Hochbedürftiges Kind

Wenn das Baby ständig weint: 12 Zeichen für ein „High Need Baby“

  • Natalie Hull-Deichsel
    VonNatalie Hull-Deichsel
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  • Jasmina Deshmeh
    Jasmina Deshmeh
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Das Baby weint unentwegt, verlangt dauernd nach Nähe und schläft kaum? Dann könnten es sich um ein „High Need Baby“ handeln.

Der Begriff „High Need“ steht für besonders ausgeprägte Bedürfnisse. Zeigen Babys Verhaltensauffälligkeiten, für die es keine medizinische Ursache gibt, sprechen Kinderärzte von „hohen Bedürfnissen“. Ein Begriff, der sich für solche Kinder etabliert hat, ist „High Need Baby“. Er geht auf einen Professor für Kinderheilkunde aus Kalifornien, Dr. William Sears, zurück. Sears ist selbst achtfacher Vater und hat mit seiner vierten Tochter am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, ein hochbedürftiges Kind zu haben. Mithilfe seiner persönlichen Erfahrung entwickelte er einen Katalog mit zwölf Kriterien, die Eltern helfen zu erkennen, ob ihr Kind ein „High Need Baby“ ist.

High Need Baby: Zwölf Anzeichen, die dafür sprechen

Elternschaft ist eine Herausforderung. Und auch wenn alle Eltern das Ziel eint, ihre Kinder richtig zu erziehen, gehen die Wege dabei auseinander. Von Helikopter-, über Schneepflug- bis Panda-Eltern: Erziehungsstile gibt es viele. Der Kinderarzt Dr. William Sears möchte Eltern, gemeinsam mit seiner Frau, der Stillberaterin und Krankenpflegerin Martha Sears, Hilfestellungen bei bindungsorientierter und bedürfnisorientierter Erziehung leisten.

Babys weinen, weil sie ihre Bedürfnisse noch nicht anders ausdrücken können. Sogenannte „High Need Babys“ lassen sich dabei nur schwer beruhigen. (Symbolbild)

Bei diesem Erziehungsansatz pflegen Eltern einen engen, intensiven Kontakt zum Kind. Vor allem Babys sollen dabei in ihren ureigenen Bedürfnissen wahrgenommen werden und Eltern auf diese eingehen. Wie bedürftig ein Kind ist, kann ganz verschieden sein. Manchmal sind die Bedürfnisse dabei so hoch, dass von einem hochbedürftigen, einem „High Need Baby“ gesprochen werden kann.

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Basierend auf seinen eigenen Erfahrungen hat Sears zwölf Anzeichen zusammengefasst, die Eltern aufzeigen, dass ihr Baby „High Needs“ hat.

1. „Intense“: Das Baby braucht intensive Betreuung

Im Gegensatz zu anderen Säuglingen, die auch mal zufrieden in ihrem Kinderwagen liegen, sind „High Need Babys“ oft unruhig. Die Kleinen weinen oft und laut, wollen ständig gestillt (Clusterfeeding) oder gefüttert werden, fordern rund um die Uhr Aufmerksamkeit und Nähe von ihren Eltern. Meist schreien sie, wenn sie abgelegt werden. Da „High Need Babys“ sehr intensiv fühlen, reagieren sie auch empfindlicher, wenn ihre Gefühle gestört und ihre Bedürfnisse nicht direkt erfüllt werden.

2. „Hyperactive“: Das Baby scheint fast hyperaktiv

Die intensiven Gefühle eines „High Need Baby“ gehen oft mit einer ausgeprägten Körpersprache einher. Sie ballen ihre kleinen Fäuste, biegen ihren Rücken durch und spannen ihre Muskeln an. „Die Muskeln der Säuglinge mit hohen Bedürfnissen sind selten entspannt oder ruhig“, erklärt Kinderarzt Dr. Sears.

Mental Load, Stress, Schlafmangel, Einsamkeit: Dinge, die sich Eltern mit Kind anders vorgestellt haben

Mutter liegt mit Baby in der Wiese
Die Elternzeit wird schön, endlich Freizeit, wie Urlaub, abschalten und die Zeit mit dem Baby genießen, viel spazieren gehen, die angefangenen Bücher fertig lesen, neue Kochrezepte ausprobieren. Was sich gerade Mütter während der ersten Schwangerschaft ausmalen, entspricht in vielen Fällen nicht dem, wie es dann wird. Manche Mütter und Väter fühlen sich vom neuen Lebensabschnitt überrollt und trotz aller Vorbereitungen doch nicht genug vorbereitet. (Symbolbild) © Kzenon/Imago
Frau enttäuscht am Telefon
So sehr sich viele Mütter über den positiven Schwangerschaftstest und den Nachwuchs freuen, umso herausfordernder kann dann die Organisation rund um die Geburt werden. Je nachdem, in welcher Stadt sie leben, wird Eltern geraten, sich frühzeitig um einen Platz zur Entbindung in einer Klinik zu bemühen. 24vita.de sprach mit einer Mutter, die bereits in der 6. Woche der Frühschwangerschaft von Kliniken am Telefon abgewiesen wurde, weil sie zum errechneten Entbindungstermin keinen Platz ermöglichen konnten. „Das habe ich wirklich nicht erwartet“, berichtete die Mutter. (Symbolbild) © AntonioGuillem/Imago
Zwei Frauen mit Baby am Wickeltisch.
Ein für viele Mütter besonders frustrierender Umstand ist der Mangel an Hebammen in Deutschland, insbesondere zur Nachsorge. Ein Umstand, den sich so manche Eltern wohl anders vorgestellt haben. Die Hebamme kommt nach der Geburt zu den Müttern nach Hause – anfangs täglich, später wöchentlich – sieht nach dem Baby und ist auch wertvolle Ansprechpartnerin für die Mutter. Eltern brauchen speziell am Anfang Unterstützung und Kraft, um ihre nötige Kompetenz entwickeln zu können. Gerade nach der Geburt fühlen sich viele Mütter körperlich und mental erschöpft. Die Hebamme kontrolliert in der Nachsorge zudem die Rückbildung der Gebärmutter bei der betreffenden Mutter, den Wochenfluss sowie die Wundheilung von Riss- oder Operationswunden bei Dammriss oder -schnitt sowie Kaiserschnitt. Außerdem zeigt die Hebamme ihnen erste Übungen der Rückbildungsgymnastik. (Symbolbild) © Mareen Fischinger/Imago
Mutter sitzt erschöpft vor Babybett
Ein Baby bedeutet das pure Glück – so denken und hoffen es die meisten Eltern. Doch nicht immer stellt sich nach der Geburt das Gefühl von Glück und unendlicher Liebe ein. Bei etwa 710.000 Geburten pro Jahr in Deutschland zeigen über 70.000 Frauen und mit ihnen auch Männer pro Jahr Symptome einer postpartalen Depression. (Symbolbild) © Highwaystarz/LOOP IMAGES/Imago
Vater und Sohn schlafen im Sitzen
„Schlaf immer dann, wenn das Baby schläft.“ Ein gut gemeinter Rat von anderen Eltern, der nach der Geburt eine besondere Bedeutung einnehmen wird. Denn den schwierigen Umstand der veränderten Schlafqualität mit Schlafmangel haben sich viele Eltern definitiv anders vorgestellt. Nicht selten fühlen sich die übermüdeten Mütter und Väter dann über den ganzen Tag schläfrig-benommen, leiden unter Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen und sind stark reizbar. (Symbolbild) © Tanya Yatsenko/Imago
Mutter mit Baby erinnert sich
Zu dem neuen Leben mit Baby kommen auch jede Menge Aufgaben auf Mütter und Vater zu, angefangen vom neuen Tagesablauf, den oftmals kurzen Nächten, über das Stillen des Babys und Fläschchen geben bis hin zu Nachsorge- und Vorsorgeterminen. Gerade Mütter berichten, das Gefühl zu haben, an vieles denken zu müssen und machen dabei häufig die Erfahrung – auch wenn das Kind schon älter ist sowie, wenn Geschwister dazu kommen – Termine, Verabredungen oder Aufgaben zu vergessen. (Symbolbild) © Highwaystarz/LOOP IMAGES/Imago
Frau sortiert Wäsche in Waschmaschine
Mit dem Nachwuchs wird die Arbeit im Haushalt nicht weniger, ganz im Gegenteil. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, so viel Wäsche pro Woche zu waschen“, erzählt eine Mutter 24vita.de im Gespräch. Mit dem Baby in der Familie fehlt es dann schlicht und ergreifend häufig an Zeit und vielen Eltern auch an Energie, Aufgaben zu erledigen, selbst wenn Eltern das Kind einbinden oder sich zur Erholung zum schlafenden Baby dazu legen. (Symbolbild) © YAY Images/Imago
Frau in der Dusche
Eine ausgiebige Dusche oder ein schönes, warmes Bad. Was für Menschen ohne Kinder meist selbstverständlich ist, muss von Eltern mit Baby nicht selten zeitlich eingeplant werden. „Ich habe anfangs immer nur ganz schnell duschen können, weil unser Kleiner nicht gerne abgelegt werden wollte und dann viel weinte“, beschreibt eine Mutter im Gespräch mit 24vita.de. Zwar mag es für die einen absurd klingen, doch ist dieser Umstand für so manche Mutter oder manchen Vater nach der Geburt des Babys blanke Realität, die vorher nicht in ihrer Vorstellung vorkam. (Symbolbild) © Ihar Ulashchyk/Imago
Mutter wiegt Baby im Arm
Über neun Monate warten Eltern darauf, ihr Baby in den Armen halten zu können. „Jeden Tag war das für mich ein besonderer Moment, wenn ich unser kleines Baby im Arm hielt, sie wiegte, an ihr roch“, so die Mutter einer jetzt 4-Jährigen. Die meisten Eltern freuen sich auf ihre Elternzeit mit Kind, doch es gibt auch die Mütter und Väter, die sich in dieser ersten Zeit mit Kind dennoch alleine fühlen, da ihnen beispielsweise die Ansprache mit anderen fehlt. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago
Eltern mit kleinem Baby
Mit der Geburt des Babys werden aus zwei Menschen eine Familie. Wo sich vorher die Frau und der Mann voll auf ihre Partnerschaft konzentrieren konnten, stehen nun in der Regel vorrangig die Bedürfnisse des Nachwuchses im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Baby verändert zwar eine Partnerschaft, kann sie aber auch bereichern. Mutter und Vater ist eine Rolle im Leben, in die Eltern zunächst hineinwachsen müssen, die auch mit Tücken, Hindernissen und verschiedenen Gefühlen verbunden ist, auch wenn es in der eigenen Vorstellung einfacher schien. (Symbolbild)  © Cavan Images/Imago

3. „Draining“: Dein Baby ist anstrengend

„High Need Babys“ kosten ihre Eltern viel Kraft: Ständiges Stillen, Tragen und Wiegen bestimmen den Tag. Dr. Sears rät betroffenen Familien, diese schwierigen Momente als Phase zu betrachten, die es irgendwie zu überstehen gilt. Dabei ist es immer wichtig, so ruhig wie möglich zu bleiben, Nachsicht mit sich selbst zu haben, den Haushalt auch mal liegen zu lassen und wenn möglich, Unterstützung zu suchen.

4. „Feeds Frequently“: Dein Baby möchte permanent gefüttert werden

„High Need Babys“ suchen häufig und lange Körperkontakt, möchten intensiv gestillt werden – nicht nur, weil sie hungrig sind, sondern auch, um ihr Nähebedürfnis zu stillen.

5. „Demanding“: Dein Baby fordert viel

Hochbedürftige Babys möchten nicht nur viel herumgetragen werden – sie geben ihren Eltern auch das Gefühl, dass sie es nicht abwarten können, ihre Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Meist schreien sie oft sehr schnell und sehr laut.

6. „Awakens frequently“: Das Baby wacht häufig auf

Ein typisches Merkmal von „High Need Babys“ ist, dass sie Schwierigkeiten beim Einschlafen und Durchschlafen haben – für viele betroffene Eltern ist dies mit Abstand die größte Herausforderung, da das gestörte Schlafbedürfnis des Kindes automatisch auch ihre eigene Schlafqualität beeinträchtigt.

7. „Unsatisfied“: Das Kind wirkt häufig unzufrieden

„High Need Babys“ wirken oft unausgeglichen und unzufrieden, sind weinerlich und quengelig – trotz all des Herumtragens, Stillens und der beruhigenden Worte der Eltern.

8. „Unpredictable“: Das Baby ist nicht berechenbar

Hochbedürftige Babys zeigen oft extreme Stimmungsschwankungen, was sie für die Eltern unberechenbar macht. Wenn sie fröhlich sind, ist es eine Freude, mit ihnen zusammen zu sein. Sie können mit ihrer charmanten Art andere für sich gewinnen. Aber wenn sie wütend sind, lassen sie auch jeden um sich herum ihre Gefühle spüren.

9. „Super-Sensitive“: Das Baby ist überempfindlich

Laut Dr. Sears sind „High Need Babys“ schnell reizbar – Geräusche und Veränderungen können die Kinder sehr schnell aus der Fassung bringen. Während einige Familien ein ganz normales Alltagsleben führen können, ohne dass der schlafende Säugling aufwacht, wachen Babys mit „High Need“ oft schon bei dem kleinsten Geräusch auf.

10. „Can’t put baby down“: Das Baby lässt sich nicht ablegen

Das Kind möchten aufgrund seines hohen Bedürfnisses nach Nähe ständig getragen werden oder bei den Eltern auf dem Arm sein – Hauptsache Körperkontakt.

11. „Not a self-soother“: Das Kind kann sich nicht selbst beruhigen

Babys mit „High Needs“ akzeptieren meist keinen Schnuller und keine Spieluhr. Um sich zu beruhigen und einschlafen zu können, brauchen sie die Nähe einer Bezugsperson.

12. „Separation sensitive“: Dem Baby fallen Trennungen schwer

„High Need Babys“ sind oft sehr anhänglich, besonders gegenüber der Mama. Väter müssen dann von außen „zusehen“, wie die Kleinen sich in den meisten Situationen nur von der Mutter beruhigen lassen. Auch andere Familienmitglieder wie Großeltern können das Kind meist nicht herumtragen – was es durch lautes Schreien signalisiert. Die Devise „Einfach mal schreien lassen, es beruhigt sich von selbst“ trifft bei „High Need Babys“ keinesfalls zu.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion nicht beantwortet werden.

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