Neue Zahlen zur Altersarmut

1200 Euro Rente: Diesen Stundenlohn brauchen Sie in 45 Arbeitsjahren

  • Markus Hofstetter
    VonMarkus Hofstetter
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Neue Zahlen des Arbeitsministeriums zeichnen ein düsteres Bild: Millionen Menschen stehen vor einer Rente an der Armutsgrenze. Der Grund: Ein zu niedriger Stundenlohn.

Berlin - Viele Arbeitnehmer fragen sich, wie viel Rente sie im Alter bekommen. Rein theoretisch liegt der maximal erreichbare Betrag laut vermoegenszentrum.de bei rund 3540 Euro. In der Praxis ist dieser Betrag jedoch kaum zu erreichen, da man 45 Jahre lang ein Gehalt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze beziehen müsste. Diese liegt im Jahr 2024 bei 7550 Euro monatlich und steigt im Jahr 2025 auf 8050 Euro.

So viel muss man für 1200 Euro Rente verdienen: 45 Jahre lang müsste der Stundenlohn bei 17,27 Euro liegen

Etwas realistischer ist eine andere Rechnung. Nach der aktuellen Rentenformel ist derzeit rechnerisch ein Stundenlohn von 17,27 Euro nötig, um nach 45 Jahren ununterbrochener Vollzeitarbeit auf eine Rente von 1200 Euro zu kommen. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine schriftliche Frage von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hervor, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Ein Stundenlohn von 19,36 Euro ist demnach nötig, um eine monatliche Rente von 1314 Euro zu erhalten - die aktuelle Armutsgefährdungsschwelle für Alleinstehende.

Doch selbst dieses Rentenniveau ist für viele unerreichbar. Denn der Antwort zufolge verdienen derzeit rund 16 Millionen Beschäftigte weniger als 17 Euro brutto in der Stunde. Das sind rund 39 Prozent aller rund 40,8 Millionen Beschäftigten hierzulande. Ihnen droht eine monatliche Rente von weniger als 1200 Euro.

Vielen verdienen zu wenig, um von ihrer Renten leben zu können (Symbolbild)

So viel muss man für 1200 Euro Rente verdienen: Berechnung ist nur ist abstrakt

Das Arbeitsministerium spricht in seiner Antwort allerdings von „abstrakten“ Modellrechnungen, da unter anderem ein über 45 Jahre unverändertes Lohnverhältnis unterstellt wird. Außerdem müssten weitere Einkommen berücksichtigt werden, da die Rente in der Regel nicht das einzige Einkommen eines Haushalts sei.

Wagenknecht nimmt dies zum Anlass, die Einführung einer Mindestrente von 1500 Euro nach 40 Versicherungsjahren analog zu Österreich zu fordern. Zur Finanzierung sollen alle Erwerbstätigen in die Rentenkasse einzahlen, auch Bundestagsabgeordnete und Bundesminister sowie Beamte und Beamtinnen.

Rente ist in den Wahlprogrammen ein wichtiges Thema: Parteien setzen auf unterschiedliche Modelle

Auch bei den anderen Parteien ist die Rente ein wichtiges Thema in ihren Programmen für die Bundestagswahl 2025. So plant die Union unter anderem die Einführung einer Erwerbstätigenrente, bei der bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei bleiben, wenn man freiwillig über das gesetzliche Rentenalter hinaus weiterarbeitet. Für Kinder soll der Staat im Rahmen einer Frühstartrente monatlich zehn Euro in ein persönliches, kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot einzahlen.

Das Rentenniveau will die SPD bei 48 Prozent des durchschnittlichen Arbeitseinkommens festschreiben. Außerdem soll die steuerliche Förderung der Betriebsrente ausgebaut werden. Ähnlich wie die FDP mit ihrer Aktienrente wollen die Grünen den Kapitalmarkt für die Alterssicherung der Deutschen nutzen. Dieser „Bürgerfonds“ soll sich aus Krediten und Eigenkapital des Bundes zusammensetzen.

Renten-Meilensteine in Deutschland in Bildern – von Bismarck über Riester bis Müntefering

Otto von Bismarck brachte im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag.
Der Name Bismarck hallt bis heute nach. Auch weil Otto von Bismarck im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag brachte. Die Geburtsstunde der Rente in Deutschland. © Photo 12/www.imago-images.de
Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880.
Altersrente gab es damals aber erst ab dem vollendeten 70. Lebensjahr – die Lebenserwartung betrug damals nicht mal 50 Jahre. Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880. © imago stock&people/Imagebroker
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen.
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen. Rentenversichert waren zunächst Arbeiter und „kleine Angestellte“ mit Einkommen bis 2.000 Mark. Die Beiträge zahlten Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen. © IMAGO/GRANGER Historical Picture Archive
Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt.
Größere Reformen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts. Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt. Sie konnten schon ab 65 Jahren in Rente gehen – anders als Arbeiter. © imago stock&people/Arkivi
Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die deutschen Rentenversicherungsanstalten Überschüsse, die sie etwa in Wohnungsbau steckten. Entlassungswellen und Hinterbliebenenrenten änderten das schnell. Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich. © imageBROKER/GTW
Frauen im Ghetto Warschau bei erzwungener Näharbeit
Im NS-Regime werden Jüdinnen und Juden und andere verfolgte Gruppen aus der Rentenversicherung ausgeschlossen. Millionen von Zwangsarbeitern - im Foto: Frauen 1941 im Ghetto Dambrowa Gornicza bei erzwungener Näharbeit – bleiben ohne Rentenansprüche. Überschüsse der Kassen flossen in Kriegsanleihen. © Imago/Reinhard Schultz
Bundeskanzler Konrad Adenauer (r) gibt in Bonn seine Stimme für die Bundestagswahl 1957 ab
„Keine Experimente“ lautete Konrad Adenauers Slogan zur Bundestagswahl 1957. Bei der Rente wagte er aber eine Reform. Bis dato waren die Renten enorm gering, 50 DM war der Mindestsatz, der Durchschnitt nur unwesentlich höher. Nun änderte sich die Berechnung, Arbeiterrenten stiegen um etwa 60 Prozent. © DB/picture alliance/dpa
Willy Brandt im Jahr 1972.
Die nächste große Neuerung gab es unter Willy Brandt. Seit (dem Wahljahr) 1972 können auch Nicht-Pflichtversicherte in die Rentenversicherung einzahlen – etwa Selbstständige und Hausfrauen. Letzteres war ein Schritt zur Unabhängigkeit von den Ehemännern. Ab 1977 gab es dann auch einen „Versorgungsausgleich“ bei Scheidung. © Imago/Sven Simon
Norbert Blüm klebt Rentenplakat
„Die Rente ist sicher“: Auch mit diesem Satz blieb der mittlerweile verstorbene Arbeitsminister Norbert Blüm in Erinnerung. Auch Blüm kümmerte sich aber um die Lage der Rentnerinnen – er führte 1986 die „Mütterrente“ ein. Seither zählen Kindererziehungszeiten für die Rentenhöhe. © Peter Popp/picture-alliance/dpa
13 09 1985 Berlin Deutsche Demokratische Republik DDR Alte Frauen unterhalten sich
Die nächste große Herausforderung ist die Eingliederung der Bürger der ehemaligen DDR (hier ein Foto aus Ostberlin 1985) in die bundesdeutsche Rentenkasse. Die Deutsche Rentenversicherung preist rückblickend die Stärke des umlagefinanzierten Systems: „Die Rentenversicherung zahlte von einem Tag auf den anderen fast vier Millionen zusätzlicher Renten. Das wäre in einem kapitalgedeckten Rentensystem nicht vorstellbar gewesen.“ © imago stock&people/Franksorge
Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel
Die nächste Reform folgt dennoch – Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel (li.) müssen sparen, auch angesichts der alternden Bevölkerung. Ab 1992 steigen Altersgrenzen. Frauen und Arbeitslose (bislang bis 62 Jahren) und langjährige Versicherte (bis 63) müssen nun bis 65 arbeiten. Nur noch ein Jahr Kindererziehungszeit ist anrechenbar. © Michael Jung/dpa/picture-alliance
Koalitionsverhandlungen Riester Schröder
Auch Gerhard Schröders Rot-Grün hat ebenfalls Rentenpläne im Gepäck. Arbeitsminister Walter Riester leiht der „Riester-Rente“ seinen Namen – der Staat fördert auf ihrem Wege private Altersvorsorge. Das Modell gilt mittlerweile aber als Flop. Riester arbeitete später auch für Carsten Maschmeyers Finanzdienstleister AWD, dem die Reform gelegen gekommen sein dürfte. © picture-alliance / dpa | Hermann_J._Knippertz
Franz Münterfering und Angela Merkel 2007 im Bundestag.
Heikle Operation: SPD-Vizekanzler Franz Müntefering brachte 2007 die „Rente mit 67“ auf den Weg. Angela Merkels GroKo plante allerdings lange Übergangsfristen, noch bis 2031 dauert die Anhebung des Eintrittsalters an. Für Menschen, die 45 Jahre einzahlten, gab es eine Sonderregel. © Imago/Metodi Popow
Angela Merkel und Andrea Nahles 2017 bei einer Kabinettssitzung.
Müntefering war nicht mehr dabei als Merkels zweite GroKo 2017 das nächste „Rentenpaket“ schnürte. Arbeitsministerin war nun Andrea Nahles. Diesmal ging es um Erleichterungen. Langjährig Versicherte konnten nun ab 63 in Rente, die Mütterrente wurde ausgeweitet. 2018 kamen im „Rentenpakt“ (ohne drittes e) „Haltelinien“ für Beiträge und Rentenniveau hinzu. © Michael Kappeler/dpa/picture alliance
19 02 2017 Angleichung der Rente Rente Ostrente Westrente Ost West Altersruhegeld Angleichu
Fast 35 Jahre wird es gedauert haben – aber ab 2025 werden für die Rente in Ost- und Westdeutschland die gleichen Berechnungsgrößen gelten. Ein durchaus historischer Schritt. Beschlossen wurde er schon 2017. © imago stock&people/Steinach
Arbeitsminister Hubertus Heil – zuständig auch für die Rente – im Bundestag.
Die Evolution der Rente geht weiter: Seit 2021 gibt es die Grundrente als Zuschlag für Menschen, die unterdurchschnittlich verdient haben. Es wird nicht der Schlusspunkt sein: Angedacht – aber umstritten – ist die Aktienrente. Zugleich altert die deutsche Bevölkerung weiter, das Umlagesystem ist unter Druck. Ist die Rente sicher, auch über die Amtszeit von Hubertus Heil hinaus? Die Zukunft wird es zeigen. © Hannes P. Albert/dpa/picture-alliance

Für immer mehr Menschen reicht die Rente nicht zum Leben: Millionen haben weniger als 950 Euro Rente

Handlungsbedarf bei der Rente ist da. Denn immer mehr ältere Menschen erhalten eine Rente, die nicht zum Leben reicht. Als Existenzminimum gilt die Höhe der Grundsicherung im Alter, die Ende 2023 bei 942 Euro lag. Eine monatliche Rente von weniger als 950 Euro erhielten Ende vergangenen Jahres rund 7,9 Millionen Menschen in Deutschland, das waren 42,1 Prozent aller Altersrenten. Das geht aus Daten der Bundesregierung hervor, die der Bild-Zeitung vorliegen.

Rubriklistenbild: © Achille Abboud/imago

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