„Hass gegen alles Männliche“
„Homonationale Partei“: Warum Schwule die AfD wählen
VonJana Stäbenerschließen
Immer wieder fallen AfD-Politiker durch homofeindliche Aussagen auf. Einige Homosexuelle wählen sie trotzdem. Wie passt das zusammen?
Die AfD ist die beliebteste Partei unter schwulen Männern? Zumindest wenn man einer Umfrage des Männer-Magazins auf der Datingplattform Romeo glaubt, an der 10.000 Nutzer teilnahmen. Mit 22,3 Prozent liegt die AfD hier auf dem ersten Platz, dicht gefolgt von der CDU/CSU mit 20,6 Prozent.
Zum Vergleich: Bei den vergangenen Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen kam die AfD bei der Gesamtbevölkerung auf mehr als 30 Prozent. Da verwundert die hohe Zustimmungsrate unter schwulen Männern. Schließlich fällt die AfD immer wieder durch Homofeindlichkeit auf. So äußerte sich Maximilian Krah, Spitzenkandidat für die Europawahl, homophob auf TikTok. Warum wählen schwule Männer ihn und seine Parteikollegen trotzdem?
Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschand.
Warum wählen schwule Männer die AfD?
Als BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA diese Frage dem AfD-Wähler-Experten Andreas Hövermann vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) stellt, verweist er darauf, dass die Umfrage nicht repräsentativ sei. Generell sei eine große Teilnehmeranzahl noch kein Kriterium für eine gute und repräsentative Umfrage, wenn sie auf eine so spezifische Zielgruppe beschränkt sei – in diesem Fall die Nutzer der queeren Dating-Plattform Romeo.
Ob also tatsächlich 22 Prozent der schwulen Männer in Deutschland die AfD wählen, ist fraglich. Dennoch sei es nicht verwunderlich, dass die Partei auch in dieser Bevölkerungsgruppe Zuspruch erhält, findet die Kultur und Politikwissenschaftlerin Katharina Hajek, die an der Universität Koblenz Geschlechterpolitiken und Anti-Genderismus im Rechtspopulismus unterrichtet.
„Die AfD ist kein monolithischer Block, sondern beherbergt bis heute unterschiedliche Strömungen“, sagt sie zu BuzzFeed News Deutschland. „Während rechtsnationale und -radikale wie Höcke offen homophob auftreten, gibt es auch offen schwule Aktivisten und Gruppierungen in der AfD. Schwul und rechts sein schließen sich nicht aus.“ Das zeigen auch offen schwule AfD-Politiker wie Kay Gottschalk, Sven Tritschler und natürlich Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, die sich selbst aber als „nicht queer“ bezeichnete.
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AfD positioniert sich als „homonationale Partei“
Wichtiger noch sei: „Die AfD positioniert sich spätestens seit der ‚Kölner Silvesternacht‘ von 2015 als homonationale Partei. Das heißt, sie forciert ein Narrativ, wonach Frauenfeindlichkeit, sexualisierte Gewalt und eben auch Homophobie ‚importierte‘ Probleme wären, die mit der Migration vor allem junger muslimischer Männer nach Deutschland kämen“, sagt Hajek.
Dadurch vereine die AfD geschickt Geschlechterpolitik mit Migrationspolitik. „Eine restriktivere Einwanderungspolitik und Abschiebungen werden als Lösung für homophobe Gewalt verkauft“, so Hajek. Das widerspreche natürlich allen Statistiken zu sexualisierter Gewalt, auch der gegen queere Menschen. 2021 wurden laut Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) 1051 hassmotivierte Straftaten gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen registriert. Davon waren 327 rechts motiviert, 23 religiös, 20 ausländisch, 19 links und 662 waren nicht zuzuordnen.
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Schwule AfD-Wähler beklagen „Hass gegen alles Männliche und Deutsche“
Besonders Alice Weidel bediene dieses Narrativ der „vermeintlich rückständigen, muslimischen Anderen“ als lesbische Frau immer wieder, indem sie etwa angebe, sich manchmal auf dem Nachhauseweg mit ihrer Frau nicht mehr sicher vor Übergriffen und Straßengewalt zu fühlen. Einige queere Menschen könne das überzeugen, die AfD zu wählen, glaubt die Kulturwissenschaftlerin.
Deutlich wird dies an den Social-Media-Kommentaren homosexueller AfD-Wähler oder an Artikeln einschlägig rechter Magazine, in denen sie zu Wort kommen. Dort sprechen sie von „frauenfeindlichen und homophoben Männern aus Ländern des globalen Südens“ und beklagen einen „fast schon eliminatorischen Hass gegen alles Männliche und Deutsche“, zu dem sie auch sich als „schwule Patrioten“ zählen (Weltwoche, 24. März 2024).