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TV-Duell Merz vs. Scholz: „Gipfel der Zukunftsverweigerung“ – nur 97 Sekunden fürs Klima
VonPaula Völkner
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Die Priorisierung im TV-Duell Merz gegen Scholz erntet Kritik. Ungefähr 13 Minuten für Migration – bloß anderthalb Minuten fürs Klima. „Ein zukunftsblindes TV-Duell“.
Berlin – Rund anderthalb Minuten ging es im TV-Duell zwischen den Kanzlerkandidaten von SPD und Union, Olaf Scholz und Friedrich Merz, um Klimapolitik. „97 Sekunden von 90 Minuten Debattenzeit werden der Bedeutung der Klimakrise nicht gerecht“, kritisiert der Politikberater Johannes Hillje gegenüber IPPEN.MEDIA. Bereits kurz nach dem TV-Duell häufte sich auf Social-Media-Plattformen die Kritik an der Unterrepräsentation der Klimakrise in der Sendung.
Klima-Kritik am TV-Duell zwischen Merz und Scholz: Lang spricht vom „Gipfel der Zukunftsverweigerung“
Nicht nur der Politik- und Kommunikationsberater äußerte auf der Plattform X seinen Unmut. Auch die ehemalige Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisierte die Themensetzung. Gegenüber unserer Redaktion erklärt Lang: „Gestern im TV-Duell gab es von Olaf Scholz und Friedrich Merz kein einziges Wort zu Klimaschutz. Das war ein Gipfel der Zukunftsverweigerung.“ Lang nimmt in ihrer Kritik Scholz und Merz in die Verantwortung. Im Wahlkampf 2019 habe es noch einen „Überbietungswettbewerb“ der Parteien gegeben, „wer am meisten Klimaschutz will“. Am Wahlkampf vor der Bundestagswahl im Februar kritisiert Lang: „Jetzt erleben wir einen Unterbietungswettbewerb, wer am wenigsten Klimaschutz will, wer vorhat, am meisten zu blockieren.“
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Luisa Neubauer kritisiert TV-Duell zwischen Merz und Scholz: „Entscheidende Aspekte ignoriert“
Auch die Klimaaktivistin und Mitbegründerin der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung, Luisa Neubauer, äußerte sich infolge des TV-Duells auf X. Dass es in der Sendung nicht um den Klimawandel und Klimapolitik ging, nannte die Aktivistin „unfassbar“. Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA stellt sie klar, es gehe nicht darum, es der Klimabewegung recht zu machen – vielmehr gehe es dabei um „Ernsthaftigkeit und Seriosität“ im Wahlkampf. „Wie möchte man für seriöse und belastbare Wirtschaftsmigration oder Sicherheitspolitik einstehen, wenn man eine der größten Fluchtursachen und Migrationsursachen, das wohl größte Risiko für die Wirtschaft und die große Sicherheitsfrage des 21. Jahrhunderts, strukturell und kategorisch ausblendet.“
Im Wahlkampf nicht über Klima zu sprechen, ziehe „viele weitere Debatten komplett ins Lächerliche, weil entscheidende, grundlegende Aspekte ignoriert oder ausgeblendet werden“. Die Klimaaktivisten sieht hier vor allem die Parteien in der Pflicht, die ihre Themen im Wahlkampf setzen. Die Wahlkampf-Themen, die die CDU zuletzt gesetzt habe, hätten nun auch in der TV-Debatte stattgefunden.
Am längsten sprachen die Kandidaten im TV-Duell über das Thema Migration – knapp 13 Minuten – gefolgt von der „Brandmauer“ zur AfD und Wirtschaftspolitik. Auch Themen wie Verteidigungsausgaben, Steuerpolitik und den Krieg in der Ukraine kamen in der Debatte vor. Sowohl Scholz als auch Merz, kritisiert Neubauer, hätten Klimapolitik im Duell zum Thema machen können: „Das sind erwachsene Männer, das ist ja nicht zu viel verlangt.“
TV-Duell Merz vs. Scholz: Klimaforscher spricht von „Medienversagen“
Klimaforscher Stefan Rahmstorf hingegen nimmt in seiner Kritik an dem Duell die Sender in den Blick und nannte das TV-Duell in einem Post auf X „unglaubliches Medienversagen“. Gegenüber IPPEN.MEDIA verweist der Abteilungsleiter Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung auf eine Reihe von aktuell spürbaren Folgen des Klimawandels: „Die Welt erlebt derweil wöchentlich irgendwo nie dagewesene Extremereignisse, wie die verheerende Flut in Valencia oder die fürchterlichen Brände in Los Angeles – beide klar verschärft durch die Erderwärmung.“ Zwölf Monate in Folge mit über 1,5 Grad Erderwärmung liegen hinter uns, erklärt Rahmstorf: „Klimaforscher sind extrem beunruhigt.“
Auch verweist er auf das jüngste Gutachten des Expertenrats für Klimafragen, in dem es heißt, dass die Fortschritte beim deutschen Klimaschutz derzeit nicht ausreichen. In der kommenden Legislaturperiode gehe es darum, den Europäischen Green Deal mit dem EU-Emissionshandel im Gebäude- und Verkehrssektor umzusetzen. „Können die Kandidaten versichern, dass sie voll und ganz dahinter stehen?“, fragt Rahmstorf und kritisiert mit Blick auf das TV-Duell: „Wie kann es sein, dass die Kanzlerkandidaten zu diesen entscheidenden Fragen für den Wohlstand und die Sicherheit der Menschen in unserem Land nicht ausgiebig befragt wurden?“
Viel Migration und Wirtschaft, wenig Klima: ZDF äußert sich zu Themensetzung im TV-Duell
Auf Anfrage antwortet ZDF-Sprecher Thomas Hagedorn, „die Themen Migration und Wirtschaft werden derzeit von den Wählerinnen und Wählern als besonders relevant bewertet, insofern standen sie auch im ‚TV-Duell‘ im Fokus“. Klimapolitik sei während des Duells mehrfach als „Querschnittsthema“ im Gespräch gewesen – „etwa in den Diskussionen um Windräder, um den Ausbau erneuerbarer Energien oder um die Co2-Preisentwicklung“, erklärt Hagedorn. „Die Herausforderungen des Klimawandels gilt es weiter intensiv zu diskutieren.“ In den 90 Minuten sei es nicht möglich, „alle relevanten Themen erschöpfend“ zu besprechen, führt der ZDF-Sprecher weiter aus.
Bei einer Frage ging es im TV-Duell am Sonntag (9. Februar) um die Haltung der Kandidaten zu Windrädern – konkret, ob Merz diese „hässlich“ findet. Die Antwort: „Schön“ findet der CDU-Chef sie nicht, aber immerhin notwendig, wenn auch unter Bedingungen. An anderer Stelle äußerte sich Merz kurz zu Klimageld und Co2-Preisen. Im Großen und Ganzen kam Klimapolitik jedoch kaum vor.
„Ein zukunftsblindes TV-Duell“: Nicht nur Klimapolitik kam laut Experteneinschätzung zu kurz
Hillje erklärt gegenüber IPPEN.MEDIA: „Es war ein zukunftsblindes TV-Duell. In der Sendung wurde eine Realität simuliert, die es so nicht mehr gibt.“ Nicht nur der Klimaschutz sei dort ausgeblendet worden. Weitere Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz oder der demografische Wandel seien ebenso wenig behandelt worden. Bei dem TV-Duell wurden Merz und Scholz 90 Minuten lang von den Moderatorinnen von ZDF und ARDMaybrit Illner und Sandra Maischberger befragt.
„Die Sender orientieren sich an Umfragen, in denen die wichtigsten Probleme abgefragt werden. Klima steht bei solchen Umfragen meist nicht an erster Stelle, gehört aber fast immer zu den wichtigsten fünf Themen“, erklärt der Politik- und Kommunikationsberater die Schwerpunktsetzung. „Die Orientierung an Themenrankings führt zu einer Thementrennung, die der Realität nicht gerecht wird.“ Vielmehr müsse der Klimaschutz „als Querschnittsthema behandelt werden, das Teil von politischen Strategien für Wirtschaftswachstum oder soziale Gerechtigkeit sein sollte“, fordert Hillje. „Im TV-Duell hätte es weniger Silodenken und mehr Integration von zusammenhängenden Zukunftsthemen gebraucht.“ (pav)