Rekruten
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Russische Rekruten an einem Bahnhof in der russischen Region Wolgograd (Archivbild).

Soldatenmangel im Ukraine-Krieg

Putin setzt auf neue Taktik: Russland will Rekruten locken – ohne Mobilmachung

  • Franziska Schwarz
    VonFranziska Schwarz
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Putins Russland will seine Armee ausbauen, doch viele Russen wollen nicht an die Front. US-Analysten zufolgen sollen nun neue Taktiken greifen.

Moskau – Wladimir Putin habe klar gesagt, es werde keine neue Mobilmachung geben, verkündete Andrej Kartapolow noch vor einem Monat. Der Mann ist Vorsitzender des Verteidigungsausschusses der Staatsduma. Er reagierte damit auf Spekulationen, der russischen Armee könnten nach dem Wagner-Aufstand in Russland die Männer für den Ukraine-Krieg ausgehen – laut dem US-amerikanischen Institut für Kriegsstudien (ISW) scheint das tatsächlich der Fall zu sein.

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew verkündetet nun, dass sich seit Jahresbeginn 230.000 neue Soldaten in die russische Armee eingeschrieben hätten. Im Mai hatte der Vize-Präsident des russischen Sicherheitsrats noch von 120.000 Rekruten in diesem Jahr gesprochen. Doch BBC Russia zweifelte erstens an Medwedews Angaben zu den neuen Freiwilligen und wies zweitens darauf hin, dass die neuen Rekruten wohl auch Ex-Söldner der Wagner-Gruppe umfassten, wie es im ISW-Lagebericht vom Donnerstag hieß.

Wagner-Gruppe marschiert in Richtung Moskau: Bilder zum Putschversuch in Russland

Söldner der Wagner-Gruppe posieren in Rostow am Don vor Panzern.
Söldner der Wagner-Gruppe posieren in Rostow am Don vor Panzern. © IMAGO/Erik Romanenko
Die Stadt Rostow am Don wurde von der Wagner-Gruppe besetzt. Hier stehen zwischen den Zivillisten bewaffnete Soldaten und Panzer auf den Straßen.
Die Stadt Rostow am Don wurde von der Wagner-Gruppe besetzt. Hier stehen zwischen den Zivillisten bewaffnete Soldaten und Panzer auf den Straßen. © Sergey Pivovarov/IMAGO
Nahaufnahme der Ausrüstung. Die Soldaten in Rostow am Don sind mit kugelsicheren Westen ausgestattet.
Die Soldaten in Rostow am Don sind mit kugelsicheren Westen ausgestattet und schwer bewaffnet. © Erik Romanenko/IMAGO
Auf der schusssicheren Weste eines Soldaten in Rostow am Don steht auf einem Aufnäher: „Mama hat gesagt: Anziehen“. (Yandex Image Translator)
Auf der schusssicheren Weste eines Soldaten in Rostow am Don steht auf einem Aufnäher: „Mama hat gesagt: Anziehen“. (Yandex Image Translator) © Erik Romanenko/IMAGO
Die bewaffneten Wagner-Söldner in Rostow am Don bewachen auch mit militärischen Fahrzeugen die Stadt.
Die bewaffneten Wagner-Söldner in Rostow am Don bewachen auch mit militärischen Fahrzeugen die Stadt. © Erik Romanenko/IMAGO
Die Soldaten in Rostow am Don stehen inmitten der Bevölkerung wache und werden teilweise von Zivilisten angesprochen.
Die Soldaten in Rostow am Don stehen inmitten der Bevölkerung wache und werden teilweise von Zivilisten angesprochen. © IMAGO/Erik Romanenko
Soldaten der Wagner-Gruppe bewachen das südliche militärische Hauptquartier in Rostow am Don mit Scharfschützen.
Soldaten der Wagner-Gruppe bewachen das südliche militärische Hauptquartier in Rostow am Don mit Scharfschützen. © IMAGO/Erik Romanenko
In Moskau sind rund um den Kreml alle Straßen und Kreuzungen weiträumig abgesperrt und bewacht.
In Moskau sind rund um den Kreml alle Straßen und Kreuzungen weiträumig abgesperrt und bewacht. © Kirill Zykov/IMAGO
Das Moskauer „Grabmal des unbekannten Soldaten“ an der Mauer des Kremls. Zusätzlich zu den üblichen Wachen in prunkvoller Uniform sind hier Polizisten postiert.
Das Moskauer „Grabmal des unbekannten Soldaten“ an der Mauer des Kremls wird zusätzlich zu den üblichen Wachen von der Polizei bewacht. © Ilya Pitalev/IMAGO
Eine Polizistin in Moskau steht hinter der Absperrung des Roten Platzes neben einem Einsatzwagen. Im Hintergrund sind die farbigen Kuppeln der Basilius Kathedrale zu sehen.
Der Rote Platz in Moskau ist weiträumig abgesperrt und wird von der Polizei bewacht. © IMAGO/Ilya Pitalev
Wagner-Gebäude in mehreren russischen Städten, wie hier in St. Petersburg, werden von Polizisten bewacht.
Wagner-Gebäude in mehreren russischen Städten, wie hier in St. Petersburg, werden von Polizisten bewacht. © IMAGO/Alexander Galperin
Die russische Polizei sperrt Straßen in der Region Moskau und kontrolliert die Dokumente von Fahrzeugen, die sie passieren möchten.
Die russische Polizei sperrt Straßen in der Region Moskau und kontrolliert die Dokumente von Fahrzeugen, die sie passieren möchten. © IMAGO/Kirill Kallinikov
In der Region Moskau wird die Autobahn M2 bei Podoslk von mehreren LKW blockiert.
In der Region Moskau wird die Autobahn M2 bei Podoslk von mehreren LKW blockiert. © IMAGO/Vitaliy Belousov
Den Menschen, die in Staus auf russischen Autobahnen festsitzen, wird Trinkwasser zur Verfügung gestellt.
Den Menschen, die in Staus auf russischen Autobahnen festsitzen, wird Trinkwasser zur Verfügung gestellt. © IMAGO
In der russischen Stadt Rostow am Don stehen Soldaten in den Straßen Wache und beobachten die Lage.
Die Soldaten stehen in den Straßen Wache und beobachten die Lage. © IMAGO/Erik Romanenko

Mobilmachung in Russland im Ukraine-Krieg - in besetzten Gebieten unter Zwang

Hinzu kommen jüngste Berichte, wonach Russland in seinen besetzten Gebieten in der Ukraine zwangsrekrutiert. Die ukrainischen Angaben zu Putins Zwangsmobilisierung sind drastisch. „Die Invasoren fangen die Leute auf der Straße“, sagte Andrij Tschernak, Sprecher des ukrainischen Verteidigungsgeheimdienstes, dem Projekt Donbas Realii. Es soll inzwischen sogar Rekrutierungen in Frauen-Gefängnissen in Russland geben.

Zudem baut Russland im Ukraine-Krieg offenbar erstmals neue Kampfeinheiten im größeren Maßstab auf. Details in diesem Video:

Rekruten-Mangel im Ukraine-Krieg: Russland fährt massive Kampagne

Wie will Moskau also den russischen Personalmangel an der Front in den Griff kriegen? Der Kreml versucht nun, mit günstigen Konditionen Freiwillige zu gewinnen. Putin habe deshalb ein Dekret über eine obligatorische staatliche Lebens- und Krankenversicherung für Freiwillige und mobilisiertes Personal unterzeichnet, berichtete das ISW. Das Dekret sieht auch eine Versicherung für Freiwillige vor, die seit Beginn des Überfalls am 24. Februar 2022 an Kampfhandlungen in der Ukraine teilgenommen haben.

Außerdem läuft eine Kampagne für die russische Bevölkerung, mit Werbeplakaten auf den Straßen und Anzeigen in Online-Netzwerken. Den künftigen Soldaten verspricht die Armee diverse Vorteile und Erleichterungen. Zwei Beispiele, die Medwedew am Donnerstag (3. August) nannte:

  • Die aktuelle Arbeitsstelle eines Rekruten bleibt während seiner Dienstzeit für ihn reserviert.
  • Bankkredite müssen während des Wehrdienstes nicht abbezahlt werden.

Putin-Verbündeter Medwedew will „Prestige“-Wehrdienst

Medwedew hatte am Vortag an einer Sitzung zu Fragen der militärischen Personalbesetzung in Moskau teilgenommen. Dabei lobte er laut Tass, dass es „uns gelungen ist, die soziale Absicherung der Soldaten und ihrer Familien deutlich zu erhöhen“. Die staatliche russische Nachrichtenagentur räumte der Meldung vergleichsweise wenig Raum auf ihrer Webseite ein.

Dabei betonte Medwedew, die Herausforderung darin liege darin, den Wehrdienst als „so prestigeträchtig wie möglich“ zu erhalten. Wie lange die Ausbildung der Rekruten vor dem Fronteinsatz dauert, teilte er am Donnerstag nicht mit.

Soldaten-Mangel im Ukraine-Krieg: Liefert die Wagner Putin weiter zu?

Unterdessen schreibt das ISW der Wagner-Gruppe potenziell weiterhin eine Rolle im Ukraine-Krieg zu. Es gab das russische Oppositionsportal Waschnyje Istorii als Quelle für diese These an. Das Portal berichtete von der Aussage eines Wagner-Söldners, die Gruppe von Anführer Jewgeni Prigoschin rekrutiere weiterhin Personal - etwa zwar in einem im sibirischen Omsk ansässigen orthodoxen Sportverein. Dass Wagner weiterhin in Afrika aktiv sein will, ist bekannt. Doch Rekrutierungszentren würden weiterhin auch Freiwillige in die Ukraine entsenden, meinte der Söldner. Vazhnye Istorii konnte seine Behauptungen allerdings nicht verifizieren. 

Mobilmachung in Russland im Ukraine-Krieg führt zur Flucht ins Ausland

Die Gegenoffensive der Ukraine setzt das russische Militär unter Druck. Die Hauptfronten verlaufen im Süden und Osten der Ukraine. Wegen der russischen Verluste im Ukraine-Krieg hatte Putin im September 2022 eine Teil-Mobilmachung der russischen Reservisten angeordnet – die erste in Russland seit dem Zweiten Weltkrieg.

Dadurch gewann die Truppe mindestens 300.000 zusätzliche Soldaten. Allerdings flohen auch Zehntausende Russen vor ihrer Einberufung ins Ausland. Ende Dezember bezeichnete es der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu als „notwendig“, die russische Armee auf 1,5 Millionen Soldaten zu vergrößern. (frs)

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