Historische Regeländerung

„Vorstoß ist ungewöhnlich“: CDU und BSW wollen AfD in Thüringen mit Trick verhindern

  • Peter Sieben
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Die CDU und BSW wollen die Geschäftsordnung im Thüringer Landtag ändern. Doch es ist unklar, ob sie es dürfen. Das sagt ein Experte.

Erfurt – Nach der Wahl kommen die Fallstricke. Die Regierungsbildung wird eine Herausforderung in Thüringen, aktuell zeichnet sich eine sogenannte Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD ab, mit Mario Voigt als Ministerpräsident. In trockenen Tüchern ist dabei allerdings noch nichts. Ein weiterer Knackpunkt kommt am Donnerstag nächster Woche (26. September) auf den Landtag zu, wenn es um die Wahl des Landtagspräsidenten geht. Wegen der AfD könnte es zu einer zeitraubenden Hängepartie kommen. Die CDU und die Wagenknecht-Partei BSW wollen das verhindern – und planen gemeinsam eine historische Maßnahme.

AfD will nach Thüringen-Wahl Kandidaten für Amt des Landtagspräsidenten vorschlagen

Hintergrund: Als stärkste Kraft nach der Thüringen-Wahl darf die AfD einen ersten Kandidaten oder eine erste Kandidatin vorschlagen. Die Partei hat bereits ihre Abgeordnete Wiebke Muhsal für die Kandidatur nominiert. Um gewählt zu werden, bräuchte Muhsal eine einfache Mehrheit im Landtag. Die anderen Fraktionen haben allerdings deutlich gemacht, dass sie eine AfD-Politikerin an der Spitze des Landtags nicht akzeptieren werden, denn die Thüringer AfD gilt laut Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem.

Erst nach zwei verlorenen Wahlgängen können die anderen Parteien eigene Kandidaten vorschlagen. Sprich: Es gäbe massive Verzögerungen, bis der Landtag arbeitsfähig wäre. Deshalb wollen CDU und BSW die Geschäftsordnung ändern und zur Abstimmung stellen, dass alle Fraktionen von Anfang an Kandidaten vorschlagen können.

Lost Places und Geisterviertel in Ostdeutschland

Leerstehendes Gebäude bei Greiz in Thüringen.
Leerstehendes Gebäude bei Greiz: Das Haus verfällt.  © Peter Sieben
Das Grundstück ist verwildert.
Das Grundstück ist verwildert.  © Peter Sieben
Lost Place in Thüringen
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Verfallene Häuser in Thüringen
Eine ganze Häuserzeile in Altenburg steht vor dem Verfall. Ein Projekt namens „Hofhalten“ will die Gebäude retten.  © Peter Sieben
Verfallenes Haus in Thüringen
Der pittoreske Altstadtkern von Altenburg ist saniert – ein paar Straßen weiter sieht es anders aus.  © Peter Sieben
In den Gebäuden waren einst Geschäfte. Jetzt stehen sei zum Teil seit vielen Jahren leer.
In den Gebäuden in Altenburg waren einst Geschäfte. Jetzt stehen sie zum Teil seit vielen Jahren leer. Mithilfe des Projekts „Hofhalten“ und Fördermitteln vom Bund sollen einige der Häuser erhalten bleiben. Auch Gassen, die zum Marktplatz führen, sollen so wieder sichtbar gemacht werden.  © Peter Sieben
Auch ganze Höfe stehen in Thüringen seit Jahren verlassen da. Die Grundstücke gerade im ländlichen Raum sind vergleichsweise wenig wert, die Eigentümer oft nicht mehr auffindbar.
Auch ganze Höfe stehen in Thüringen seit Jahren verlassen da. Die Grundstücke gerade im ländlichen Raum sind vergleichsweise wenig wert, die Eigentümer oft nicht mehr auffindbar.  © Peter Sieben
verfallene Häuser in Thüringen
Manchmal sind ganze Straßenzüge zu Geistervierteln verkommen.  © Peter Sieben
Verlassenes Gebäude in Ronneburg.
Verlassenes Gebäude bei Ronneburg in Ostthüringen.  © Peter Sieben
Lost Place in Erfurt: Auch in der Hauptstadt von Thüringen gibt es Gebäude, um die sich niemand mehr kümmert.
Lost Place in Erfurt: Auch in der Hauptstadt von Thüringen gibt es Gebäude, um die sich niemand mehr kümmert.  © Peter Sieben
Auch dieses Haus mitten in Erfurt steht schon eine Weile leer.
Auch dieses Haus mitten in Erfurt steht schon eine Weile leer.  © Peter Sieben
Leerstand in Erfurt.
Leerstand in Erfurt.  © Peter Sieben
Dieses Haus in Ostthüringen wuchert allmählich zu.
Dieses Haus in Ostthüringen wuchert allmählich zu. Um die Ecke stehen Häuser, mit Aufklebern an den Klingelschildern. Darauf steht: „Achtung! Sie betreten Reichsgebiet“.  © Peter Sieben
Verlassenes Haus in Ostthüringen.
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Manche Häuser werden allmählich baufällig.
Manche Häuser werden allmählich baufällig. Wenn Gebäude zehn Jahre und mehr nicht mehr bewohnt wurden, sind sie oft nicht mehr zu retten.  © Peter Sieben
Von der Fassade bröckelt der Putz. In vielen Fällen fühlt sich niemand mehr für die verlassenen Gebäude zuständig.
Von der Fassade bröckelt der Putz. In vielen Fällen fühlt sich niemand mehr für die verlassenen Gebäude zuständig. Wenn kein Eigentümer mehr im Kataster vermerkt ist, und auch der Staat kein Interesse hat, kann sich jeder als Eigentümer eintragen lassen. Allerdings sind die Immobilien meist nichts mehr wert und eignen sich auch nicht als Sicherheit etwa für Kredite.  © Peter Sieben

Nach Thüringen-Wahl: Fraktionen im Landtag bereiten sich vor, um AfD kaltzustellen

Der Zeitpunkt allerdings wäre ungewöhnlich und bislang einzigartig: Denn normalerweise wird zuerst ein neuer Landtagspräsident gewählt, und erst danach gilt der Landtag als handlungsfähig. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke spricht via X von „Taschenspielertricks“ und aus der Partei hieß es, man glaube nicht, dass der Landtag vor der Wahl eines Präsidenten über eine neue Geschäftsordnung abstimmen könne. „Die Rechtslage ist hier sehr eindeutig“, sagte etwa Torben Braga, parlamentarischer Geschäftsführer der Thüringer AfD-Landtagsfraktion, gegenüber Welt.

Befürworter der CDU-BSW-Aktion bereiten sich derweil schon argumentativ vor, wie aus Landtagskreisen zu hören ist. Aber wie sieht es verfassungsrechtlich aus? Hat die AfD mit ihrer Einschätzung recht? Überhaupt nicht, sagt Jurist Philipp Austermann, der an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung lehrt. „Der Landtag kann, wie jedes Parlament, seine Geschäftsordnung durchaus ändern, bevor ein neuer Präsident gewählt ist“, so Austermann im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Verfassungsexperte über Maßnahme von CDU und Wagenknecht-Partei BSW: „Ungewöhnlich, aber zulässig“

In der thüringischen Verfassung ist im Artikel 57 zwar festgeschrieben, dass sich der Landtag eine Geschäftsordnung zu geben hat. „Aber es gibt keine Vorgabe, wann das zu geschehen hat. Dasselbe gilt für die Präsidentenwahl“, erklärt Experte Austermann.

Das heißt: Der neue Landtag hat ein Selbstorganisationsrecht – und das kann durch Gewohnheiten in bisherigen Landtagen nicht eingeschränkt werden. „Der Vorstoß ist sicherlich ungewöhnlich, aber durchaus zulässig“, macht Jurist Austermann klar. Für die Abstimmung zur Änderung der Geschäftsordnung bräuchten CDU und BSW eine einfache Mehrheit im Landtag. Aus der SPD ist bereits zu hören, dass man die beiden Parteien als Fraktion unterstützen werde.

Rubriklistenbild: © Martin Schutt, Jakob Schröter/dpa (Fotomontage)