Umgang mit Kindern

Schreiendes Baby: Wie viel Weinen ist normal?

  • Natalie Hull-Deichsel
    VonNatalie Hull-Deichsel
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  • Sonja Hagl
    Sonja Hagl
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Deutsche Babys können schon mal bis zu 140 Minuten am Tag schreien. Eine Mutter teilt ihre Erfahrung, wie sie mit dem ständigen Weinen ihres Kindes umgegangen ist.

Es ist eine Tatsache, dass alle Babys weinen und schreien – einige mehr, andere weniger. Dies kann für Eltern manchmal eine Herausforderung sein. Doch für Babys ist es die einzige Möglichkeit, ihre Bedürfnisse mitzuteilen. Aber wie viel Weinen und Schreien ist „normal“? Gibt es überhaupt eine Norm? Die Antwort ist nicht eindeutig, denn jedes Baby ist einzigartig. Dennoch haben seit den 1960er-Jahren Forscher im Rahmen verschiedener Studien versucht, das Weinen und Schreien von Babys wissenschaftlich zu untersuchen und eine Antwort auf diese Frage zu finden.

Wie oft und wie lange weinen Babys im Durchschnitt?

Wenn das eigene Kind über einen längeren Zeitraum weint und sich nur schwer oder gar nicht beruhigen lässt, ist dies für die Eltern häufig ziemlich herausfordernd.

2017 führten Psychologen der University of Warwick unter der Leitung von Professor Dieter Wolke eine Studie durch, um einen Durchschnittswert für die Schreidauer von Babys zu ermitteln. Sie verglichen weltweit die tägliche Schreizeit von 8.700 Babys in den ersten drei Monaten ihres Lebens. Die Ergebnisse zeigten, dass die Schreizeit nicht nur von Land zu Land verschieden ist, sondern auch vom Alter des Babys abhängt.

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So weinen Babys in den ersten beiden Lebenswochen durchschnittlich zwei Stunden pro Tag. Bei sechs Wochen alten Säuglingen steigt diese Zeit um weitere 15 Minuten an.

Statistik: Deutsche Babys weinen mehr als 140 Minuten pro Tag

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2022 bestätigt diese Zeiten ungefähr und fügt noch etwas hinzu: Sie vergleicht die ältere Studie mit vielen anderen Untersuchungen weltweit und ermittelt, in welchen Ländern Babys mehr und in welchen weniger weinen. Das Ergebnis: In Deutschland weinen Babys durchschnittlich 140 Minuten pro Tag. Die Schreidauer bei den fünf bis sechs Wochen alten Babys liegt sogar leicht über dem Durchschnitt. In Dänemark hingegen schreien Babys nur halb so viel, im Vergleich zu Deutschland.

Mental Load, Stress, Schlafmangel, Einsamkeit: Dinge, die sich Eltern mit Kind anders vorgestellt haben

Mutter liegt mit Baby in der Wiese
Die Elternzeit wird schön, endlich Freizeit, wie Urlaub, abschalten und die Zeit mit dem Baby genießen, viel spazieren gehen, die angefangenen Bücher fertig lesen, neue Kochrezepte ausprobieren. Was sich gerade Mütter während der ersten Schwangerschaft ausmalen, entspricht in vielen Fällen nicht dem, wie es dann wird. Manche Mütter und Väter fühlen sich vom neuen Lebensabschnitt überrollt und trotz aller Vorbereitungen doch nicht genug vorbereitet. (Symbolbild) © Kzenon/Imago
Frau enttäuscht am Telefon
So sehr sich viele Mütter über den positiven Schwangerschaftstest und den Nachwuchs freuen, umso herausfordernder kann dann die Organisation rund um die Geburt werden. Je nachdem, in welcher Stadt sie leben, wird Eltern geraten, sich frühzeitig um einen Platz zur Entbindung in einer Klinik zu bemühen. 24vita.de sprach mit einer Mutter, die bereits in der 6. Woche der Frühschwangerschaft von Kliniken am Telefon abgewiesen wurde, weil sie zum errechneten Entbindungstermin keinen Platz ermöglichen konnten. „Das habe ich wirklich nicht erwartet“, berichtete die Mutter. (Symbolbild) © AntonioGuillem/Imago
Zwei Frauen mit Baby am Wickeltisch.
Ein für viele Mütter besonders frustrierender Umstand ist der Mangel an Hebammen in Deutschland, insbesondere zur Nachsorge. Ein Umstand, den sich so manche Eltern wohl anders vorgestellt haben. Die Hebamme kommt nach der Geburt zu den Müttern nach Hause – anfangs täglich, später wöchentlich – sieht nach dem Baby und ist auch wertvolle Ansprechpartnerin für die Mutter. Eltern brauchen speziell am Anfang Unterstützung und Kraft, um ihre nötige Kompetenz entwickeln zu können. Gerade nach der Geburt fühlen sich viele Mütter körperlich und mental erschöpft. Die Hebamme kontrolliert in der Nachsorge zudem die Rückbildung der Gebärmutter bei der betreffenden Mutter, den Wochenfluss sowie die Wundheilung von Riss- oder Operationswunden bei Dammriss oder -schnitt sowie Kaiserschnitt. Außerdem zeigt die Hebamme ihnen erste Übungen der Rückbildungsgymnastik. (Symbolbild) © Mareen Fischinger/Imago
Mutter sitzt erschöpft vor Babybett
Ein Baby bedeutet das pure Glück – so denken und hoffen es die meisten Eltern. Doch nicht immer stellt sich nach der Geburt das Gefühl von Glück und unendlicher Liebe ein. Bei etwa 710.000 Geburten pro Jahr in Deutschland zeigen über 70.000 Frauen und mit ihnen auch Männer pro Jahr Symptome einer postpartalen Depression. (Symbolbild) © Highwaystarz/LOOP IMAGES/Imago
Vater und Sohn schlafen im Sitzen
„Schlaf immer dann, wenn das Baby schläft.“ Ein gut gemeinter Rat von anderen Eltern, der nach der Geburt eine besondere Bedeutung einnehmen wird. Denn den schwierigen Umstand der veränderten Schlafqualität mit Schlafmangel haben sich viele Eltern definitiv anders vorgestellt. Nicht selten fühlen sich die übermüdeten Mütter und Väter dann über den ganzen Tag schläfrig-benommen, leiden unter Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen und sind stark reizbar. (Symbolbild) © Tanya Yatsenko/Imago
Mutter mit Baby erinnert sich
Zu dem neuen Leben mit Baby kommen auch jede Menge Aufgaben auf Mütter und Vater zu, angefangen vom neuen Tagesablauf, den oftmals kurzen Nächten, über das Stillen des Babys und Fläschchen geben bis hin zu Nachsorge- und Vorsorgeterminen. Gerade Mütter berichten, das Gefühl zu haben, an vieles denken zu müssen und machen dabei häufig die Erfahrung – auch wenn das Kind schon älter ist sowie, wenn Geschwister dazu kommen – Termine, Verabredungen oder Aufgaben zu vergessen. (Symbolbild) © Highwaystarz/LOOP IMAGES/Imago
Frau sortiert Wäsche in Waschmaschine
Mit dem Nachwuchs wird die Arbeit im Haushalt nicht weniger, ganz im Gegenteil. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, so viel Wäsche pro Woche zu waschen“, erzählt eine Mutter 24vita.de im Gespräch. Mit dem Baby in der Familie fehlt es dann schlicht und ergreifend häufig an Zeit und vielen Eltern auch an Energie, Aufgaben zu erledigen, selbst wenn Eltern das Kind einbinden oder sich zur Erholung zum schlafenden Baby dazu legen. (Symbolbild) © YAY Images/Imago
Frau in der Dusche
Eine ausgiebige Dusche oder ein schönes, warmes Bad. Was für Menschen ohne Kinder meist selbstverständlich ist, muss von Eltern mit Baby nicht selten zeitlich eingeplant werden. „Ich habe anfangs immer nur ganz schnell duschen können, weil unser Kleiner nicht gerne abgelegt werden wollte und dann viel weinte“, beschreibt eine Mutter im Gespräch mit 24vita.de. Zwar mag es für die einen absurd klingen, doch ist dieser Umstand für so manche Mutter oder manchen Vater nach der Geburt des Babys blanke Realität, die vorher nicht in ihrer Vorstellung vorkam. (Symbolbild) © Ihar Ulashchyk/Imago
Mutter wiegt Baby im Arm
Über neun Monate warten Eltern darauf, ihr Baby in den Armen halten zu können. „Jeden Tag war das für mich ein besonderer Moment, wenn ich unser kleines Baby im Arm hielt, sie wiegte, an ihr roch“, so die Mutter einer jetzt 4-Jährigen. Die meisten Eltern freuen sich auf ihre Elternzeit mit Kind, doch es gibt auch die Mütter und Väter, die sich in dieser ersten Zeit mit Kind dennoch alleine fühlen, da ihnen beispielsweise die Ansprache mit anderen fehlt. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago
Eltern mit kleinem Baby
Mit der Geburt des Babys werden aus zwei Menschen eine Familie. Wo sich vorher die Frau und der Mann voll auf ihre Partnerschaft konzentrieren konnten, stehen nun in der Regel vorrangig die Bedürfnisse des Nachwuchses im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Baby verändert zwar eine Partnerschaft, kann sie aber auch bereichern. Mutter und Vater ist eine Rolle im Leben, in die Eltern zunächst hineinwachsen müssen, die auch mit Tücken, Hindernissen und verschiedenen Gefühlen verbunden ist, auch wenn es in der eigenen Vorstellung einfacher schien. (Symbolbild)  © Cavan Images/Imago

Häufiges Schreien: Weint mein Baby zu viel?

Diese Frage stellte sich auch Mama Daniela bei ihrem ersten Kind: „Ich weiß nicht, ob mein Sohn tatsächlich die Kriterien eines echten Schreibabys erfüllte. Aber es fing schon nach der Geburt im Krankenhaus an. Während die meisten Babys in ihren ersten Lebensstunden und -tagen erschöpft schliefen und irgendwie selig aussahen, war meines hellwach und laut. Dieses Baby schlief gefühlt nie und war nur dann zufrieden, wenn es auf Mamas oder Papas Arm in Bewegung war.“

Ihr Sohn wurde erst zufriedener, als er anfing, krabbelnd die Welt zu erkunden. „Mit diesen Entwicklungsschritten wurde er endlich, endlich zufriedener! Plötzlich war er ausgeglichener, schrie weniger und brauchte uns nicht jede einzelne Sekunde als Mittel zum Zweck!“, erinnert sich Daniela an diese anstrengende Zeit.

Es gibt zehn wirkungsvolle Methoden, die Babys helfen können, sich besser zu beruhigen. So manche Eltern setzen auf Flüstern, um das Babys vom Weinen abzulenken oder weißes Rauschen als Einschlafhilfe.

Nur etwa 20 Prozent aller Kinder sind Schreibabys

Tatsächlich weinen nur etwa 20 Prozent aller Säuglinge auffällig viel. Die intensiven Schreiphasen beginnen oft ab der zweiten Lebenswoche. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. definiert ein Schreibaby als „ein(en) Säugling, der täglich mehr als drei Stunden an mindestens drei Tagen der Woche über mehr als drei Wochen aus unerklärlichen Gründen schreit.“

Das Weinen erreicht oft in den frühen Abendstunden seinen Höhepunkt. Obwohl es keinen offensichtlichen Grund gibt – wie Hunger, eine volle Windel oder das Bedürfnis nach Nähe – weint das Kind und lässt sich über Stunden nicht mehr beruhigen.

Die „Schreikurve“: Ab wann weinen Babys weniger?

Bereits 1962 bestätigte ein US-Kinderarzt die Existenz der „Schreikurve“: Babys weinen mit etwa fünf bis sechs Wochen am meisten – danach nimmt die Dauer stetig ab. Dies wurde auch durch die Studie der University of Warwick von 2017 bestätigt. Demnach weint das durchschnittliche Baby weltweit in der zwölften Lebenswoche nur noch etwa eine Stunde und zehn Minuten pro Tag.

Es wird angenommen, dass Babys nach etwa drei Monaten besser in der Lage sind, sich selbst zu beruhigen. Dennoch sollten sich Eltern darüber im Klaren sein: Das Baby wird im Laufe seines ersten Lebensjahres immer wieder weinen und schreien, mit zehn oder elf Monaten vermutlich nicht mehr so viel wie am Anfang.

Das Baby eine Weile weinen lassen – ein guter Ratschlag?

„Schreien lassen stärkt die Lunge!“ – Ein altbekannter Ratschlag, den Eltern auch heute noch immer wieder hören. Aber stimmt das wirklich? Tatsächlich raten manche Kinderärzte noch dazu, Babys über einen bestimmten Zeitraum „kontrolliert“ schreien zu lassen. Doch Wissenschaftler auf dem Gebiet der Bindungsforschung kritisieren diese Methode. Auch Krankenkassen wie Die Techniker raten eher davon ab. Wenngleich Studienergebnisse zeigen, dass die Eltern-Kind-Bindung keinen Schaden nimmt, wenn Eltern zunächst kurze Zeit abwarten, bis sie auf ihr schreiendes Kind zugehen.

Rubriklistenbild: © Chalabala/Imago