„Noch nie so ernst wie jetzt“

Russland bereitet angeblich Sprengung von Atomkraftwerk vor – US-Politiker warnen Putin

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Der ukrainische Geheimdienst behauptet, dass die russische Armee eine Sprengung des Atomkraftwerkes Saporischschja vorbereitet habe. Ein hoher Militär wird deutlich.

Update vom 27. Juni, 7.52 Uhr: Die Lage am AKW in Saporischschja ist weiterhin äußert angespannt. Der US-Senat hat nun eine Resolution eingebracht, in der vorgeschlagen wird, die Handlungen Russlands, Weißrusslands „oder eines Stellvertreters Russlands“ als Angriff auf die NATO zu werten, wenn diese zu einer radioaktiven Verseuchung des Territoriums der Verbündeten führen. Das werde denn NATO Artikel 5, also den sogenannten Bündnisfall auslösen. Der republikanische Senator Lindsey Graham und der Demokrat Richard Blumenthal gaben diese Erklärung bereits am Donnerstag (22. Juni) auf einer Pressekonferenz ab.

„Diese Resolution [...] soll eine Botschaft an Wladimir Putin und noch direkter an sein Militär senden: Sie werden vernichtet, sie werden ausgeweidet, wenn sie taktische Nuklearwaffen einsetzen oder wenn sie eine Nuklearanlage auf eine Weise zerstören, die die umliegenden NATO-Staaten bedroht. [...] Putins Militär riskiert die totale Auslöschung durch die NATO-Streitkräfte, wenn es so leichtsinnig und irrational ist, auf taktische Atomwaffen zurückzugreifen“, sagte Senator Blumenthal.

Russland streitet Pläne zur Sprengung des AKW ab

Update vom 26. Juni, 23.00 Uhr: Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat russische Pläne für eine Sprengung des AKW Saporischschja dementiert. „Das ist völliger Nonsens, wir haben das mehrfach gesagt“, erklärte er laut der Staatsagentur Tass in einem Interview mit dem Kremlsender RT. Lawrow schrieb entsprechende Berichte schlicht einem „Informationskrieg der Angelsachsen, der Polen und sogar der Balten zu“.

Russland bereitet angeblich Sprengung von Atomkraftwerk vor – Pläne werden konkret

Erstmeldung: Enerhodar – Würde Moskau wirklich so weit gehen im Ukraine-Krieg? Kyrylo Budanow, Chef des ukrainischen Inlandgeheimdienstes hat davor gewarnt, dass Russland angeblich Vorbereitungen für eine mögliche Sprengung des Atomkraftwerkes (AKW) Saporischschja abgeschlossen habe.

Vier von sechs Kraftwerksblöcken des AKW seien mit Sprengstoff vermint und könnten von den Besatzern in die Luft gesprengt werden, erklärte Budanow im Interview mit New Statesman, einer politischen Wochenzeitung aus Großbritannien.

Ukraine-Geheimdienst: Russland hat angeblich AKW Saporischschja vermint

„Die Lage war noch nie so ernst wie jetzt“, wird Budanow zitiert. Er warnte dem Bericht zufolge erneut vor einer gefährlichen Eskalation. Die Stadt Enerhodar, bei der das AKW südlich des Kachowkaer Stausees liegt, gilt als mögliches Ziel der ukrainischen Gegenoffensive im Süden des Landes. Weswegen der Kreml hier selbst zu drastischsten Maßnahmen bereit wäre?

Im Ukraine-Krieg im Fokus: das AKW Saporischschja.

Laut ukrainischem Geheimdienst haben russische Truppen angeblich mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge an die Kraftwerksblöcke verlegt. Es sei nicht klar, ob der Internationalen Atomenergiebehörde (AEAE) bei deren Inspektion des AKWs am 15. Juni Zugang zu diesen Einheiten gewährt worden sei, erklärte Budanow. Zudem sei angeblich das Kühlbecken der Anlage vermint worden, erzählte Budanow weiter, ohne Beweise für seine Behauptungen vorzulegen.

AKW Saporischschja? Plant Russland einen Terrorangriff auf das Atomkraftwerk

Ohne Kühlung könnten die Kernreaktoren in einem Zeitraum zwischen zehn Stunden und 14 Tagen schmelzen, teilte der Geheimdienstchef laut New Statesman mit. Ferner gehe er davon aus, dass Russland in der Lage sei, die Spannung in den Stromversorgungsleitungen zum Kraftwerk zu erhöhen, was zu einem nuklearen Unfall führen könnte. „Technische Mittel könnten eingesetzt werden, um die Katastrophe zu beschleunigen“, sagte er demnach. Zuvor hatte bereits der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nachdrücklich vor einem möglicherweise durch Moskau befohlenen Anschlag auf das AKW gewarnt.

Der Geheimdienst hat Informationen erhalten, dass Russland ein Szenario eines Terroranschlags auf das Kernkraftwerk Saporischschja erwägt.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine

„Der Geheimdienst hat Informationen erhalten, dass Russland ein Szenario eines Terroranschlags auf das Kernkraftwerk Saporischschja erwägt. Ein Terroranschlag mit Strahlungsaustritt. Sie haben alles dafür vorbereitet. Leider musste ich immer wieder daran erinnern, dass Strahlung keine Staatsgrenzen kennt und nur die Windrichtung bestimmt, wen sie trifft“, hatte Selenskyj schon am Donnerstag (22. Juni) in einem Twitter-Posting erklärt: „Wir teilen alle verfügbaren Informationen mit unseren Partnern – allen auf der Welt. Alle Beweise.“

AKW Saporischschja: Wolodymyr Selenskyj warnt vor russischem Terror

Selenskyj meinte weiter: „Europa, Amerika, China, Brasilien, Indien, die arabische Welt, Afrika – alle Länder, das sollte wirklich jeder wissen. Internationale Organisationen. Alle. Es darf nirgendwo zu Terroranschlägen auf Atomkraftwerke kommen. Diesmal sollte es nicht wie bei Kachowka sein – die Welt wurde gewarnt, also kann und muss die Welt handeln.“

Gegenoffensive der Ukraine: Vor Enerhodar wird angeblich eine Brücke gesprengt

In diesem Zusammenhang weckten bei Twitter Berichte Aufmerksamkeit, dass angeblich eine Brücke in der Kleinstadt Dniprorudne (rund 19.000 Einwohnerinnen und Einwohner) am Kachowkaer Stausee gesprengt und/oder bombardiert wurde. Mehrere Twitter-User teilten die Information, die sich nicht unabhängig überprüfen lässt. Auch nicht, wer für die Attacke auf die Infrastruktur verantwortlich sein soll.

Dniprorudne liegt rund 30 Kilometer östlich von Enerhodar. An der Kleinstadt vorbei verläuft die Regionalstraße P37. An dieser liegen auch die Kleinstädte Wasyliwka (rund 13.000 Einwohner) und, weiter südöstlich in der Region Saporischschja, Tokmak (rund 32.000 Einwohner). Zu beiden Städtchen versucht sich die ukrainische Armee bei ihrer Gegenoffensive aktuell vorzukämpfen, wohl auch, um die Regionalstraße zum AKW unter ihre Kontrolle zu bekommen. (pm)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Erik Romanenko

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