Zurück zur Einfachheit

Fünf Parenting-Trends, die wir 2025 loslassen können

  • Joy Gantevoort
    VonJoy Gantevoort
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Das Streben nach Perfektionismus - auch in der Familie - hat im vergangenen Jahr seltsame Trends beflügelt. Doch eigentlich weiß jeder im Innersten, worauf es wirklich ankommt. Ein Plädoyer für mehr Liebe und Leichtigkeit im Familienalltag.

2024 hat uns Eltern vor Herausforderungen gestellt, die mal kurios, mal belastend und manchmal schlicht zu viel waren. Immer noch beeinflussen gesellschaftliche Ideale das Elternsein und auch Social Media hat moderne Ansätze hervorgebracht, wie Eltern erziehen sollten. Dennoch hat sich gezeigt: Nicht all diese Ansätze machen das Familienleben schöner. 2025 könnte das Jahr werden, in dem wir Ballast abwerfen und uns wieder darauf konzentrieren, was wirklich zählt – Nähe, echtes Lachen und ein Leben, das nicht perfekt, aber liebevoll ist.

1. Kinder, die ihre Eltern in Sachen Glow übertreffen

Im letzten Jahr sorgte der „Sephora Kids“-Trend für Stirnrunzeln und Diskussionen. Kinder, die mit Anti-Aging-Produkten und professionellen Hautpflegeroutinen glänzten, wurden auf Social Media gefeiert – aber auch kritisch betrachtet. „Müssen unsere Kinder wirklich aussehen, als wären sie Instagram-tauglich geboren?“, fragten sich viele treffend. Der Trend hat nicht nur Eltern verunsichert, sondern auch Dermatologen auf den Plan gerufen, die vor möglichen Schäden warnen. Gleichzeitig fühlen sich viele Eltern fast überholt, wenn ihre Neunjährigen mit gepflegter Haut und Locken im „Curly-Girl-Style“ glänzen, während sie selbst mühsam versuchen, die To-do-Liste des Alltags zu bewältigen.

Was wir daraus lernen können? Kinder brauchen keine teuren Hautpflegesysteme, sondern Raum, einfach Kinder zu sein – mit wildem Haar, dreckigen Knien und einem breiten Lächeln voller Zahnlücken. Den Glanz von glücklichen, sorglosen Kindermomenten sollten Familien wieder zu schätzen lernen.

Das Ende des Sharenting-Trends: Mehr Familienmomente privat genießen, statt sie öffentlich zu teilen. (Symbolbid)

2. Sharenting: Warum manche Momente besser offline bleiben

In den letzten Jahren haben Eltern ihre Kinder in Social Media zur Schau gestellt, als wären sie Teil einer Reality-Show. Mit lustigen Videos, kreativen Basteleien und scheinbar perfekten Familienmomenten wollte man andere inspirieren – doch die Kinder der „Sharenting“-Generation äußern jetzt zunehmend Kritik. „Es tut weh, mein Leben durch die Augen von Fremden beurteilt zu sehen“, berichten einige von ihnen nun in der späteren Betrachtung. Noch beunruhigender: Hinter den Kulissen dieser „perfekten“ Online-Leben kommen immer wieder schockierende Fälle ans Licht. In einem dramatischen Beispiel wurde eine US-amerikanische Influencerin 2024 wegen Kindesmissbrauchs verurteilt.

Vielleicht ist es an der Zeit, das Handy öfter beiseite zu legen und diese besonderen Momente nur mit denen zu teilen, die uns wirklich nahestehen – unsere Kinder selbst. Statt bunter Videos könnten einfache Dinge wie gemeinsames Backen oder das Erzählen lustiger Geschichten viel mehr Erfüllung bringen.

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3. Der Abschied von „Trad Wives“

Perfekte Frauen in Kleidern der 1950er, die Muffins aus dem Ofen zaubern und ihrem Mann mit einem Lächeln die Aktentasche reichen: Die Welt der „Trad Wives“ hat viele auf Social Media fasziniert. Diese traditionellen Rollenbilder, bei denen die Frau sich vollständig den Haushaltspflichten unterwirft, fanden besonders auf TikTok und Instagram Anhängerinnen. Doch auch in dieser scheinbar makellosen Welt bröckelt die Fassade. Viele dieser Frauen wenden sich mittlerweile vom Lebensstil ab, weil sie feststellen, dass er eher einengend als erfüllend ist. Einige der ursprünglich begeisterten Influencerinnen steigen nun aus.

Es wäre wünschenswert, stattdessen neue, gleichberechtigte Wege zu finden, Familien zu führen – Wege, die Vielfalt und individuelle Lebensstile wertschätzen und genug Platz für echte, gelebte Freiheit bieten.

4. Sanfte Erziehung, die Eltern ausbrennen lässt

Die Idee der sanften oder auch bedürfnisorientierten Erziehung hat die Herzen vieler Eltern gewonnen. Statt Strafen oder autoritärer Erziehung steht das Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes im Mittelpunkt. So wertvoll dieser Ansatz ist, fühlen sich immer mehr Eltern dabei überfordert. Eine Studie belegt, dass ein Drittel der Befragten, die „sanfte Erziehung“ praktizieren, Burnout und starke Unsicherheiten empfinden. Warum? Oft wird „sanft“ mit „grenzenlos“ verwechselt, was Eltern enormen Druck auferlegt. Ein weinendes Kind trösten, dabei ruhig bleiben und am besten noch pädagogisch wertvoll handeln – in einem Supermarkt voller Augenpaare, die darauf warten, zu urteilen? Das ist oft leichter gesagt als getan.

Die Botschaft könnte daher lauten: Sanfte Erziehung ja, aber auch sanft zu sich selbst sein. Kinder profitieren nicht von perfekten Eltern, sondern von solchen, die auch Fehler machen, sich entschuldigen können und sich erlauben, Mensch zu sein.

Was Kinder unselbstständig macht: Sieben Angewohnheiten der Eltern bremsen ihren Nachwuchs aus

Junge klettert auf dem Spielplatz und Vater kommt zu Hilfe
Mit dem Kind auf den Spielplatz gehen, wo es sich richtig schön austoben kann. Wenn dann auch noch ein tolles Klettergerüst dabei ist, noch besser. Doch für manche Eltern ist es schwer, beim Klettern ihres Kindes ruhig zu bleiben, denn es könnte ja etwas passieren, das Kind könnte herunterfallen. Natürlich ist die Fürsorge der Eltern für das Kind wichtig und unerlässlich, doch in Situationen wie diesen sollten Sie versuchen, Ihrem Kind seinen Freiraum zu lassen, ohne es zu ermahnen oder gleich zu verbieten. So kann sich das Kind ausprobieren und entdecken, was für die persönliche Entwicklung wichtig ist. Das Schönste daran: Kinder sind dann häufig so stolz auf sich selbst, wenn es ihnen gelungen ist, ohne Hilfe hochzuklettern. (Symbolbild) © Mareen Fischinger/Imago
Mutter und Vater kochen in der Küche, Sohn schaut zu
Aus Angst, es könnte sich beim Schnippeln verletzen oder es „nicht richtig“ machen, lassen Eltern dann lieber ihr Kind außen vor, anstatt es beim Kochen helfen zu lassen. Dabei ist es klug, den Nachwuchs in jungen Jahren ans Essen zubereiten heranzuführen und es wie selbstverständlich einzubinden. Zwar sollte man dann mehr Zeit einplanen, doch je früher ein Kind sich ausprobieren kann, desto eher lernt es, wird selbstständiger und ist gut vorbereitet fürs spätere Leben. (Symbolbild) © Philippe Degroote/Imago
Geschwister-Kinder streiten sich vor Mutter
Kinder, die einen Konflikt haben und sich streiten, sollten dies auch mal tun können, ohne dass die Eltern oder Erwachsene sich umgehend einschalten. In vielen Fällen löst sich die Schwierigkeit tatsächlich von alleine und von außen ist keine Hilfe vonnöten. Für die Entwicklung von Kindern ist es sinnvoll, eine gewisse Streitkultur zu erleben, sei es mit den Geschwisterkindern, mit dem Kind im Kindergarten oder auf dem Spielplatz. Und dann auch zu erfahren, wie es ist und sich anfühlt, wenn der Streit selbst gelöst werden konnte, ganz ohne die Eltern. (Symbolbild) © Angel Santamaria/Imago
Vater bindet Sohn die Schuhe
Häufig muss es in der Früh auf dem Weg in den Kindergarten oder die Schule schnell gehen. Weil Kinder noch kein richtiges Zeitgefühl haben, ist es für sie nicht so einfach, rechtzeitig fertig zu sein. Dann nimmt Mama oder Papa durchaus mal dem Sprössling das Schuhe-Anziehen ab. Einfach mal versuchen, ca. zehn Minuten eher aufzustehen und mehr Zeit in der Früh einzuplanen, sodass Ihr Kind sich im Anziehen der Kleidung und Schuhe selbst probieren kann – nur so lernt es selbstständig zu werden. (Symbolbild) © Wavebreak Media LTD/Imago
Junge bekommt Zähne von Mutter geputzt.
Beim Thema Zähneputzen möchten so manche Eltern auch lieber auf Nummer Sicher gehen und es ihrem Kind abnehmen. Schlechtes oder zu wenig Zähneputzen birgt schließlich Kariesgefahr. Doch für die Selbstständigkeit des Kindes ist es wichtig, dass es sich mit der Zahnbürste auch so früh wie möglich selbst versucht. Die Eltern können es zuvor ausgiebig zeigen und bei Bedarf helfen, indem sie noch etwas nachputzen. (Symbolbild) © Kryzhov/Imago
Mutter räumt im Kinderzimmer auf
Aufräumen ist in den meisten Familien kein leichtes Unterfangen. Das übernehmen dann nicht selten die Eltern. Dabei gilt auch hier: Je früher Sie Ihr Kind einbinden – am besten bereits im Kleinkindalter –, desto eher und selbstverständlicher wird es damit umgehen. Was nicht heißt, dass es immer wieder Phasen gibt, in denen Ihr Kind nicht aufräumen möchte – schon gar nicht die geliebten Bauklötze im eigenen Zimmer. Wichtig ist auch hier, das Kind immer wieder anzusprechen, freundlich aufzufordern, einzubinden, durchaus auch spielerisch, mit Musik, und dem Kind auch zu erklären, warum Aufräumen und Ordnung wichtig sind. So wird Ihr Kind später besser und selbstständig an die Sache herangehen. (Symbolbild) © Westend61/Imago
Mutter und Kind packen Schulranzen
Beim Schulranzen packen oder Hausaufgaben machen helfen Eltern in der Regel auch gerne – oder sie erledigen es komplett für Ihr Kind. Um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, ist es zwar wichtig, Ihr Kind mit den Hausaufgaben zu unterstützen und bei Fragen und Nöten da zu sein. Doch wenn Eltern die Aufgaben selbst lösen, ist dem Kind nicht wirklich geholfen. Für einen Lerneffekt muss es eingebunden werden oder es selbst probieren dürfen. Das Schuldranzen-Packen ist für die persönliche Entwicklung und das „Großwerden“ auch ein wichtiges Ritual – es kann ebenfalls gemeinsam mit Hilfe der Eltern erfolgen, das gibt Ihrem Kind Sicherheit. Mit Musik dazu macht es sogar noch mehr Spaß. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago

5. Safetyism: Mut statt Dauerschutz

Sicherheit steht an erster Stelle – und das zu Recht. Doch 2024 wurde immer deutlicher: Übermäßiger Schutz kann Kindern mehr schaden als nutzen. Übertrieben sichere Spielplätze oder die Idee, Eltern zu bestrafen, wenn Kinder allein unterwegs sind, verunsichern zunehmend Familien. Eine Studie der Canadian Paediatric Society betont, wie wichtig Risikospiel für die gesunde Entwicklung von Kindern ist. Statt Kinder nur in gepolsterten Umgebungen großzuziehen, sollten Eltern ihre Kinder die Welt wieder selbst entdecken lassen – und Vertrauen aufbauen.

Ob Klettern auf dem Baum, Radfahren durch den Wald oder ein spontanes Abenteuer im Garten: Kinder brauchen Herausforderungen, um Selbstvertrauen zu entwickeln. Ein paar Kratzer sind dabei vielleicht der beste Beweis dafür, dass sie auf dem richtigen Weg sind – und dass Eltern loslassen dürfen.

Ein Neustart mit Herz

Wie wäre es, wenn 2025 als Neubeginn für familiäres Zusammensein gesehen werden würde? Weniger Vergleiche, mehr Authentizität, weniger Druck und mehr Freiheit. Eltern und Kinder können wachsen, wenn sie nicht dem ständigen Streben nach Perfektion hinterherrennen, sondern das echte Leben schätzen. Liebevolle Umarmungen, schmutzige Schuhe und kleine, ungeteilte Geheimnisse – das sind die Momente, die wirklich zählen.

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