Kinder bei einer Beauty-Behandlung mit Gesichtscreme
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Faltencreme als Lifestyle bei Kindern

Beauty-Trend „Sephora Kids”

Anti-Aging-Wahn unter Mädchen: „Was dabei kaputtgeht, ist nicht nur die Haut“

  • Sarah Diedenhoven
    VonSarah Diedenhoven
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Immer mehr junge Mädchen geben ihr Taschengeld für Faltencreme und Make-up aus. Hautärzte wie Dr. Uwe Schwichtenberg blicken besorgt auf den neuen Beauty-Trend der „Sephora Kids”.

Was sind „Sephora Kids“?

Auf den großen sozialen Netzwerken wie TikTok, Instagram und auch auf YouTube finden sich hunderte Videos zu dem Phänomen der sogenannten „Sephora Kids“ – angelehnt ist der Name an die gleichnamige Kosmetikkette Sephora. In den Clips zu sehen sind junge Mädchen, oft nicht älter als acht bis zehn Jahre, die Unsummen für Kosmetikprodukte ausgeben. Angetrieben wird dieser Trend von Beauty-Influencerinnen, welche die Kinder als Vorbilder sehen. Sie preisen „Must-haves“ für strahlende Schönheit an, die nicht nur teuer sind, sondern teilweise sehr starke Inhaltsstoffe haben, die für Kinderhaut absolut ungeeignet sind. Nicht selten sind sogar Anti-Aging-Cremes unter den gehypten Produkten dabei. Wir haben mit dem Dermatologen Dr. Uwe Schwichtenberg gesprochen. Auch in seiner Praxis ist das Phänomen der „Sephora Kids“ kein Einzelfall mehr. Er beobachtet den Trend mit Sorge.

Dr. Schwichtenberg, können Sie kurz beschreiben, was mit der Haut von Kindern passiert, wenn sie starken Inhaltsstoffen bereits in so jungen Jahren ausgesetzt wird?
Dr. Uwe Schwichtenberg: Ich habe hier eine Haut, die im Grunde genommen gar nichts braucht. Die sich selbst in ausreichendem Maße pflegt und dann überpflegt wird. Wir sind bei einer Altersgruppe, die letztendlich in Richtung Akne tendiert und das heißt, wir haben ein Überfunktionsproblem. Ich fahre mich in die Probleme jeglicher Überfettungserkrankungen wie Rötungen, Pickel, kleine Knubbelchen selbst rein. Ich schaffe mir ein Problem, das ich vorher nicht hatte, mit der Erwartungshaltung ein Problem zu beseitigen, das nicht da war. Das ist das Massenphänomen.
Wie steht es um starke Inhaltsstoffe wie Retinol, BHA und Co.?
Retinol ist zur Behandlung von Falten gedacht und trägt die oberste Hautschicht ab. Das ist natürlich für jemanden, der keine Falten und noch eine im Aufbau befindliche Haut hat, nicht gedacht und auch nicht hilfreich. Hier ist in der Tat möglich, dass ich der Haut damit einen Schaden zufüge. Es ist eine völlig unnötige Problematik, die ich mir da schaffe.

So können die Hautschäden laut Dr. Schwichtenberg aussehen:

- Die wird Haut dünner und empfindlicher

- Die „Pforten“ der Haut sind offen

- Keime können leichter in die Haut eindringen

- Die Haut wird trocken und/oder schuppig

- Risiko von Hautinfekten jeglicher Art

Er erklärt: „Damit wird gleich wieder auf die Notwendigkeit von weiteren Pflegemaßnahmen abgezielt. Das schafft natürlich einen eigenen Markt auf diese Art und Weise”.

Wie steht es um Make-up, Concealer, Puder und Co.? Was passiert mit der kindlichen Haut, wenn diese bereits täglich geschminkt wird?
Auch das sind Versiegelungsprodukte. Das heißt, sie haben Talgdrüsen, die mehr Talg enthalten, als drin sein sollte. Und das ist gefundenes Fressen für Bakterien und die Pickelbildung. Es ist eine Sache, die sich selbst verstärkt: Wenn Sie die Pickel im Gesicht haben, brauchen Sie das Make-up, damit die Leute die Pickel nicht sehen. Das Make-up, mit dem Sie die Pickel verschleiert haben, produziert aber gleich wieder die Nächsten. Diese Haut will und braucht nichts.

Nicht nur die Haut, auch die Psyche leidet

Dr. Schwichtenberg beobachtet bei sich in der Praxis eine gewisse Überforderung der Eltern mit der Thematik. Sie würden darauf hoffen, so der Dermatologe, „dass der Doktor jetzt endlich dem Kind den Kopf gerade rückt und sagt, das brauchst du alles nicht“. Die psychischen Schäden, die dieser Trend verursacht, seien seiner Meinung nach daher viel schwerwiegender als die Schäden an der Haut der Kinder: „Haut ist in der Lage, sich wieder zu regenerieren, wenn man mit dem Unsinn wieder aufhört. Was kaputtgeht, ist das Selbstbewusstsein dieser Mädels.“

Hilfestellung für Eltern: Was kann ich tun?

Der beste Schutz ist ein gesundes Selbstwertgefühl und die richtige Aufklärung. Deshalb sollten Eltern vor allem das Selbstbewusstsein der Kinder stärken und ihnen vermitteln, dass Kosmetikprodukte nichts daran verändern, wer wir sind. Auch eine starke Medienkompetenz hilft dabei, dass Kinder nicht in die Perfektions-Falle in den sozialen Medien geraten. Dabei können Eltern zum Beispiel aufklären, dass die Körper- und Schönheitsideale, die auf Instagram und Co. vermarktet werden, in der Realität so nicht existieren. Das gilt genauso für Beauty-Filter, die Lippen größer und Wangen höher erscheinen lassen: Es kann Spaß machen, die Filter auszuprobieren, sie sollten aber nicht zum angestrebten Ideal werden.

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