Kiew hofft auf Waffen
„Feind vernichtend geschlagen“: Kriegsparteien setzen bei Charkiw-Offensive auf Spezialeinheiten
VonFelix Busjaegerschließen
Bei der Charkiw-Offensive im Ukraine-Krieg waren wohl auf beiden Seiten Spezialeinheiten im Einsatz. Russland schickte seine Speznas – und umging die Verteidiger.
Charkiw – Sie kam zwar wenig überraschend, doch hätte verheerende Auswirkungen auf die künftige Lage im Ukraine-Krieg haben können: Russlands Charkiw-Offensive stellte die Verteidiger vor knapp zwei Wochen vor große Herausforderungen. Nahezu im Eiltempo eroberten die Truppen von Wladimir Putin erste Grenzdörfer und die ukrainische Regierung stand plötzlich in der Kritik, ihre östliche Region nur unzureichend gesichert zu haben. Inzwischen sei die Lage stabil und der „Feind vernichtend geschlagen“, betont Präsident Wolodymyr Selenskyj immer wieder, doch warnt zugleich vor weiteren Vorstößen des Aggressors.
Dass bei Russlands Offensive bei Charkiw nicht noch weitere ukrainische Dörfer an den Feind gefallen sind, liegt womöglich auch an der strategischen Verlegung von Streitkräften auf der Seite der Verteidiger. Wie nötig dieser Schritt tatsächlich war, kann zwar nur erahnt werden, doch neue Berichte legen nun nahe, dass Russland selbst ihre Speznas-Truppen inmitten des Ukraine-Kriegs einsetzte, um Vorstöße zu erzielen – und die Ukraine selbst Spezialeinheiten an die Front schickte.
Spezialeinheiten bei Charkiw-Offensive: Russland schickt Speznas zu Kämpfen im Ukraine-Krieg
Die Charkiw-Offensive in Russlands Krieg gegen die Ukraine traf die Verteidiger schwer: Die Region, die die Ukraine in den ersten Monaten nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs weitestgehend zurückerobert hatte, erholte sich bereits von den direkten Auswirkungen der Kampfhandlungen. Aufbaumaßnahmen sollen bereits angelaufen sein, doch nun befinden sich die Menschen aus den Grenzdörfern erneut auf der Flucht vor den Truppen Russlands. Besonders schwer getroffen hat es die Umgebung von Wowtschansk. Inzwischen kontrollieren Putins Streitkräfte große Teile der Stadt, berichtet der Guardian. Doch insgesamt blieb der befürchtete Durchbruch aus. Zwischenzeitlich wurde vermutet, dass Russland versuchen könnte, Charkiw direkt zu attackieren.
Da es Russlands Armee in den ersten Monaten des Ukraine-Kriegs nicht gelang, die Millionenstadt einzunehmen, entwickelte sich die Metropole zu einem starken Symbol des Widerstands gegen russische Aggressionen im Krieg in der Ukraine. Berichte zur Charkiw-Offensive legen derweil nahe, dass das russische Militär ursprünglich geplant hatte, in der Region Charkiw deutlich schneller Vorstöße zu erzielen. Aufgrund von begrenzten Ressourcen und Truppen, die in der Grenzregion stationiert waren, wurden die Pläne aber vor Beginn der Offensivoperationen geändert. Das berichtet der Economist. Demnach sollten Russlands Streitkräfte innerhalb von 72 Stunden nach Borshchova (etwa 20 Kilometer nordöstlich der Stadt Charkiw) vordringen, um die Artillerie in Reichweite der Stadt zu bringen.
Unter hohen Verlusten im Ukraine-Krieg: Russland setzte bei Charkiw-Offensive auf zahlreiche Vorstöße
Trotz hoher Verluste im Ukraine-Krieg ist es Russland bisher nicht gelungen, auf die Stadt vorzurücken. An anderen Fronten des Kriegs stehen die Ukrainer inzwischen deutlich stärker unter Druck, doch die Sorge vor einem Vorstoß gen Charkiw bleibt. Wie die britische Times nun schreibt, wollen ukrainische Spezialeinheiten in den Schützengräben in der Region sogar Speznas-Truppen ausgemacht haben. „Man konnte sehen, wie professionell und gut koordiniert sie arbeiteten – das war Arbeit auf hohem Niveau“, wird ein ukrainischer Soldat zitiert.
Der Soldat gehört der Kraken-Kompanie an, die direkt dem Militärgeheimdienst HUR untersteht. Zusammen mit anderen Kämpfern der Spezialeinheiten war er aus der Donbass-Region abgezogen worden, um bei Charkiw zu unterstützen. Bei der Charkiw-Offensive soll die russischen Spezialeinheiten bei einem ersten Vorstoß die Verteidigungslinien umgangen und die ukrainischen Truppen eingekreist haben. „Sie kamen durch die Sümpfe und Bäume, fast unbemerkt von unseren Angriffsdrohnen“, berichtet der Soldat. Die Speznas-Truppen griffen von hinten an und überrannten erste Einheiten. In der Folge sollen sich schwere Gefechte entwickelt haben, viele Verteidiger fielen bei den Kämpfen.
Russland setzt im Ukraine-Krieg Speznas ein: Kiew hofft auf weitere Waffen
Dass Russland im Ukraine-Krieg die Speznas-Einheiten einsetzt, ist derweil weniger verwunderlich. Seit der russischen Invasion im Frühjahr 2022 werden die Spezialeinheiten immer wieder bei Kämpfen in der Ukraine gesichtet. Aktuell sollen sie unter anderem in der Nähe von Tschassiw Jar im Einsatz sein. Das geht aus einer Analyse des Instiute for the Study of War hervor. Auch zu Speznas-Operationen bei der Charkiw-Offensive gab es in den vergangenen Tagen immer wieder Berichte.
Russland hat aktuell ihre offensiven Bemühungen bei Charkiw zurückgefahren. Die Lage im Ukraine-Krieg bleibt trotz Charkiw-Offensive extrem schwierig. Präsident Selenskyj betonte, dass die Ukraine weiterhin Flugabwehr, Panzertechnik und Artilleriegeschosse brauche. Der Politiker sagte zudem, dass er jedem Staat und Partner dankbar sei für die Hilfe. Doch müssten die Mittel zur Vernichtung des Feindes jetzt kommen, in diesen Wochen – „und nicht irgendwann im Sommer“. (fbu/dpa)
Rubriklistenbild: © Ukrinform/dpa
