, wie das Wirtschaftsministerium auf ihrer Webseite erläutert. Das reicht aus Sicht der Stadtwerke nicht annähernd aus.
„Das BEW-Förderprogramm muss endlich angemessen finanziert werden“, sagten daher Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW und Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU in einer Pressemitteilung im Oktober. „Alle brauchen Planungssicherheit: Die Energieversorger, weil sie ihre Netze planen müssen. Die Kommunen, weil sie an den Wärmeplänen für ihre Stadt arbeiten. Und die Bürgerinnen und Bürger, weil sie wissen müssen, welche Technologie in ihrer Straße wirtschaftlich und technisch am sinnvollsten ist.“
Liebig und Andrae kritisierten auch die Diskussionen um die Fernwärme, die sie diskreditiert habe. „Wer die Fernwärme mit falschen Abzocke-Vorwürfen diskreditiert, gefährdet die Wärmewende insgesamt.“ Es gebe klare Regeln für die Preissetzung der Fernwärme.
Ende der Ampel gefährdet Wärmewende: Stadtwerke brauchen Planungssicherheit
Dann brach die Ampel-Koalition auseinander und die Aussicht auf eine zügige Anpassung der Fernwärmeverordnung und der Aufstockung des BEW rückten in weite Ferne. Damit rückt auch die klimaneutrale Wärmeversorgung für viele Kommunen aus dem Fokus – denn sie können zwar Wärmepläne aufstellen lassen, aber ohne die gesicherte Finanzierung bleibt unklar, ob sie auch umgesetzt werden können. Eine neue Umfrage des VKU, über den der Spiegel berichtet, offenbart diese Sorgen: Nur 38 Prozent der Stadtwerke sehen die bezahlbare Wärmeversorgung in Zukunft als gesichert an.
74 Prozent der Befragten sehen Wärmepumpen als größtes Potenzial für die Wärmeversorgung der Zukunft – darin eingeschlossen sind auch Großwärmepumpen, die ganze Wärmenetze versorgen. Ebenfalls relevant sind der VKU-Befragung zufolge Geothermie sowie die Abwärme aus Industrie und Müllverbrennung. Der aktuelle politische Stillstand verunsichert die Versorger aber, Stadtwerke wollen nicht ohne politische Zusicherungen ihr Geld auf den Tisch legen. „Um die Fernwärme massiv ausbauen zu können, brauchen wir klare rechtliche Rahmenbedingungen und kein ständiges politisches Hin und Her“, sagt daher Ingbert Liebing zum Spiegel.
Vorschlag des VKU: Versicherer sollen in die Fernwärme investieren und damit Renten zahlen
Er plädiert für die Einrichtung eines „Energiewende-Fonds“ in den auch Pensionskassen, Lebensversicherer und Versorgungswerke investieren könnten. Mit dem Geld könnten Stadtwerke in die Fernwärme investieren – und aus den Einnahmen könnten später die Renten der Versicherten bezahlt werden. Also ein Pendant zu Immobilienfonds, in die viele Versicherer und Pensionskassen durchaus investieren.
So oder so wird das Thema vermutlich erstmal auf die lange Bank geschoben. Denn 2025 wird voraussichtlich die vorläufige Haushaltsführung greifen, dann sind auch Förderstopps für andere Programme zu erwarten. Das Gegenteil von Aufstockung der Fördergelder also.
Rubriklistenbild: © Monika Skolimowska/dpa
